Der Essener Energieriese RWE spielt seine Trumpfkarte im KI-Zeitalter aus - und löst damit eine heftige Analystenschlacht aus. Während das Unternehmen mit dem Verkauf eines milliardenschweren Rechenzentrum-Projekts in Großbritannien seine Strategie untermauert, stehen sich optimistische und skeptische Stimmen unversöhnlich gegenüber. Wer hat recht in diesem Bewertungs-Kampf?

Strategischer Coup: 225 Millionen Euro Buchgewinn

RWE gab heute den erfolgreichen Abschluss des Verkaufs des "Didcot Data Campus" in Oxfordshire bekannt. Der Deal bringt nicht nur einen satten Buchgewinn von 225 Millionen Euro, sondern gilt als strategischer Meilenstein. Finanzchef Michael Müller hatte bereits bei der Quartalspräsentation betont: "Unsere Kraftwerksstandorte mit bestehender Infrastruktur sind ein echter Trumpf für Hyperscaler auf der Suche nach attraktiven Standorten für ihre stromintensiven KI-Investitionen."

Die zentralen Erfolgsfaktoren:
- Bestehende Infrastruktur an ehemaligen Kraftwerksstandorten
- Direkte Netzanbindung für energieintensive Rechenzentren
- Strategische Positionierung im boomenden KI-Markt
- Neue lukrative Einnahmequelle neben dem Kerngeschäft

Analysten-Schlacht: Kaufen oder verkaufen?

Die Nachricht spaltet die Analystenwelt in zwei unversöhnliche Lager. Während Jefferies nach dem "herausragenden Quartal" die Einschätzung anhebt und Rwe als attraktive Wette auf die hohe Stromnachfrage in Europa und USA sieht, warnt Kepler Cheuvreux vor einer "fundamental nicht mehr tragbaren" Bewertung und rät zum Verkauf.

Diese gegensätzlichen Einschätzungen spiegeln die Kernfrage wider: Ist die Aktie nach einer Rally von über 50 Prozent seit Jahresbeginn überbewertet oder steht das Unternehmen erst am Anfang seiner KI-Transformation?

Fundament sticht Fantasie?

Die starken Quartalszahlen vom Mittwoch bilden das solide Fundament: RWE übertraf die Markterwartungen und bestätigte die Jahresprognose mit einem bereinigten EBITDA zwischen 4,55 und 5,15 Milliarden Euro. Der Konzern baut parallel sein Kerngeschäft massiv aus - bis Ende 2025 stehen über 11 Gigawatt neue Kapazitäten im Bau.

Doch kann Rwe die KI-Fantasie der Anleger mit weiteren handfesten Deals am Leben erhalten? Die Aktie notiert heute bei 45,06 Euro und konsolidiert nach dem Erreichen eines 14-Jahres-Hochs bei 46,95 Euro. Mit einem Abstand von nur 3,6 Prozent zum Rekordniveau und einem beeindruckenden Plus von 52 Prozent seit Jahresanfang steht die Bewertungsfrage im Raum: Wann liefern die nächsten Deals den Beweis für die KI-Strategie - oder kollabiert die Überbewertung?