Covestro Aktie: Neuer Aufseher

Mit dem Abschluss der strategischen Partnerschaft mit XRG rückt bei Covestro nun die personelle Neuaufstellung in den Mittelpunkt. Der Werkstoffspezialist bekommt einen neuen starken Mann an der Spitze des Aufsichtsrats – direkt aus dem Umfeld des neuen Ankerinvestors. Entscheidende Frage: Wie stark prägt dieser Schritt die künftige Ausrichtung des Konzerns?

Strategischer Wechsel im Aufsichtsrat

Covestro hat bestätigt, dass Dr. Rainer Seele seit 20. Dezember 2025 den Vorsitz des Aufsichtsrats übernimmt. Gewählt wurde er bereits am 18. Dezember; er löst damit Dr. Richard Pott ab, der das Kontrollgremium seit der Abspaltung 2015 führte. Damit endet eine Ära, in der Kontinuität im Aufsichtsrat ein stabiler Rahmen für die Entwicklung des Unternehmens war.

Die Personalie ist klar strategisch aufgeladen. Seele war von 2015 bis 2021 CEO der OMV AG und fungierte zuletzt als Präsident des globalen Chemiegeschäfts von XRG. Mit diesem Hintergrund bringt er sowohl Erfahrung aus der Energie- als auch aus der Chemiebranche mit – und steht zugleich für die Interessen des neuen Großaktionärs.

Die Bestellung wird an der Börse als unmittelbare Konsequenz der veränderten Eigentümerstruktur gewertet. Am 10. Dezember wurde die strategische Partnerschaft mit XRG – im Zusammenhang mit dem Einstieg von ADNOC – offiziell vollzogen. Nun übernimmt ein hochrangiger XRG-Manager den Vorsitz im Kontrollgremium. Das signalisiert:

• Stärkere operative Verzahnung mit XRG
• Klarer Einfluss des neuen Ankerinvestors auf die Governance
• Fokus auf globale Chemie-Synergien

Die Aktie reagiert bislang eher gelassen. Mit rund 59,90 € bewegt sich der Kurs nahe am 52-Wochen-Hoch von 60,74 € und damit in einer technisch soliden Zone.

Marktumfeld: Kontrast zu den Wettbewerbern

Der Führungswechsel vollzieht sich in einer Phase, in der die Chemiebranche insgesamt unter Druck steht. Viele Wettbewerber kämpfen mit strukturellen Problemen und Altlasten. Deutlich wird das am Beispiel Clariant: Der Schweizer Konkurrent sieht sich derzeit mit Schadensersatzklagen von nahezu 1 Milliarde Euro konfrontiert. Die Forderungen von MOL Group und Braskem stehen im Zusammenhang mit Kartellvorwürfen aus dem Jahr 2020.

Vor diesem Hintergrund wirkt Covestro vergleichsweise solide aufgestellt. Die frische Kapital- und Partnerschaftsbasis durch XRG verschafft dem Konzern zusätzliche Stabilität. Analysten sehen in der Installation von Seele einen gezielten Schritt, um:

• die Integration in das XRG-Netzwerk zu beschleunigen,
• Doppelstrukturen abzubauen,
• und Synergien im globalen Chemiegeschäft zu heben.

Parallel dazu zeigt sich der Markt für Polymer-Schaumstoffe, einem Kerngeschäft von Covestro, robust. Aktuelle Studien vom 22. Dezember erwarten bis 2032 ein Marktwachstum auf mehr als 167 Milliarden US-Dollar. Neben BASF und Dow wird Covestro hier als zentraler Akteur für den Zeitraum 2025 bis 2032 eingestuft. Das unterstreicht, dass der Konzern in einem strukturell wachsenden Segment unterwegs ist.

Technisches Bild und Anlegerfokus

Charttechnisch bewegt sich die Aktie leicht oberhalb wichtiger Durchschnittslinien: Der Kurs liegt knapp über dem 50- und 200-Tage-Durchschnitt, was auf ein stabiles, aber nicht überhitztes Niveau hindeutet. Seit Jahresbeginn steht ein Plus von gut 7 % zu Buche, auf 12-Monatssicht rund 3 %.

Wichtige Kennzahlen im Überblick:

• Aktueller Kurs: 59,90 €
• Abstand zum 52-Wochen-Hoch: ca. -1,4 %
• Abstand zum 52-Wochen-Tief: rund +9,7 %
• RSI (14 Tage): 30,3 – technisch nahe an überverkauftem Bereich
• Volatilität (30 Tage, annualisiert): 7,75 % – moderates Schwankungsniveau

Fundamental richtet sich der Blick nun weniger auf Governance-Fragen als auf die operative Umsetzung der neuen Strategie. Der Analystenkonsens liegt aktuell überwiegend bei „Hold“. Der Markt wartet auf konkrete Belege, wie und in welchem Tempo die angekündigten Synergien mit XRG tatsächlich gehoben werden.

Zusätzlich mahnen Marktdaten zur Vorsicht: Ein deutlich gestiegener Short-Interest (rund +236 %) signalisiert, dass ein Teil der Marktteilnehmer kurzfristige Integrationsrisiken weiterhin kritisch sieht.

Fazit: Weichenstellung unter neuem Einfluss

Mit der Berufung von Rainer Seele an die Spitze des Aufsichtsrats setzt Covestro ein klares Signal: Die neue Eigentümerstruktur soll sich nicht nur im Aktionariat, sondern auch in der Unternehmensführung widerspiegeln. Governance, Strategie und operative Ausrichtung werden damit enger an XRG und das globale Chemiegeschäft des Partners angebunden.

In den kommenden Monaten wird es entscheidend sein, ob der neue Aufsichtsratschef die versprochene Beschleunigung der Integration und Synergien sichtbar macht. Gelingt dies, könnte Covestro seine starke Position im wachstumsstarken Polymer-Schaumstoffmarkt weiter ausbauen und den derzeit soliden Kursbereich um die 60-Euro-Marke auf eine breitere fundamentale Basis stellen.