Liebe Leserinnen und Leser,

210 Millionen Euro Strafe für X und Google innerhalb weniger Monate, Sam Altman ruft intern den Notstand aus, und Mercedes-Benz nähert sich trotz schwächelnder Branche dem Jahreshoch – drei Schlagzeilen, die auf den ersten Blick nichts verbinnen. Doch wer genauer hinsieht, erkennt das Muster: Überall stehen etablierte Player unter Druck, müssen sich neu erfinden oder gegen Widerstände behaupten. Heute schauen wir auf die Woche, in der Brüssel seine Muskeln spielen ließ, OpenAI die eigene Strategie hinterfragte und ein deutscher Autobauer überraschend Rückenwind bekam.

OpenAI im Krisenmodus: Wenn Gemini zum Problem wird

„Code Red" – so drastisch formulierte es Sam Altman in einem internen Memo, das diese Woche öffentlich wurde. Der OpenAI-Chef ordnete an, dass sämtliche Teams ihre Arbeit an Nebenprojekten pausieren und sich voll auf ChatGPT konzentrieren sollen. Der Grund? Google hat mit seinem aktualisierten Gemini-Modell OpenAI in wichtigen Benchmarks überholt – und tut dabei etwas, das OpenAI schmerzt: Es wächst rasant. Von 450 Millionen monatlich aktiven Nutzern im Juli auf 650 Millionen im Oktober. ChatGPT selbst kommt auf über 800 Millionen wöchentliche Nutzer, doch das Wachstum stockt.

Was auf den ersten Blick wie ein technisches Wettrüsten aussieht, ist in Wahrheit ein existenzielles Problem. OpenAI verbrennt Geld, ist nicht profitabel und muss kontinuierlich frisches Kapital einsammeln – während Google, Microsoft und Amazon aus der Portokasse zahlen können. Analysten von Deutsche Bank bringen es auf den Punkt: OpenAI trägt die Last der gesamten KI-Euphorie auf den Schultern, während es mit drei strukturellen Risiken kämpft. Erstens: Das Nutzerwachstum verlangsamt sich, obwohl die Nutzerzahlen noch steigen. Zweitens: Substitute wie Gemini werden immer stärker. Drittens: Die geplanten Investitionen in Rechenzentren summieren sich auf 1,4 Billionen Dollar – eine Summe, die selbst für ein Unternehmen mit 500 Milliarden Dollar Bewertung atemberaubend ist.

Altmans Plan? ChatGPT soll persönlicher, schneller und zuverlässiger werden. Projekte wie Werbung, KI-Agenten für Gesundheit und Shopping sowie der persönliche Assistent „Pulse" wurden vorerst auf Eis gelegt. Nächste Woche soll ein neues Reasoning-Modell kommen, das Googles jüngstes Gemini schlagen soll. Ob das reicht, um die Konkurrenz auf Distanz zu halten? Die Märkte bleiben skeptisch – nicht umsonst schwankten die Aktien von Nvidia, Microsoft und Oracle zuletzt stärker als gewohnt.

Mercedes-Benz: Upgrade nahe dem Jahreshoch

Während Tech-Giganten um Marktanteile kämpfen, erlebt Mercedes-Benz einen unerwarteten Stimmungswandel. Die Bank of America stufte den Stuttgarter Autobauer von „Underperform" auf „Neutral" hoch und hob das Kursziel von 50 auf 63 Euro an. Die Aktie reagierte prompt: Am Freitag schloss sie bei 61,55 Euro, nur noch 1,62 Euro vom 52-Wochen-Hoch entfernt. Seit Jahresanfang steht ein Plus von 14,41 Prozent zu Buche – weniger als der DAX mit rund 21 Prozent, aber angesichts der Branchenkrise durchaus respektabel.

Was macht die Analysten optimistischer? Zum einen sehen sie die größten Belastungen für Mercedes als „abgearbeitet" an. Zum anderen gibt es politische Signale aus den USA: Unter Präsident Trump sind Lockerungen der Emissionsvorgaben angekündigt, was den regulatorischen Druck auf Hersteller wie Mercedes verringern könnte. Intern setzt der Konzern zudem auf ein striktes Kostensenkungsprogramm, das bis 2027 wirken soll. Klingt nach einer soliden Basis – doch Vorsicht ist geboten. Operativ kämpft Mercedes weiter mit schwächerem Absatz, möglichen Zöllen und den Kosten für Restrukturierung und Stellenabbau. Die zyklische Natur der Autobranche bleibt ein Unsicherheitsfaktor, und ob die Analysteneinschätzung allein für eine Jahresendrally reicht, ist offen.

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EU vs. Big Tech: Brüssel lässt sich nicht erpressen

Während OpenAI intern die Alarmglocken läutet und Mercedes auf bessere Zeiten hofft, eskaliert in Brüssel der Konflikt zwischen der EU und den US-Tech-Riesen. Am Freitag verhängte die Europäische Kommission eine Strafe von 120 Millionen Euro gegen Elon Musks X wegen Verstößen gegen den Digital Services Act. Drei Monate zuvor hatte Google bereits eine Strafe kassiert – und die EU-Kommission ermittelt nun auch gegen Meta wegen dessen KI-Features in WhatsApp.

