Bei der VIG scheint’s derzeit zu laufen: ­Rekordzahlen, Rating-Verbesserung, die größte Übernahme der Konzerngeschichte, dazu ein neues Konzern-Strategiepapier evolve28. Keine Revolution, eine Evolution sagt CEO Hartwig Löger in Gespräch mit dem Börse Express dazu.

 

BÖRSE EXPRESS: Nach Veröffentlichung Ihrer Zahlen zum dritten Quartal habe ich in unserem Newsletter getitelt „wenn’s lauft, dann lauft’s“. Sehr erfreuliche Zahlen, mehr Gewinn für 2025 als prognostiziert, verbessertes Rating und mit der Nürnberger den größten Erwerb der VIG bisher im Auge. Wird die neue Gruppenstrategie „evolve28“ für eine Prolongation des Erfolgskurses sorgen?

HARTWIG LÖGER: Wir schaffen mit „evolve28“ die Voraussetzungen dafür. Wir sind in den letzten Jahren sehr erfolgreich unterwegs gewesen und beweisen starke Resilienz. Darauf setzen wir mit der neuen Strategie auf und entwickeln unser Geschäftsmodell flexibel weiter, basierend auf den Charakteristika der einzelnen Märkte und allgemeinen Trends. Der Fokus liegt auf Wachstum, höherem Ertrag und kontinuierlich steigender Dividende.

 

BÖRSE EXPRESS: Mit welchen konkreten Kennzahlen wollen Sie dies erreichen?

HARTWIG LÖGER: Bis Ende 2028 wollen wir ein Volumen an verrechneter Prämie von mindestens 20 Milliarden Euro erreichen. Das Ergebnis vor Steuern soll mindestens 1,5 Milliarden Euro betragen. Das entspricht einer Steigerung zur Prognose 2025 von 30 Prozent. Bei der Combined Ratio netto streben wir einen Wert von höchstens 91 Prozent an. Der operative Return on Equity soll 2028 mindestens 17 Prozent betragen. Die Bandbreite für die Solvenzquote der Gruppe bleibt bei 150 bis 200 Prozent. Damit zeichnen wir ein sehr klares Bild des Wachstumskurses, den wir über die nächsten drei Jahre forcieren und nach der regulatorischen Übernahme der Nürnberger noch entsprechend anpassen werden.

 

BÖRSE EXPRESS: Halten Sie auch an der Dividendenstrategie fest, die im Prinzip eine steigende Dividende vorsieht?

HARTWIG LÖGER: Wir beteiligen seit der Erstnotiz der VIG-Aktie an der Wiener Börse seit mehr als 30 Jahren unsere Aktionäre jedes Jahr am Unternehmenserfolg. In unserer aktuellen Dividendenpolitik haben wir festgelegt, dass die Dividende je Aktie für das abgelaufene Geschäftsjahr zumindest auf dem Niveau des Vorjahres liegt. Daran halten wir fest. Es ist unser Ziel, abhängig von der operativen Ergebnissituation, die Dividende je Aktie kontinuierlich zu steigern.

 

BÖRSE EXPRESS: Was auffällt ist Ihre Betonung, dass sich die VIG als Gruppe und nicht als Konzern sieht und sehr stark nach dem Prinzip des lokalen Unternehmertums agiert. Warum ist Ihnen das so wichtig?

HARTWIG LÖGER: Es ist eines unserer definierten Prinzipien und ein klares Unterscheidungsmerkmal zu anderen internationalen Mitbewerbern. Wir verstehen uns als Gruppe, die nach einem föderalistischen Prinzip strukturiert ist. Wir geben eben keine zentrale Konzernstrategie vor, wir entwickeln sie gemeinsam mit den Gruppengesellschaften und tragen so den regionalen Gegebenheiten optimal Rechnung. Die Länder sind sehr unterschiedlich, sowohl ökonomisch als auch regulatorisch und kulturell. So sind 50 individuelle Strategien entstanden, die auch in lokaler Verantwortung umgesetzt werden, wobei die Holding den Know-how Austausch zwischen den Gesellschaften fördert.

