Ein Short-Seller-Report, ein anstehender Indexabstieg und eine laufende BaFin-Prüfung – für Gerresheimer reiht sich derzeit ein Belastungsfaktor an den nächsten. Der einst gefeierte Profiteur des GLP-1-Booms steht nun am Markt unter erheblichem Rechtfertigungsdruck. Im Kern geht es nicht mehr nur um Wachstumsfantasien, sondern um die Frage, wie belastbar Umsatz und Bilanz wirklich sind.

Short-Seller zielen auf Bilanz und Strategie

Den Auslöser für die jüngste Verkaufswelle lieferte ein ausführlicher Bericht von Morpheus Research. Der Leerverkäufer kritisiert vor allem die Bilanzierungspraxis. Im Fokus stehen sogenannte „Bill-and-Hold“-Transaktionen: Umsätze, die laut Report bereits verbucht worden sein sollen, obwohl die Ware noch nicht physisch beim Kunden ist.

Solche Strukturen können das organische Wachstum optisch erhöhen, erhöhen aber auch das Risiko späterer Korrekturen. Genau diese Zweifel treffen ein Geschäftsmodell empfindlich, das bisher als verlässlicher Verpackungsspezialist für Pharma und Medizintechnik galt.

Zusätzliche Brisanz bringt die im Dezember 2024 abgeschlossene Übernahme von Bormioli Pharma. Morpheus Research stuft den Kaufpreis von rund 800 Millionen Euro als deutlich überzogen ein. Die Short-Seller sprechen von einem „Diligence-Fehlschlag“ und sehen die Nettoverschuldung durch den Deal auf ein kritisches Niveau gehoben. Was vor einem Jahr noch als strategischer Meilenstein gefeiert wurde, wird nun als Belastung dargestellt.

MDAX-Abstieg verstärkt den Druck

Parallel zur Short-Attacke hat die Deutsche Börse den Abstieg von Gerresheimer aus dem MDAX bestätigt. Zum 22. Dezember 2025 wird die Aktie in den SDAX umgruppiert. Das ist mehr als nur ein formaler Schritt, denn Indexregeln greifen direkt in die Kapitalströme ein:

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  • Passiv verwaltete MDAX-ETFs müssen ihre Positionen bis zum Stichtag verkaufen
  • Der SDAX ist deutlich weniger liquide als der MDAX, was stärkere Kursschwankungen begünstigen kann
  • Viele institutionelle Investoren dürfen aufgrund ihrer Mandate nur in DAX- und MDAX-Werte investieren

Vor diesem Hintergrund wirkt der aktuelle Kursbereich von 26,86 Euro wie ein Brennglas: Auf Sicht von zwölf Monaten ergibt sich ein Rückgang von über 65 %, der Abstand zum 52-Wochen-Hoch von 82 Euro beträgt gut zwei Drittel. Charttechnisch unterstreicht ein RSI von 17,7 den überverkauften Zustand – doch technische Signale treten in dieser Phase hinter die Vertrauensfrage zurück.

BaFin schaut genauer hin

Für zusätzliche Unsicherheit sorgt eine laufende Prüfung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Nach aktuellen Marktinformationen konzentriert sich die Behörde auf die Konzernabschlüsse nach der Konsolidierung von Bormioli Pharma.

Solange unklar ist, ob und in welchem Umfang an der Bilanzierung nachjustiert werden muss, dürfte es schwierig werden, das Vertrauen größerer Adressen zurückzugewinnen. Die Kombination aus Bilanzvorwürfen, erhöhtem Verschuldungsniveau und Indexabstieg bildet ein Umfeld, in dem viele institutionelle Investoren vorerst auf Distanz bleiben.

Die Lage in Stichpunkten

Die wesentlichen Faktoren der aktuellen Situation lassen sich auf wenige Punkte verdichten:

  • Deutlicher Kursrückgang: Kurs um 26,86 Euro, rund 67 % unter dem 52-Wochen-Hoch
  • Bilanzkritik: Vorwürfe zu „Bill-and-Hold“-Umsatzbuchungen durch Morpheus Research
  • Bormioli-Übernahme: Kaufpreis von rund 800 Mio. Euro als zu hoch und bilanziell belastend kritisiert
  • Indexwechsel: Abstieg aus dem MDAX in den SDAX zum 22. Dezember 2025
  • Regulatorische Prüfung: BaFin nimmt Abschlüsse nach Bormioli-Konsolidierung unter die Lupe

Fazit: Glaubwürdigkeit im Mittelpunkt

Gerresheimer steht derzeit vor einer Vertrauensaufgabe, die weit über eine normale Schwächephase hinausgeht. Der Mix aus Short-Seller-Vorwürfen, hoher Verschuldung nach der Bormioli-Transaktion und dem feststehenden MDAX-Abstieg hat eine Lage geschaffen, in der das Narrativ vom defensiven Qualitätswert klar beschädigt ist.

Short-Seller verfolgen naturgemäß eigene Interessen, doch die scharfe Marktreaktion zeigt, wie sensibel Investoren auf Zweifel an Bilanzqualität reagieren. Solange das Management die Kritikpunkte rund um Umsatzverbuchung, Übernahmepreis und Verschuldung nicht transparent und nachvollziehbar ausräumt und die BaFin-Prüfung ohne größere Korrekturen abgeschlossen ist, bleibt der Titel von schweren Vertrauensabschlägen geprägt. Die entscheidende Messlatte für die kommenden Monate ist daher weniger das nächste Quartalsergebnis als eine glaubhafte Wiederherstellung der Kapitalmarktglaubwürdigkeit.

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