Oracle erlebt den heftigsten Quartalsrückgang seit über 20 Jahren. Nach einer Phase großer KI-Euphorie dreht die Stimmung, weil Zweifel an der Finanzierbarkeit und Umsetzbarkeit der ambitionierten Ausbaupläne wachsen. Gleichzeitig zeigt das operative Geschäft in Teilen starke Wachstumszahlen – allerdings mit hohem Preis. Wie passt das zusammen?

Heftige Korrektur nach KI-Euphorie

Die Aktie hat sich deutlich von ihrem Rekordhoch im September entfernt. Gestern schloss der Titel bei 197,43 US-Dollar und liegt damit rund 30 % unter dem Allzeithoch, während er auf Sicht von zwölf Monaten noch klar im Plus notiert. Das Bild: starker Rücklauf nach einem überdehnten KI-Hype, aber keine vollkommene Trendwende.

Auslöser der Korrektur ist vor allem der jähe Stimmungsumschwung rund um das 300-Milliarden-Dollar-Abkommen mit OpenAI. Die Vereinbarung hatte den Kurs im September an einem Tag um fast 36 % nach oben katapultiert – einer der größten Tagesanstiege seit dem Börsengang 1986. Viele Anleger setzten damals auf Oracle als neuen Schwergewichts-Player in der KI-Infrastruktur.

Inzwischen dominiert Skepsis: Der Markt fragt sich, ob Oracle die gewaltigen Ausbaupläne für Rechenzentren und Cloud-Infrastruktur finanziell und organisatorisch stemmen kann, ohne die Bilanz zu überreizen.

Die Hintergründe des Abverkaufs

Mehrere Faktoren verstärken den Druck auf die Aktie:

  • Leichte Umsatzenttäuschung: Im zweiten Quartal des Geschäftsjahres 2026 lag der Umsatz mit 16,1 Milliarden US-Dollar knapp unter den erwarteten 16,2 Milliarden. Operativ ist das keine Katastrophe, aber in einer Phase hoher Erwartungen reicht ein kleiner Makel, um Zweifel zu nähren.
  • Negativer Free Cashflow: Im November-Quartal hat Oracle rund 10 Milliarden US-Dollar an freiem Cashflow verbrannt. Das unterstreicht, wie kapitalintensiv die aktuelle Ausbauphase ist.
  • Sprunghaft steigende Investitionen: Die geplanten Investitionen (CapEx) für das Geschäftsjahr 2026 wurden von 35 auf 50 Milliarden US-Dollar nach oben gesetzt – ein massiver Sprung mitten im Jahr.
  • Hohe Leasing-Verpflichtungen: Hinzu kommen langfristige Leasingzusagen von 248 Milliarden US-Dollar, um zusätzliche Cloud-Kapazitäten aufzubauen.

Diese Kombination aus steigenden Ausgaben, hohen vertraglichen Verpflichtungen und einem nur leicht verfehlten Umsatz wird von vielen Investoren als ungünstiger Mix gesehen. Das erklärt, warum die Kursreaktion deutlich schärfer ausfällt als die reine Umsatzabweichung vermuten lässt.

Q2-Zahlen: Starkes Wachstum, aber mit Einmaleffekt

Der Earnings-Report vom 10. Dezember zeigt ein zwiespältiges Bild.

Auf der einen Seite steht ein klarer Gewinnüberraschungseffekt: Das bereinigte Ergebnis je Aktie lag mit 2,26 US-Dollar deutlich über den Konsensschätzungen von 1,64 US-Dollar. Allerdings stammt ein großer Teil dieser Differenz aus einem Einmaleffekt – einem Vorsteuergewinn von 2,7 Milliarden US-Dollar aus dem Verkauf der Ampere-Beteiligung an SoftBank. Das operative Ergebnis wirkt dadurch besser, als es ohne diesen Sonderertrag wäre.

Auf der anderen Seite liefert das Cloud-Geschäft beeindruckende Wachstumsraten:

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  • Cloud-Infrastruktur-Umsätze stiegen um 68 % gegenüber dem Vorjahr auf 4,1 Milliarden US-Dollar.
  • GPU-bezogene Umsätze – also vor allem KI-relevante Rechenleistung – legten um 177 % zu.

Besonders bemerkenswert ist der Auftragsbestand (Remaining Performance Obligations): Er kletterte auf 523 Milliarden US-Dollar, ein Plus von 438 % gegenüber dem Vorjahr. Das zeigt eine enorme Nachfrage nach Oracles KI- und Cloud-Leistungen und deutet auf langfristig gesicherte Umsätze hin. Gleichzeitig stellt genau dieser gigantische Auftragsberg die Frage, ob Oracle schnell genug liefern kann – und zu welchen Margen.

