Thyssenkrupp Aktie: Streit um HKM
Der ohnehin schwierige Umbau von Thyssenkrupp Steel Europe wird durch einen neuen Konflikt zusätzlich belastet: Partner Salzgitter zieht im Streit um das Gemeinschaftsunternehmen Hüttenwerke Krupp Mannesmann (HKM) vor ein Schiedsgericht und stellt Bedingungen für eine mögliche Komplettübernahme. Im Kern geht es um Milliardeninvestitionen, Kapazitätsabbau und die Verteilung der Risiken – mitten in einer Phase, in der Thyssenkrupp bereits hohe Verluste und massive Einschnitte in der Stahlsparte verkraften muss.
Gestern schloss die Aktie bei 9,20 Euro und liegt damit nahezu auf dem 50-Tage-Durchschnitt. Trotz eines Kursplus von rund 130 Prozent seit Jahresanfang bleibt der Abstand zum 52‑Wochen-Hoch mit gut 30 Prozent deutlich – der Markt preist die Unsicherheiten rund um Stahl klar ein.
Schiedsverfahren um HKM verschärft Druck
Auslöser des neuen Konflikts ist das Duisburger Stahlwerk HKM, an dem Thyssenkrupp Steel Europe 50 Prozent, Salzgitter 30 Prozent und Vallourec 20 Prozent halten. Rund 3.000 Arbeitsplätze hängen an dem Joint Venture.
Kernpunkt des Streits sind die künftigen finanziellen Verpflichtungen und die langfristige Auslastung des Werks. Thyssenkrupp hatte im April 2025 den Liefervertrag mit HKM zum 31. Dezember 2032 gekündigt. Gleichzeitig prüft der Konzern einen Verkauf oder sogar eine Schließung des Werks. Salzgitter reagiert darauf nun mit einem Schiedsverfahren.
CEO Miguel López kommentierte den Schritt knapp und betonte, rechtliche Auseinandersetzungen seien „sicherlich nicht hilfreich“. Die Botschaft dahinter: Der Konzern hat eigentlich andere Prioritäten, steckt aber jetzt zusätzlich in einem formalen Konflikt mit einem zentralen Partner.
Wichtige Fakten zum HKM-Komplex im Überblick:
- Gemeinschaftsunternehmen HKM mit 3.000 Arbeitsplätzen in Duisburg
- Beteiligungen: 50 % Thyssenkrupp Steel Europe, 30 % Salzgitter, 20 % Vallourec
- Kündigung des Liefervertrags durch Thyssenkrupp zum 31.12.2032
- Schiedsverfahren durch Salzgitter wegen künftiger finanzieller Verpflichtungen
- Rückstellungen bei Thyssenkrupp im niedrigen dreistelligen Millionenbereich
Diese Rückstellungen belasten die Bilanz zusätzlich. Für das Geschäftsjahr 2025/26 rechnet der Konzern ohnehin mit einem Nettoverlust von bis zu 800 Millionen Euro, vor allem wegen der umfangreichen Restrukturierungskosten in der Stahlsparte.
Salzgitter stellt Bedingungen für HKM-Übernahme
Parallel zur juristischen Auseinandersetzung zeigt Salzgitter Bereitschaft, HKM vollständig zu übernehmen – allerdings zu klar definierten Konditionen. Damit steht nicht nur ein möglicher Eigentümerwechsel im Raum, sondern auch ein tiefgreifender Umbau des Werks.
Die von Salzgitter-Chef Gunnar Groebler genannten Eckpunkte:
- Kapazitätssenkung von aktuell 4,2 auf 2 bis 2,5 Millionen Tonnen jährlich
- Reduzierung der Belegschaft auf etwa 1.000 Beschäftigte
- Kostenbeteiligung der bisherigen Joint-Venture-Partner am Umbau
- Planungssicherheit durch Abnahmezusagen für zwei bis drei Jahre
- Positive Signale für Subventionen von rund 200 Millionen Euro für einen neuen Elektrolichtbogenofen
Zusätzlich wird eine Landesbürgschaft aus Nordrhein-Westfalen diskutiert. Für Thyssenkrupp wäre ein Deal mit Salzgitter eine Möglichkeit, ein komplexes Engagement zu reduzieren – allerdings um den Preis weiterer Einmalbelastungen und eines spürbaren Arbeitsplatzabbaus bei HKM.
Stahlsparte im tiefen Umbau
Der Streit um HKM fällt in eine Phase, in der Thyssenkrupp seine Stahlsparte ohnehin grundlegend neu aufstellt. Ziel ist es, Kapazitäten anzupassen, Kosten zu senken und gleichzeitig den Einstieg in die grüne Stahlproduktion zu schaffen.
Die wichtigsten Restrukturierungsschritte:
- Abbau bzw. Auslagerung von 11.000 Stellen, rund 40 Prozent der Belegschaft
- Reduzierung der Produktionskapazität von 11,5 auf 8,7 bis 9 Millionen Tonnen
- laufende Verhandlungen über einen Verkauf von Steel Europe an Jindal Steel International
Die Gespräche mit Jindal befinden sich in einer entscheidenden Phase. Der indische Konzern hatte im September 2025 ein unverbindliches Angebot abgegeben und Investitionen von mehr als 2 Milliarden Euro in klimafreundliche Stahlproduktion in Aussicht gestellt. Damit steht viel auf dem Spiel: Struktur, Eigentümer und technologische Basis der Stahlsparte könnten sich in kurzer Zeit grundlegend verändern.
Importdruck und Produktionsstopps bei Elektrostahl
Zusätzlich verschärfen Billigimporte den Druck auf das Stahlgeschäft. Besonders betroffen ist der Bereich Elektrostahl, der für Anwendungen wie Windkraftanlagen und Stromnetze strategisch wichtig ist.
Die Folgen sind bereits sichtbar:
- Vorübergehende Schließung der Elektrostahl-Werke in Deutschland und Frankreich Mitte Dezember
- Drosselung des Werks im französischen Isbergues ab Januar auf mindestens vier Monate Betrieb mit halber Kapazität
- Gefährdung von weiteren 1.200 Arbeitsplätzen
Die Importe von kornorientiertem Elektrostahl sind 2025 um rund 50 Prozent gestiegen. Marie Jaroni, CEO von Thyssenkrupp Steel Europe, fordert deshalb wirksamen Marktschutz für dieses Segment. Ohne stärkere handelspolitische oder regulatorische Unterstützung droht ein weiterer Margen- und Wettbewerbsdruck.
Fazit: Vieles hängt an den nächsten Entscheidungen
Die Kombination aus Schiedsverfahren mit Salzgitter, möglicher HKM-Übernahme, laufenden Verhandlungen mit Jindal und dem starken Importdruck macht deutlich, wie komplex die Lage der Stahlsparte geworden ist. Für Thyssenkrupp geht es in den kommenden Monaten darum, mehrere große Baustellen gleichzeitig zu sortieren: den rechtlichen Konflikt um HKM, die Ausgestaltung eines möglichen Eigentümerwechsels bei Steel Europe und die Anpassung an ein schwieriges Marktumfeld im Elektrostahl.
Für die Aktie bedeutet das: Trotz der starken Performance seit Jahresanfang spiegelt der Abstand zum 52‑Wochen-Hoch die anhaltenden Risiken wider. Substanziell neue Impulse dürften vor allem dann entstehen, wenn es zu verbindlichen Vereinbarungen mit Jindal und einer klaren Lösung für HKM kommt – erst dann lässt sich abschätzen, wie der Konzern nach dem Umbau finanziell und strukturell dastehen wird.
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