Tesla, Siemens Energy & Allianz: Wenn alte Regeln nicht mehr gelten
Liebe Leserinnen und Leser,
manchmal lohnt es sich, genauer hinzuschauen – besonders dann, wenn die Märkte scheinbar verrücktspielen. Während die Wall Street gestern ihren schlimmsten Tag seit Wochen erlebte und Tech-Giganten wie Nvidia unter die Räder kamen, schreibt ausgerechnet ein deutscher Energietechnikkonzern seine Erfolgsgeschichte neu. Siemens Energy verdoppelt seinen Aktienkurs in diesem Jahr und erhöht erneut die Prognose – getrieben von einem globalen Strom-Boom, den viele unterschätzt haben. Gleichzeitig zeigt sich bei der Allianz, dass traditionelle Geschäftsmodelle in unsicheren Zeiten Gold wert sein können. Und dann wäre da noch die Frage: Steht uns bei den deutschen Rüstungsaktien ein böses Erwachen bevor?
Siemens Energy: Der unerwartete Star im DAX
Mehr als 10 Prozent Plus an einem Tag, an dem der Gesamtmarkt schwächelt – das schafft nicht jeder. Siemens Energy liefert mit seinen Zahlen zum abgelaufenen Geschäftsjahr genau das, was Anleger hören wollen: deutlich erhöhte Mittelfristziele und erstmals seit vier Jahren wieder eine Dividende. Das Unternehmen profitiert von einem weltweiten Hunger nach Energie-Infrastruktur, der durch den KI-Boom und den Aufbau von Rechenzentren zusätzlich befeuert wird.
Die Zahlen sprechen für sich: Der Auftragseingang kletterte um 17 Prozent auf knapp 59 Milliarden Euro, der Auftragsbestand liegt bei 138 Milliarden. Bis 2028 soll der Umsatz nun im hohen Zehnprozentbereich pro Jahr wachsen – deutlich mehr als bisher geplant. Die bereinigte Ergebnismarge soll von derzeit sechs auf 14 bis 16 Prozent steigen. Analysten zeigten sich begeistert: JPMorgan sieht beim Konsens für das operative Ergebnis rund 20 Prozent Luft nach oben.
Interessant ist dabei die Rolle des KI-Geschäfts: Konzernchef Christian Bruch warnte vor zu viel Euphorie und betonte, dass Rechenzentren zwar ein gutes Geschäft seien, aber weiterhin nur einen Bruchteil des weltweiten Strombedarfs ausmachen würden. Die eigentliche Stärke liegt woanders – in der Fähigkeit, bei hoher Nachfrage bessere Preise durchzusetzen und durch steigende Volumina die Fabriken effizienter auszulasten.
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Allianz: Wenn Katastrophen ausbleiben
Während Siemens Energy von steigender Nachfrage profitiert, hat die Allianz schlicht Glück mit dem Wetter. Im dritten Quartal kosteten Naturkatastrophen den Konzern nur 60 Millionen Euro – nicht einmal ein Zehntel des Vorjahreswerts. Das operative Ergebnis stieg um knapp 13 Prozent auf 4,4 Milliarden Euro, deutlich mehr als Analysten erwartet hatten. Europas größter Versicherer schraubte daraufhin seine Gewinnprognose für 2025 auf 17 bis 17,5 Milliarden Euro hoch.
Das Schöne an diesem Geschäftsmodell: Es funktioniert auch in unsicheren Zeiten. Während Banken und Versicherungen im DAX zusammen ein Plus von 28 Prozent beim operativen Gewinn verzeichneten, brachen die Autokonzerne um 81 Prozent ein. Die Allianz-Aktie legte am Freitag über zwei Prozent zu und nähert sich wieder ihrem Rekordhoch von 396 Euro aus dem Jahr 2000.
Tech-Sektor unter Druck: Die Nvidia-Woche wird entscheidend
Doch nicht alle können sich über gute Nachrichten freuen. Die Wall Street erlebte gestern einen Ausverkauf, der vor allem Tech-Werte traf. Nvidia verlor über fünf Prozent, Broadcom und Oracle gaben ebenfalls deutlich nach. Der Grund: wachsende Zweifel an den hohen Bewertungen im KI-Sektor und die Unsicherheit über weitere Zinssenkungen der Fed.