Schulden und Bonität rücken in den Fokus

Die aggressive Expansionsstrategie hinterlässt deutliche Spuren in der Bilanz. Im September hat Oracle über eine Jumbo-Anleihe 18 Milliarden US-Dollar am Markt eingesammelt – eine der größten Tech-Anleiheemissionen überhaupt. Damit wird der KI- und Cloud-Ausbau finanziert, aber auch die Verschuldung klar erhöht.

Parallel sind die Preise für Credit Default Swaps (CDS) auf Oracle-Anleihen gestiegen. Diese Instrumente dienen zur Absicherung gegen einen möglichen Ausfall. Höhere CDS-Spreads deuten darauf hin, dass ein Teil des Marktes ein höheres Risiko für die Beibehaltung des Investment-Grade-Ratings einpreist. Konkrete Abstufungen sind im Text zwar nicht beschrieben, aber die zunehmende Absicherungslust ist ein Warnsignal, das die Aktienanleger offensichtlich ernst nehmen.

TikTok-Deal als kurzer Lichtblick

Für kurze Zeit konnte die Aktie aus dieser Abwärtsspirale ausbrechen. Berichte, wonach TikTok einen Teil seines US-Geschäfts für 14 Milliarden US-Dollar an Oracle und weitere Investoren verkaufen will, sorgten für eine Entlastungsrally.

Oracle ist bereits seit Jahren Cloud-Dienstleister für TikTok in den USA und gilt deshalb als naheliegender Sicherheitspartner in einer politisch sensiblen Transaktion. Der Deal verschafft Oracle zusätzlichen Rückenwind im Cloud-Geschäft und stärkt die Rolle als sicherheitsorientierter Infrastruktur-Partner. Allerdings reichte die Nachricht nur für eine temporäre Erholung; an der grundsätzlichen Skepsis gegenüber den Ausbauplänen änderte sie wenig.

Analysten gespalten, Ziele deutlich gesenkt

An der Wall Street ist das Bild uneinheitlich, aber mit klaren Spuren der jüngsten Turbulenzen. Mehrere Häuser haben ihre Kursziele nach den Q2-Zahlen teils deutlich zurückgenommen:

  • Goldman Sachs: Kürzung von 320 auf 220 US-Dollar
  • Stifel: Kürzung von 350 auf 275 US-Dollar
  • Evercore ISI: Kürzung von 385 auf 275 US-Dollar
  • TD Cowen: Ziel bei 350 US-Dollar

Diese Anpassungen spiegeln ein niedrigeres Bewertungsniveau bei gleichzeitig weiter hohem Wachstumspotenzial wider. Trotz der Abwärtsrevisionen bleibt der Grundton eher positiv: 20 Analystenhäuser führen die Aktie weiterhin mit Kaufempfehlung oder einem gleichwertigen Rating, nur ein Haus stuft mit „Verkaufen“ ein.

Der Median der Kursziele liegt bei 322,50 US-Dollar und damit deutlich über dem aktuellen Kursniveau. Aus Sicht der Analysten preist der Markt derzeit viele Risiken ein – vielleicht mehr, als langfristig notwendig wäre, sofern Oracle seine Pläne tatsächlich umsetzt.

Neuer CEO-Doppelspitze unter Druck

Zusätzliche Brisanz erhält die Lage durch den Führungswechsel. Seit September stehen Clay Magouyrk und Mike Sicilia als Co-CEOs an der Spitze. Sie übernehmen damit unmittelbar in einer Phase, in der die Märkte vor allem Antworten auf zwei Punkte sehen wollen: Wachstumstempo und finanzielle Disziplin.

Die Herausforderung ist klar umrissen:

  • Ein Auftragsbestand von 523 Milliarden US-Dollar muss zuverlässig in Umsätze überführt werden.
  • Gleichzeitig müssen die hohen Investitionen und Schulden so gesteuert werden, dass die Bilanz stabil bleibt und das Rating nicht ins Wanken gerät.
  • Oracle strebt für das Geschäftsjahr 2030 einen Umsatz von 225 Milliarden US-Dollar an – fast das Vierfache der 57 Milliarden US-Dollar aus dem Geschäftsjahr 2025.

Dieser Zielpfad setzt nahezu perfekte Umsetzung bei KI-Infrastruktur, Cloud-Ausbau und Kundenprojekten voraus. In den kommenden Quartalen wird sich konkret zeigen, ob das Unternehmen den Spagat aus Wachstum, Profitabilität und Verschuldung schafft – und ob der aktuelle Kursrutsch als Übertreibung nach einer KI-Euphorie erscheint oder als Vorbote einer längeren Bewertungsanpassung.

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