 

BÖRSE EXPRESS: Gilt auch unter „evolve28“ die Definition der CEE-Region als Kernmarkt?

HARTWIG LÖGER: Daran ändert sich auch unter „evolve28“ nichts. Wir sind seit 2008 Marktführer in Zentral- und Osteuropa. Es ist unser Ziel, auch mit „evolve28“ unseren Fußabdruck als klare Nummer Eins in CEE weiter zu vergrößern.

 

BÖRSE EXPRESS: Neben der neuen Strategie und den neuen Finanzzielen ist sicher die Übernahme der Nürnberger aktuell das bewegende Thema. Gab es eigentlich vor der Nürnberger bei Ihnen Überlegungen, dass ein großer Schritt in einen etablierten Markt eine gute Idee sein könnte, nachdem zuvor jahrzehntelang das Wachstumsthema Osteuropa getrommelt wurde?

HARTWIG LÖGER: Unsere Wachstumsstrategie für die CEE-Region bleibt unvermindert aufrecht. Wir haben in unseren Prinzipien definiert, dass die Holding gruppenweite Chancen verfolgt. Die geplante Übernahme der Nürnberger Versicherung ist eine einzigartige Gelegenheit und ein ausgezeichneter strategischer Fit. Die Nürnberger passt mit ihrer unternehmerisch geprägten Unternehmenskultur und ihrer starken lokalen Marke sehr gut zu unserer Philosophie. Sie bringt weitere Expertise bei biometrischen Produkten und insbesondere der Berufsunfähigkeitsabsicherung mit, die wir gruppenweit nutzen wollen. Deutschland ist und bleibt für die VIG ein Spezialmarkt, der aufgrund der hohen Affinität zu Versicherungsprodukten und Marktgröße ein attraktives Umfeld bietet.

 

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BÖRSE EXPRESS: S&P beurteilte den Schritt Nürnberger positiv und begründete u.a. damit die jüngste Anhebung des Kreditratings auf einen positiven Ausblick, was die Refinanzierungskosten senkt. Heißt das, dass Sie künftig in Relation mit mehr Fremdkapital arbeiten werden? Kann man erwarten, dass weitere Schritte ins ‚etablierte Europa‘ folgen, oder wird jetzt wieder der CEE-Fokus eingeschaltet?

HARTWIG LÖGER: Für die VIG ist dies eine kapitaleffiziente Transaktion, finanziert ausschließlich durch interne Mittel. Wir nutzen verfügbares Kapital zur Unterstützung des langfristigen profitablen Wachstumsziels der Gruppe. Vom geplanten Erwerb sind weder unsere Dividendenpolitik noch unsere Fähigkeit betroffen, künftig strategisch attraktive Investitionsmöglichkeiten zu nutzen. Die VIG ist gut kapitalisiert, um weitere Wachstumschancen in ihren Märkten zu nutzen. Dabei bleibt der CEE-Fokus eingeschaltet, aber wir prüfen immer auch Opportunitäten in jenen Märkten, in denen wir als Gruppe aktiv sind. Wichtig ist, sie müssen in unser Portfolio passen und attraktive Wachstums-, Vertriebs- und/oder Ertragsperspektiven bieten.

 

BÖRSE EXPRESS: Ist in etwa ein Viertel des Prämienvolumens in etablierten Märkten für Sie in der Konzernbalance so etwas wie eine Ziel-Untergrenze?

HARTWIG LÖGER: Wir haben keine derartigen Ziel- oder Grenzwerte für Prämienvolumina aus bestimmten Regionen definiert. Wir teilen unsere Märkte wie erwähnt ein in Kernmärkte, zu denen derzeit 20 Länder inklusive Österreich gehören und 10 Spezialmärkte. In diesen Spezialmärkten generiert die VIG zusätzliche Erträge und Wertschöpfung, stärkt ihre Finanzkraft und greift auf spezifisches Know-how zu, ohne eine Top-Marktposition anzustreben.

