Die 10-Milliarden-Bescherung, der 4.500-Dollar-Durchbruch und die US-Wachstumsexplosion
Liebe Leserinnen und Leser,
es gibt Tage, an denen die Diskrepanz zwischen Kalender und Kapitalmarkt kaum größer sein könnte. Während wir uns hierzulande auf die stille Nacht vorbereiten und die Geschäfte schließen, feuern die US-Börsen und die Strategieabteilungen der globalen Konzerne ein Feuerwerk ab, das eher an Silvester erinnert als an Heiligabend.
Wir erleben an diesem 24. Dezember keine besinnliche Ruhe, sondern eine Demonstration der Stärke – und der Nervosität. Die Bücher werden nicht einfach geschlossen; sie werden mit Rekorden zugeschlagen. Gold durchbricht historische Schallmauern, und während der Privatanleger Geschenke auspackt, packen CEOs Übernahmeverträge im Wert von knapp zehn Milliarden Dollar auf den Tisch.
Gestern sprachen wir an dieser Stelle noch über die Anbahnung dieser Bewegungen. Heute sehen wir die Vollendung. Hier sind die Themen, die den heutigen Handelstag dominieren, bevor die Welt für wenige Stunden den Atem anhält.
Das historische Finale: Die 4.500-Dollar-Mauer ist gefallen
Was sich gestern bereits andeutete, ist heute Realität geworden: Gold hat die psychologisch massive Marke von 4.500 US-Dollar pro Feinunze nicht nur getestet, sondern dynamisch durchbrochen. Mit einem aktuellen Stand von rund 4.525 Dollar krönt das Edelmetall eine Jahresperformance von über 70 Prozent – der stärkste Anstieg seit 1979.
Die Treiber dieser Fluchtbewegung sind so klassisch wie explosiv. Einerseits preisen die Märkte für 2026 bereits zwei Zinssenkungen der Fed ein. Andererseits brennt es geopolitisch: Die eskalierenden Spannungen zwischen den USA und Venezuela – inklusive der Beschlagnahmung von Öltankern und einer Seeblockade – lassen das Sicherheitsbedürfnis der Anleger sprunghaft ansteigen. Auch Silber lässt sich von dieser Dynamik mitreißen und notiert über 72 Dollar.
Es ist das Ausrufezeichen hinter einem Jahr, in dem das zinslose Gold alle Kritiker Lügen strafte. Dass Aktien (S&P 500 auf Rekordhoch) und Gold im Gleichschritt steigen, bleibt die große Anomalie dieses Jahresendes – ein Tanz auf dem Vulkan, bei dem die Liquidität noch immer die Musik bestimmt.
Milliarden unter dem Baum: Sanofi und ServiceNow im Kaufrausch
Wer glaubte, M&A-Anwälte hätten an Heiligabend frei, wird heute eines Besseren belehrt. Der französische Pharmariese Sanofi sorgt für die erste Überraschung des Tages und übernimmt das US-Biotech-Unternehmen Dynavax Technologies.
Der Preis für den Zugriff auf moderne Hepatitis-B-Impfstoffe: 2,2 Milliarden US-Dollar oder 15,50 Dollar je Aktie. Das entspricht einem Aufschlag von satten 39 Prozent auf den gestrigen Schlusskurs. Sanofi macht damit ernst bei der Stärkung der eigenen Pipeline und will den Deal bereits im ersten Quartal 2026 abschließen.
Doch den größten Scheck stellt heute ServiceNow aus. Der Software-Konzern kündigte an, den Sicherheitsanbieter Armis für 7,75 Milliarden Dollar in bar zu übernehmen. Die Botschaft dieser Transaktionen ist unmissverständlich: In den Sektoren Pharma und Tech ist der Hunger nach Wachstum und KI-gestützter Sicherheit so groß, dass strategische Gelegenheiten keine Rücksicht auf Feiertage nehmen.
