Novo Nordisks Paukenschlag, der teure Frieden von Stuttgart und das Gold-Paradoxon
Liebe Leserinnen und Leser,
normalerweise ist dies der Zeitpunkt im Börsenjahr, an dem die Liquidität versiegt, die Bildschirme dunkel werden und Händler mental bereits den Gänsebraten tranchieren. Doch das Jahr 2025 hält sich nicht an das Drehbuch der vorweihnachtlichen Besinnlichkeit.
Während der DAX in einer Art Starre verharrt, spielen sich unter der Oberfläche Bewegungen ab, die weit über die Feiertage hinaus Relevanz haben werden. Wir sehen an diesem Dienstagmittag eine faszinierende Divergenz: Ein deutscher Industrieriese kauft sich endgültig von seiner Vergangenheit frei, während Europas wertvollster Konzern die Zukunft des Abnehmens neu definiert. Und im Hintergrund? Da sendet Gold ein Signal, das lauter kaum sein könnte.
Das dänische Weihnachtsgeschenk: Die Nadel ist Geschichte
Es ist der heilige Gral der Pharmabranche, nach dem Novo Nordisk und der Rivale Eli Lilly seit Jahren fahnden: Die Abnehmspritze, die keine Spritze mehr ist. Gestern Abend, als Europa bereits schlief, gab die US-Gesundheitsbehörde FDA grünes Licht. Wegovy gibt es künftig als Tablette.
Die Reaktion an den Märkten heute Morgen ist eindeutig: Die Aktie der Dänen klettert in Frankfurt um bis zu 10 Prozent. Warum ist das so wichtig? Die orale Verfügbarkeit senkt die Hemmschwelle für Patienten massiv. Zwar muss die Pille auf nüchternen Magen eingenommen werden, doch sie eliminiert den psychologischen „Nadel-Faktor".
Für Novo Nordisk ist dies der entscheidende Schlag im Duell mit Eli Lilly, deren orale Alternative noch in der Prüfung steckt. Nachdem die Aktie seit Jahresmitte rund 400 Milliarden Dollar an Marktkapitalisierung eingebüßt hatte, wirkt diese Nachricht wie ein Defibrillator. Analysten sprechen bereits von einem „Gamechanger" für das Jahr 2026.
Mercedes-Benz: Ein teurer Frieden
Während man in Dänemark die Zukunft feiert, räumt man in Stuttgart die Altlasten der Vergangenheit auf. Mercedes-Benz hat einen Schlussstrich unter den Diesel-Skandal in den USA gezogen. Rund 102 Millionen Euro (ca. 150 Millionen Dollar) lässt sich der Konzern den Vergleich kosten, um die letzten Zivilklagen beizulegen.
Man mag zynisch anmerken, dass dies im Vergleich zu den Gesamtkosten von über 2 Milliarden Euro fast schon wie „Portokasse" wirkt. Doch die Symbolik ist entscheidend: Mercedes geht ohne diese juristische Bleiweste ins Jahr 2026. Es ist ein teurer Frieden, aber einer, der dem Management den Rücken freihält, um sich auf die drängenden Probleme der Gegenwart – Stichwort E-Mobilität und China-Absatz – zu konzentrieren. Dass die Aktie kaum reagiert, ist in diesem Fall eine gute Nachricht: Der Markt hatte die Kosten längst eingepreist.
Das Gold-Paradoxon und die trügerische DAX-Ruhe
Werfen wir einen Blick auf den Gesamtmarkt. Der DAX pendelt heute Mittag um die 24.300 Punkte, ein komfortables Plus von rund 21 Prozent seit Jahresbeginn im Rücken. Es herrscht die klassische Lethargie des dünnen Handels. Doch lassen Sie sich von der Ruhe bei den Standardwerten nicht täuschen.