Applied Materials, ein Zulieferer für Halbleiter-Ausrüstung, warnte, dass die Ausgaben für Chip-Equipment in China im nächsten Jahr voraussichtlich zurückgehen werden – eine direkte Folge verschärfter US-Exportkontrollen. Das belastet die gesamte Branche. Alle Augen richten sich nun auf die Quartalszahlen von Nvidia am kommenden Mittwoch. Analysten von Barclays sprechen von einem "pivotalen Moment", der darüber entscheiden könnte, ob der KI-Superzyklus weitergeht oder erste Ermüdungserscheinungen zeigt.
Rheinmetall: Wenn politischer Gegenwind aufzieht
Apropos Unsicherheit: Bei Rheinmetall braut sich etwas zusammen. Die Aktie verlor am Freitag über vier Prozent, nachdem die Bild berichtete, dass Verteidigungsminister Boris Pistorius einen Milliardenauftrag über sechs Fregatten der Klasse 126 überdenken könnte. Der Grund: Die Kosten sind auf 9,8 Milliarden Euro explodiert, gleichzeitig verzögert sich der Bau. Nun steht offenbar die Frage im Raum, ob man nicht doch zu einem günstigeren Anbieter wie thyssenkrupp Marine Systems wechseln sollte.
Für Rheinmetall wäre das ein herber Rückschlag. Die Aktie hat seit Jahresbeginn zwar immer noch über 100 Prozent zugelegt, doch der jüngste Rücksetzer von 15 Prozent seit dem Oktober-Hoch zeigt: Politische Risiken werden von Anlegern zunehmend eingepreist. Die Bundesregierung hat mit einem neuen Haushaltstitel für eine "Alternative Plattform" klargemacht, dass ein Anbieterwechsel jederzeit möglich ist.
Deutsche Wirtschaft: Zweigeteiltes Bild
Das große Ganze zeigt sich auch in den Quartalszahlen der DAX-Konzerne: Während Banken und Versicherungen Rekordgewinne einfahren, leiden exportorientierte Industrieunternehmen unter Investitionszurückhaltung und schwacher Nachfrage aus China. Der operative Gewinn der DAX-Konzerne stieg im dritten Quartal zwar um 3,1 Prozent, doch das ist fast ausschließlich dem Finanzsektor zu verdanken.
Interessant ist der Blick auf die Gewinner abseits der Finanzbranche: Zalando verzeichnete dank der About-You-Übernahme ein Umsatzplus von 27 Prozent. Dahinter folgen Airbus, Rheinmetall und MTU Aero Engines mit jeweils rund 13 Prozent Wachstum – allesamt zumindest teilweise in der Rüstungsbranche tätig. Der Rüstungs-Boom scheint also trotz der aktuellen Rheinmetall-Unsicherheit intakt zu bleiben.
Ausblick: Worauf es jetzt ankommt
Die kommende Woche wird zeigen, ob die Tech-Euphorie gerechtfertigt ist oder ob wir tatsächlich eine größere Korrektur erleben. Nvidia steht dabei im Zentrum der Aufmerksamkeit – mit einem Gewicht von acht Prozent im S&P 500 kann das Unternehmen die Märkte im Alleingang bewegen. Analysten von KeyBanc erwarten zwar starke Zahlen und eine höhere Prognose für das Januar-Quartal, warnen aber gleichzeitig, dass Nvidia kapazitätsbeschränkt bleibt.
In Europa dürfte die Diskussion um Industriestrompreise an Fahrt gewinnen. Die Ankündigung, dass ab Januar 2026 ein staatlich geförderter Industriestrompreis von fünf Cent pro Kilowattstunde gelten soll, könnte für Unternehmen wie BASF eine erhebliche Entlastung bedeuten. Gleichzeitig arbeitet die EU an einer Verdopplung der Weltraum-Ausgaben für 2028 bis 2034 – gute Nachrichten für Unternehmen wie OHB, deren Auftragsbestand bereits auf Rekordhöhe liegt.
Was bleibt: Die Märkte befinden sich in einer Phase der Neuorientierung. Alte Gewissheiten – Tech wächst immer, Rüstung boomt ohne Ende, die Fed senkt verlässlich – werden hinterfragt. Genau in solchen Phasen zeigt sich, welche Geschäftsmodelle wirklich robust sind. Siemens Energy und Allianz haben diese Woche bewiesen, dass es auch jenseits der üblichen Verdächtigen spannende Geschichten gibt.
Einen erfolgreichen Start ins Wochenende wünscht Ihnen
Andreas Sommer