Die transatlantische Kluft: US-Boom trifft auf deutsche Sparsamkeit
Die heute veröffentlichten Konjunkturdaten aus den USA wirken aus europäischer Sicht fast schon surreal. Die amerikanische Wirtschaft ist im dritten Quartal 2025 um annualisierte 4,3 Prozent gewachsen. Diese Aufwärtsrevision markiert das stärkste Wachstum seit zwei Jahren.
Der Motor ist einmal mehr der unermüdliche US-Konsument. Die Ausgaben stiegen um 3,5 Prozent, maßgeblich getrieben durch den Gesundheitssektor. Selbst eine Inflation von 2,8 Prozent (PCE) kann die Kauflaune nicht bremsen.
Der Kontrast zu Deutschland könnte schmerzhafter kaum sein. Der Handelsverband Deutschland (HDE) meldet zum Finale des Weihnachtsgeschäfts ernüchternde Zahlen. In Berlin und Brandenburg sind zwei Drittel der Händler unzufrieden, und auch bundesweit bleibt die Stimmung gedrückt. Während der Amerikaner konsumiert, hält der Deutsche sein Geld zusammen. Diese fundamentale Divergenz wird die Synchronisierung der Geldpolitik zwischen EZB und Fed im kommenden Jahr zu einer Herkulesaufgabe machen.
Krypto-Winter zu Weihnachten?
Während das physische Gold glänzt, wirkt das „digitale Gold“ seltsam matt. Bitcoin kämpft an diesem Mittwoch vergeblich mit der 87.000-Dollar-Marke und scheitert erneut am Widerstand bei 90.000 Dollar.
Die Zurückhaltung ist technischer Natur: Am 26. Dezember steht ein massiver Optionsverfall im Wert von rund 28 Milliarden Dollar an. Hinzu kommen Netto-Abflüsse aus den US-Spot-ETFs. Der „Fear & Greed Index“ für Krypto ist auf „Extreme Fear“ (24 Punkte) abgerutscht. Es scheint, als würden Krypto-Investoren Gewinne realisieren, um reale Rechnungen zu bezahlen, anstatt auf eine Jahresendrallye zu spekulieren.
Geopolitik: Friedenspläne und Sanktionslisten
Auch auf dem diplomatischen Parkett gibt es keine Weihnachtspause. Der ukrainische Präsident Selenskyj hat einen 20-Punkte-Plan vorgelegt, der als Basis für Gespräche mit den USA dienen soll – inklusive heikler Fragen zur Gebietskontrolle und einem angestrebten Treffen mit Donald Trump.
Für Irritationen in Berlin sorgen derweil neue Schritte aus Washington: Die USA haben Visa-Restriktionen gegen Führungskräfte der deutschen NGO HateAid verhängt. Dieser Schritt wird als direkter Schlag gegen den europäischen „Digital Services Act“ gewertet. Es ist ein ungewöhnlich aggressiver Akt unter Verbündeten, der andeutet, dass Handelskriege 2026 wohl zunehmend auch auf der Ebene der Regulierung und Zivilgesellschaft ausgetragen werden.
Quintessenz
Wir beenden das Börsenjahr 2025 mit einem DAX, der seit Jahresbeginn über 22 Prozent zugelegt hat, und einem Goldpreis, der Geschichte schreibt. Die heutige Ruhe im Xetra-Handel (+0,23 Prozent) darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die globalen Märkte unter Hochspannung stehen. Die massiven M&A-Aktivitäten am heutigen Tag sind ein Vorbote dessen, was uns 2026 erwartet: Ein Jahr der Konsolidierung und der aggressiven Neuordnung.
Ein technischer Hinweis für die kommenden Tage: Achten Sie am 2. Weihnachtstag (26.12.) auf den Bitcoin-Kurs. Der erwähnte Optionsverfall könnte für Volatilität sorgen, während die klassischen Börsen noch geschlossen sind.
Ich wünsche Ihnen nun, fernab von Kurslisten, Eilmeldungen und der Hektik der Märkte, ein frohes und friedliches Weihnachtsfest. Genießen Sie die Zeit mit Ihren Familien. Wir lesen uns wieder, wenn die Märkte erwachen.
Frohe Weihnachten!
Herzlichst,
Ihr
Eduard Altmann








