Wenn Drohnen Staus verursachen und Milliardäre erben: Die Woche der unerwarteten Zahlen
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während Innenminister über Drohnenabwehrzentren beraten und Konstruktionsfirmen Insolvenzrekorde brechen, zeichnet sich hinter den Schlagzeilen ein bemerkenswertes Muster ab: Die großen Verschiebungen unserer Zeit vollziehen sich oft leiser, als ihre mediale Präsenz vermuten lässt. Diese Woche liefert dafür gleich mehrere Belege – von der Vermögensverteilung bis zur Alkoholstatistik.
Das Erbe-Paradox: Deutschlands stille Milliardärsschwemme
Die Schweizer Großbank UBS hat nachgezählt, und die Zahlen überraschen selbst Kenner: Deutschland beherbergt mittlerweile 156 Milliardäre – ein Drittel mehr als noch 2024. Damit leben hierzulande mehr Superreiche als in jedem anderen europäischen Land. Ihr Gesamtvermögen kletterte binnen Jahresfrist um knapp 146 Milliarden auf 692 Milliarden Dollar.
Was die Statistik besonders aufschlussreich macht: 15 Mitglieder zweier deutscher Pharmafamilien erbten allein 2025 erhebliche Vermögen. Ein Viertel der deutschen Milliardäre schaffte es aus eigener Kraft in den Club – der Rest profitierte von Deutschlands "starker Tradition der Vermögensweitergabe", wie UBS es diplomatisch formuliert.
Die Zahlen fügen sich in ein globales Bild: Weltweit stieg das Vermögen der 2.919 Milliardäre auf 15,8 Billionen Dollar – ein Plus von 13 Prozent. Bis 2040, so die Prognose, werden allein 6,9 Billionen Dollar vererbt. Deutschland stelle damit die "wohlhabendste Region Westeuropas" dar, betont die Bank. Die solide industrielle Basis nach 1945 und die Führungsrolle in Pharma, Maschinenbau und Konsumgütern hätten eine breite Grundlage für unternehmerischen Erfolg geschaffen.
Der Kontrast zu den USA bleibt dennoch deutlich: Dort leben 924 Milliardäre mit einem Gesamtvermögen von 6,9 Billionen Dollar. China folgt mit 470 Superreichen und 1,8 Billionen Dollar.
Die Illusion des Abschwungs: Amerikas Alkohol-Rätsel
Umfragen suggerierten zuletzt einen historischen Rückgang des Alkoholkonsums in den USA – besonders bei jungen Erwachsenen. Neue Daten des Marktforschungsunternehmens IWSR zeichnen nun ein anderes Bild: Die Zahl der wöchentlichen Drinks pro US-Erwachsenem schwankt seit 1975 konstant zwischen 10 und 12. Aktuell liegt sie bei ihrem niedrigsten Stand seit 1995 – doch das bedeutet lediglich einen Rückgang um 1,1 Drinks pro Woche gegenüber dem Höchststand von 11,5 im Jahr 2021.
"Wir sind nicht auf einem historischen Tiefstand", stellt IWSR-Präsident Marten Lodewijks klar. Die dramatisch wirkenden Verkaufsrückgänge bei Alkohol relativieren sich, wenn man berücksichtigt, dass Konsumenten von volumenstarkem Bier zu volumenschwächeren Spirituosen wechselten. Umgerechnet auf Drinks pro Person fällt der Trend weit weniger spektakulär aus.
Auch die vermeintliche Abstinenz der Generation Z lässt sich anzweifeln: IWSR-Umfragen zeigen zwischen 2023 und 2025 sogar einen Anstieg bei jungen Erwachsenen, die angaben, kürzlich getrunken zu haben. Analysten wie Laurence Whyatt von Barclays verweisen zudem auf Daten zu Gen-Z-Ausgaben für Alkohol als Anteil am Einkommen – diese legen nahe, dass wirtschaftlicher Druck eine größere Rolle spielt als grundsätzliche Ablehnung.
Die Getränkeindustrie argumentiert seit Längerem, dass hohe Zinsen, Inflation und politische Turbulenzen die Konsummuster stärker beeinflussen als ein kultureller Wandel. Die IWSR-Zahlen stützen diese These – und mahnen zur Vorsicht bei voreiligen Schlüssen über gesellschaftliche Megatrends.
Kassenabrechnung auf dem Rückzug: Deutschlands Arztpraxen im Wandel
In deutschen Arztpraxen verschiebt sich die Einnahmestruktur spürbar: 2023 stammten nur noch 67,0 Prozent der Einnahmen aus Kassenabrechnung – der niedrigste Wert seit Beginn gesamtdeutscher Erhebungen im Jahr 2000. Noch 2021 lag der Anteil bei 71,7 Prozent, 2022 bei 71,1 Prozent.
