Die arktische Attacke, das Gold-Fieber und die Illusion der Stille
Liebe Leserinnen und Leser,
es ist eine trügerische Stille, die sich an diesem Montagmittag über das Frankfurter Parkett legt. Wer nur auf den DAX blickt, der sich zum Start dieser verkürzten Weihnachtswoche fast schon lethargisch um die Marke von 24.300 Punkten bewegt (+0,1 Prozent), könnte meinen, die Welt habe sich kollektiv in den Winterschlaf verabschiedet.
Doch der Schein trügt gewaltig. Während die Aktienmärkte in den „Holiday-Mode“ schalten, schreien die Rohstoffmärkte förmlich Alarm. Wir erleben heute einen klassischen „Safe-Haven“-Tag, getarnt als ruhiger Montagshandel. Denn der Grund für die Bewegungen liegt nicht in Unternehmensbilanzen, sondern in einer Geopolitik, die selbst für das Jahr 2025 ungewöhnlich aggressiv daherkommt. Donald Trump greift nach Grönland, blockiert Venezuela und die deutsche Exportwirtschaft spürt die kalte Schulter Washingtons nun nicht mehr nur in Rhetorik, sondern in harten Kontobewegungen.
Lassen Sie uns hinter die Kulissen dieser scheinbaren Ruhe blicken.
Ein Misstrauensvotum in 24 Karat
Es ist das lauteste Signal des Tages: Gold markiert heute Mittag neue historische Höchststände. Eine Feinunze kostet aktuell rund 4.409 US-Dollar (bzw. über 3.760 Euro). Das ist ein Plus von rund 1,5 Prozent allein seit heute Morgen und summiert sich auf eine Jahresperformance von über 50 Prozent in Euro.
Warum passiert das jetzt? Die Märkte preisen massive Unsicherheit ein. Die aggressive Kaufkraft der Zentralbanken – allen voran China und die Türkei – trifft auf private Investoren, die dem geopolitischen Frieden nicht trauen. Wenn Gold und US-Aktien-Futures (S&P 500 +0,4 Prozent) gleichzeitig steigen, ist das oft ein Zeichen dafür, dass Anleger zwar auf die „Santa Rally“ hoffen, sich aber gleichzeitig gegen politische Unfälle absichern.
Trumps arktische Träume und der Öl-Schock
Zwei Nachrichten dominieren heute die Risikolandkarte und treiben die Rohstoffpreise:
1. Der Griff nach dem Eis: Was vor Jahren wie eine bizarre Anekdote wirkte, wird nun Regierungspolitik. US-Präsident Trump ernannte gestern den Gouverneur von Louisiana, Jeff Landry, zum Sondergesandten für Grönland – mit dem expliziten Auftrag, die Insel „zu einem Teil der USA zu machen“. In Kopenhagen schrillen die Alarmglocken, Außenminister Rasmussen bestellte den US-Botschafter ein. Für die Märkte bedeutet dies: Neue Unsicherheit in der NATO-Allianz und ein Kampf um Ressourcen in der Arktis.
2. Die Blockade: Parallel dazu verschärft Washington den Ton gegen Venezuela. Nach der Beschlagnahmung von Öltankern ordnete Trump eine „vollständige Blockade“ an. Das Ziel ist klar: Die wichtigste Devisenquelle Maduros (90 Prozent der Einnahmen) soll versiegen. Der Ölpreis (Brent) reagierte heute prompt mit einem Anstieg von 1,7 Prozent auf über 61,50 Dollar. Für die inflationsgeplagte Weltwirtschaft ist das ein Warnschuss zur Unzeit.
Deutschland in der Zange
Während wir über geopolitische Schachzüge diskutieren, schafft die Realwirtschaft Fakten – und die sind für Deutschland ernüchternd. Eine heute veröffentlichte Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) liefert den statistischen Beweis für das, was viele CEOs bereits ahnten: Die US-Zölle wirken nicht erst morgen, sie wirken schon heute.
Die deutschen Autoexporte in die USA sind in den ersten drei Quartalen 2025 um massive 14 Prozent eingebrochen. Auch der Maschinenbau (-9,5 Prozent) leidet signifikant. Die Forscher sprechen bereits von einem „neuen Normal“. Wir sehen hier die Erosion des transatlantischen Geschäftsmodells der Deutschland AG in Echtzeit.
Und als wäre das nicht genug, öffnet sich die zweite Front im Osten: China macht ernst und verhängt ab morgen, dem 23. Dezember, vorläufige Anti-Subventionszölle auf Milchprodukte aus der EU. Die europäische Wirtschaft findet sich zunehmend in einer Zange zwischen Washingtons Protektionismus und Pekings Vergeltung wieder.
Gewinner und Verlierer am Montag
Trotz der makroökonomischen Sorgen gibt es Bewegung in den Einzelwerten:
- Siemens Energy (+1,1 %): Der DAX-Spitzenreiter profitiert von einem starken Votum der Analysten. JPMorgan hat das Kursziel auf 160 Euro bestätigt und bleibt bei „Overweight“. Die Energiewende mag politisch holprig sein, für die Auftragsbücher in München scheint sie weiterhin zu funktionieren.
- Zalando (-2,8 %): Der Online-Modehändler trägt heute die rote Laterne im DAX. Ausgerechnet in der heißesten Phase des Weihnachtsgeschäfts ruft die Gewerkschaft Verdi in den Logistikzentren Erfurt und Mönchengladbach zu Warnstreiks auf. Das Timing ist für den Konzern maximal ungünstig, auch wenn die DZ Bank den fairen Wert der Aktie weiterhin deutlich höher bei 36 Euro sieht.
- Deutsche Telekom: Strategisch interessant ist der Vorstoß der Bonner in den Sportrechte-Markt. Die Telekom hat sich die Übertragungsrechte für die PGA Tour und den Ryder Cup gesichert – ein klarer Angriff auf Sky im Premium-Segment.
Krypto-Winter zu Weihnachten?
Ein kurzer Blick auf die digitalen Assets, wo die Stimmung deutlich frostiger ist als an den Aktienmärkten. Bitcoin handelt heute bei rund 89.800 Dollar und damit gut 30 Prozent unter seinem Allzeithoch. Analysten warnen vor einem „Death Cross“ im Tageschart, was Bärenmarkt-Ängste schürt.
Interessanterweise entkoppelt sich XRP von dieser Tristesse. Getrieben von ETF-Fantasien und der Hoffnung auf eine institutionelle Adoption im Jahr 2026, zeigt der Token relative Stärke, während der Marktführer schwächelt.
Fazit
Wir starten in eine Woche, die an den Börsen traditionell von dünnen Umsätzen und dem sogenannten „Window Dressing“ geprägt ist – dem Aufhübschen der Portfolios zum Jahresende. Doch die Kombination aus Rekordjagd bei Gold und der aggressiven US-Außenpolitik mahnt zur Wachsamkeit. Die Märkte sind ruhig, aber sie sind nicht entspannt.
Eine kleine, fast besinnliche gute Nachricht zum Schluss habe ich aber noch für Sie: Laut der IW-Auswertung ist der klassische Kartoffelsalat mit Würstchen dieses Jahr günstiger als 2024 (7,10 Euro für vier Personen). Zumindest auf dem Weihnachtsteller scheint die Inflation also eine Pause einzulegen.
Ich wünsche Ihnen einen erfolgreichen Start in diese kurze Handelswoche.
Herzlichst,
Ihr
Eduard Altmann