 

BÖRSE EXPRESS: Welche Faktoren waren für die VIG beim Angebot an die Nürnberger-Aktionäre ausschlaggebend?

HARTWIG LÖGER: Wir haben die üblichen Bewertungsmethoden angewendet und dabei das einzigartige Profil der Nürnberger mit ihrem Lebensversicherungsportfolio und Expertise im Bereich biometrischer Risiken berücksichtigt, ihre starke Solvabilität mit Eigenmitteln von 2,2 Mrd. Euro, Skaleneffekte und ihr nach erfolgreicher Transformation mittel- und langfristig erwartetes solides und stabiles Dividendenausschüttungspotenzial einberechnet.

 

BÖRSE EXPRESS: Als mit ein Grund für den Nürnberger-Kauf nennen Sie deren Expertise in biometrischen Risiken. Jetzt bietet die mehr als 200jährige VIG Gruppe Lebensversicherungen sicher schon genauso lange an, wie die 150jährige Nürnberger. Was können die, was Sie nicht können?

HARTWIG LÖGER: Die Nürnberger hat nicht nur eine sehr lange Erfahrung bei biometrischen Risiken, mit ihren Produkten, speziell in der Berufsunfähigkeitsabsicherung, zählt die Nürnberger zu den Top 3 am deutschen Markt. Zweifellos bieten wir in Österreich derartige Produkte an und haben ebenfalls Langzeitexpertise, allerdings ist das Thema Berufsunfähigkeitsversicherung in Österreich anders als in Deutschland organisiert. Für uns steht auch nicht die Nutzung in Österreich im Vordergrund, der Fokus liegt auf den Gruppengesellschaften in CEE. Gerade in den Märkten in CEE, in denen das Sozialversicherungssystem nicht so ausgeprägt, wie in Österreich ist, ist die Berufsunfähigkeit ein zukunftsrelevantes Versicherungsthema, bei dem wir als Gruppe vom Know-how der Nürnberger profitieren werden können.

 

BÖRSE EXPRESS: Die Nürnberger als börsennotiertes Unternehmen wird es weitergeben, oder ist ein Börserückzug geplant?

HARTWIG LÖGER: Ein Delisting von der Börse ist sehr wahrscheinlich. Wie ein solches Delisting erreicht wird, ist allerdings noch offen. Wir haben mit gut 98 Prozent eine sehr hohe Annahmequote erreicht. Nach Vollzug der Transaktion kommt daher auch ein Squeeze-out, also ein Ausschluss der verbleibenden Minderheitsaktionäre der Nürnberger gegen Zahlung einer angemessenen Barabfindung in Betracht. Ein Squeeze-out würde ebenfalls zu einer Beendigung des Listings der Nürnberger Beteiligungs-AG führen.

 

BÖRSE EXPRESS: Nürnberger ist ein Unternehmen, dass sich aus der Krise aufzuraffen scheint. Mit welchen Investitionen ins Unternehmen muss ich als Aktionär rechnen?

HARTWIG LÖGER: Das Management von Nürnberger hat eine klare Vision für den Turnaround und hat bereits Initiativen gestartet, um dieses Ziel zu erreichen. Wir werden Nürnberger in Schlüsselbereichen, in denen die VIG sehr spezifische Kompetenzen erworben hat, wie zum Beispiel in der IT, aktiv und effektiv unterstützen. Nach Abschluss des Transformationsprozesses erwarten wir stabile Dividendenbeiträge in einer Höhe, die über dem Niveau der Vergangenheit liegt.

 

BÖRSE EXPRESS: Ihre neue Konzernstrategie heißt evolve - keine Revolution sagen Sie, dafür eine Evolution. Was bedeutet die Nürnberger für die VIG?

HARTWIG LÖGER: Kurz zusammengefasst: Die Nürnberger passt strategisch hervorragend zu uns, erfordert zwar kurz- bis mittelfristige Umstrukturierungen, bietet aber sowohl Nürnberger als auch VIG langfristiges profitables Wachstumspotenzial. 

Aus dem Börse Express-PDF vom 17. Dezember - hier zum kostenlosen Download

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