Parallel dazu stieg der Anteil der Privatabrechnung auf 28,0 Prozent (2022: 24,3 Prozent). Reine Privatpraxen machten 2023 bereits 6,5 Prozent aller Praxen aus, nach 5,4 Prozent im Vorjahr und 3,8 Prozent 2021. Selbst Praxen, die weiterhin Kassenpatienten behandeln, erzielten anteilig weniger Einnahmen aus der gesetzlichen Krankenversicherung: 70,3 Prozent statt 73,6 Prozent im Jahr zuvor.
Die Unterschiede zwischen Fachgebieten sind erheblich: Haut- und Geschlechtskrankheiten-Praxen erwirtschafteten 52,3 Prozent aus Privatabrechnung, Orthopädie und Unfallchirurgie 47,2 Prozent. Allgemeinmediziner hingegen kamen nur auf 12,8 Prozent, Neurologen auf 13,4 Prozent, Kinder- und Jugendmediziner auf 15,5 Prozent.
Zahnarztpraxen erzielten 51,0 Prozent aus Kassenabrechnung (2022: 51,7 Prozent), 47,2 Prozent aus Privatabrechnung (2022: 45,1 Prozent). Psychotherapeutische Praxen blieben mit 88,7 Prozent Kasseneinnahmen am stärksten im System der gesetzlichen Krankenversicherung verankert – doch auch hier verschob sich der Anteil leicht zugunsten privater Einnahmen (7,5 Prozent nach 7,2 Prozent).
Das Destatis-Datenmaterial dokumentiert einen schleichenden Strukturwandel, dessen Auswirkungen auf die Versorgung noch nicht absehbar sind.
Bund, Länder, Kommunen: Das Billionen-Puzzle ohne Lösung
Heute treffen sich die Ministerpräsidenten im Kanzleramt mit Bundeskanzler Friedrich Merz – und die Erwartungen sind gedämpft. Im Zentrum steht das Konnexitätsprinzip: Wer bestellt, soll bezahlen. Die Länder fordern, dass der Bund nicht nur Kommunen, sondern auch sie selbst finanziell entlastet, wenn neue Bundesgesetze ihre Haushalte belasten.
Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) signalisiert Bereitschaft, Kommunen zu unterstützen, sieht aber nach der Steuerschätzung Ende Oktober keinen Spielraum für Länder-Kompensationen. "Die Länder haben den Auftrag aus unserer Verfassung, für eine angemessene Finanzausstattung ihrer Kommunen zu sorgen", betont er. Das kommunale Defizit steigt bereits 2025 auf 30 Milliarden Euro.
Die Länder kontern: Die allermeisten staatlichen Leistungen würden in kombinierter Verantwortung von Ländern und Kommunen umgesetzt. Eine Entlastung nur der Kommunen sei inakzeptabel. Rheinland-Pfalz' Ministerpräsident Alexander Schweitzer (SPD) als MPK-Vorsitzender kündigt rund 100 Maßnahmen zur Verschlankung des Staates an – doch die Frage der Finanzierung bleibt ungeklärt.
Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann mahnt: "Wir erwarten jetzt klare und verbindliche Entscheidungen zur fairen Verteilung der Kosten zwischen Bund, Ländern und Kommunen." Ob diese heute fallen, ist offen. Ein gemeinsames Statement ist für 15 Uhr geplant – nach dem Treffen mit Merz.
Drohnenabwehr und Insolvenzen: Die Woche in Kürze
Die deutschen Innenminister wollen in knapp zwei Wochen ein Drohnenabwehrzentrum eröffnen. Eine neue Bundespolizei-Einheit demonstrierte in Bremen, wie unbemanntes Fluggerät unschädlich gemacht wird. Direkter SEPA-Zugang, USD-SWIFT-Konten und Visa/Mastercard-Acquiring sollen künftig gebündelt werden – die Zersplitterung der Zahlungsinfrastruktur kostet Unternehmen Milliarden.
In Großbritannien meldet Red Flag Alert einen alarmierenden Anstieg bei Bauinsolvenzen: Die monatliche Rate schwankte in den letzten sechs Jahren zwischen 1.617 (Juni 2022) und prognostizierten 3.531 im Dezember 2027. Der 6-Monats-Durchschnitt kletterte von 1.787 auf 3.212 – ein Indikator für anhaltenden wirtschaftlichen Druck in einer Branche, die bereits unter Lieferkettenunterbrechungen, Arbeitskräftemangel und regulatorischen Hürden leidet.
Die Zahlen dieser Woche erzählen Geschichten jenseits der Schlagzeilen: Vermögen konzentriert sich durch Erbschaften, Konsumtrends entpuppen sich als Messfehler, Arztpraxen wandern aus dem Kassensystem ab, und Föderalismus-Debatten drehen sich im Kreis. Manchmal sind die stillen Verschiebungen die folgenreichsten.
Einen aufmerksamen Donnerstag wünscht
Eduard Altmann