Was auf den ersten Blick wie Routine-Regulierung aussieht, ist in Wahrheit ein geopolitischer Poker. Die US-Regierung unter Donald Trump hat versucht, Druck auszuüben: Reduzierte Stahlzölle sollten an schwächere EU-Digitalregeln gekoppelt werden. Doch EU-Wettbewerbskommissarin Teresa Ribera lässt sich nicht beeindrucken. „Ich mische mich nicht ein, wie die USA Gesundheitsstandards regeln", sagte sie sinngemäß bei einer Veranstaltung. „Aber ich bin dafür verantwortlich, dass die digitalen Märkte in Europa funktionieren – und das ist keine Verhandlungsmasse."

Die Botschaft ist klar: Brüssel verteidigt seine Souveränität, auch wenn es Konflikte mit Washington riskiert. Für Anleger bedeutet das Unsicherheit. Google steht eine Entscheidung über seine AdTech-Praktiken bevor, die Anfang 2026 erwartet wird. Meta könnte gezwungen werden, den Rollout seiner KI-Features in WhatsApp zu pausieren. Und X? Elon Musk dürfte die 120 Millionen Euro verschmerzen – doch die symbolische Wirkung ist enorm. Die EU zeigt, dass sie bereit ist, auch gegen die mächtigsten Konzerne der Welt vorzugehen.

Coinbase: Die Vision vom „Everything Exchange"

Abseits der Schlagzeilen arbeitet Coinbase an einer Transformation, die das Unternehmen vom reinen Krypto-Handelsplatz zur umfassenden Finanzplattform machen soll. Analysten von Bernstein sprechen von einem „Everything Exchange" – einer Plattform, auf der Nutzer Aktien, Krypto, Derivate und Prognosemärkte handeln können, alles abgewickelt in USDC. Am 17. Dezember soll ein Event stattfinden, bei dem Coinbase Details zu seiner Strategie präsentieren will.

Die Idee ist nicht neu, aber der Zeitpunkt könnte günstiger kaum sein. Regulatorische Änderungen in den USA haben die Rahmenbedingungen verbessert, und Coinbase hat zuletzt mit einer Token-Launchpad-Plattform experimentiert, die für Blockchain-Startup Monad 269 Millionen Dollar von über 85.000 Investoren aus 70 Ländern einsammelte. Der Token wurde zum drittmeist gehandelten Asset auf Coinbase – ein Vorgeschmack auf das, was kommen könnte.

Doch die Realität ist auch hier nüchterner: Bitcoin schwankt derzeit zwischen 82.000 und 92.000 Dollar, die Coinbase-Aktie hat in den letzten 30 Tagen 21 Prozent verloren. Das Geschäft bleibt volatil, und ob Coinbase tatsächlich zum „Krypto-Venmo" oder zur Konkurrenz für Robinhood werden kann, wird sich zeigen. Bernstein sieht die aktuelle Schwäche als Einstiegschance – doch Anleger sollten sich bewusst sein, dass hier noch viel Zukunftsmusik mitschwingt.

Zentralbanken im Fokus: Fed, BoC, SNB und RBA

Die kommende Woche wird für Anleger spannend, denn gleich vier große Zentralbanken treffen geldpolitische Entscheidungen. Am Dienstag ist die Reserve Bank of Australia dran, am Mittwoch folgen die Bank of Canada und die Federal Reserve, am Donnerstag die Schweizerische Nationalbank. Besonders die Fed steht im Fokus: Die Märkte preisen mit fast 90-prozentiger Wahrscheinlichkeit eine Zinssenkung ein. Morgan Stanley, JPMorgan und Bank of America haben ihre Prognosen entsprechend angepasst – alle drei erwarten nun einen Viertelpunkt-Schritt nach unten.

Der Dollar reagierte bereits: Der Index fiel auf ein Fünf-Wochen-Tief von 98,765 und notiert aktuell bei knapp 99. Der Yen legte zu, gestützt von Spekulationen, dass die Bank of Japan am 19. Dezember die Zinsen anheben könnte. Für Anleger bedeutet das: Die Währungsmärkte bleiben in Bewegung, und wer international investiert ist, sollte die Entwicklungen genau im Auge behalten. Auch Bitcoin reagierte auf die Dollar-Schwäche – allerdings mit einem Minus von 3 Prozent auf 89.701 Dollar.

Was bleibt

Diese Woche hat gezeigt, dass die großen Kämpfe nicht nur an den Börsen, sondern auch in Konferenzräumen und Regulierungsbehörden ausgefochten werden. OpenAI muss beweisen, dass es mehr ist als ein Hype-getriebenes Startup. Mercedes-Benz hofft darauf, dass politische Rückenwind und Kostenmanagement ausreichen, um die Trendwende zu schaffen. Und die EU demonstriert, dass sie ihre Regeln durchsetzen wird – koste es, was es wolle.

Für Anleger heißt das: Wachsamkeit zahlt sich aus. Die Märkte mögen kurzfristig auf Analystenstimmen oder Zentralbank-Entscheidungen reagieren, doch die strukturellen Verschiebungen – sei es in der KI-Industrie, der Autoindustrie oder der Regulierung – werden langfristig entscheidend sein.

In diesem Sinne: ein entspanntes Wochenende und bis Montag!

Herzliche Grüße
Andreas Sommer