Das eigentliche Signal kommt vom Goldmarkt. Das Edelmetall hat heute die Marke von 4.400 US-Dollar pro Unze nicht nur bestätigt, sondern in der Spitze sogar die 4.500 Dollar ins Visier genommen. Das ist bemerkenswert. Normalerweise korreliert ein Rekordhoch bei Aktien (der S&P 500 notiert nahe Allzeithoch) negativ mit Gold. Dass beide Asset-Klassen gleichzeitig auf Rekordjagd sind, deutet auf eine tiefe Verunsicherung hin.
Die Treiber sind vielfältig: Zinssenkungsfantasien in den USA treffen auf geopolitische Spannungen – aktuell rücken Venezuela und die USA wieder stärker in den Fokus, wie Marktbeobachter heute warnen. Gold fungiert hier als die ultimative Versicherung gegen politische Fehler, während Aktien auf das „Soft Landing" der Wirtschaft wetten. Eine dieser beiden Wetten wird 2026 wackeln.
Der 14:30-Uhr-Termin: Die letzten Daten des Jahres
Warum halten sich die großen Adressen heute noch zurück? Der Grund liegt in Washington. Um 14:30 Uhr unserer Zeit kommen die letzten relevanten US-Daten auf den Tisch:
* Das Bruttoinlandsprodukt (Q3, finale Schätzung)
* Die Auftragseingänge für langlebige Wirtschaftsgüter
* Der PCE-Preisindex (das bevorzugte Inflationsmaß der Fed)
Bei dem aktuell extrem dünnen Handelsvolumen könnten Abweichungen in diesen Daten für heftige, wenn auch kurzfristige Ausschläge sorgen. Ein „Katalysator", wie es die Analysten von ActivTrades heute Morgen nannten, der den DAX vielleicht doch noch über die 24.500 hieven könnte – oder Gewinnmitnahmen auslöst.
Infineon und Bitcoin: Zwei Welten
Ein kurzer Blick auf die Technologie zeigt einen spannenden Kontrast. Infineon macht sich bereit für den Ausbruch. Die Aktie nähert sich der oberen Begrenzung ihrer monatelangen Seitwärtsrange. Der Treiber ist hier ganz klar KI: CEO Jochen Hanebeck stellt 1,5 Milliarden Euro Umsatz mit KI-Rechenzentren in Aussicht. Während die Auto-Sparte schwächelt, wird der Chip-Konzern zunehmend als Infrastruktur-Play für Künstliche Intelligenz entdeckt. Das Kursziel der Analysten liegt im Schnitt bei über 43 Euro – hier ist also noch Luft.
Die jüngsten Entwicklungen bei Infineon verdeutlichen einen größeren Trend, den Bernd Wünsche in seinem Webinar „Der Eine-Billion-Dollar-Chip" detailliert analysiert. Er zeigt auf, welche vier Chip-Aktien vom KI-Boom und der globalen Halbleiter-Revolution profitieren könnten – und warum Mikrochips das „neue Öl" unserer digitalen Zukunft sind. Erfahren Sie, welche Unternehmen jenseits der bekannten Namen vom Chip-Boom 2026 profitieren könnten. Kostenlose Chip-Aktien-Analyse von Bernd Wünsche ansehen
Ganz anders die Stimmung am Krypto-Markt. Der Bitcoin wirkt müde. Der erhoffte Ausbruch über 90.000 Dollar ist gescheitert, aktuell notieren wir bei rund 87.500 Dollar. Die viel beschworene „Santa Rally" fällt bei den digitalen Assets bisher aus. Interessant ist die Entkopplung vom Gold: Während das physische Sicherheits-Asset steigt, fällt das digitale Äquivalent. Das „Smart Money" scheint vor den Feiertagen Risiken (Crypto) abzubauen und Sicherheit (Gold) aufzubauen.
Was das für Sie bedeutet
Wir gehen in die letzten 48 Handelsstunden vor dem Fest. Die Botschaft dieses Dienstags ist: Die großen strategischen Weichenstellungen – sei es bei Novo Nordisk oder Mercedes – finden unabhängig vom Kalender statt.
Für Ihr Depot bedeutet das: Lassen Sie sich von der Tages-Volatilität um 14:30 Uhr nicht nervös machen. Die Liquidität ist zu gering für echte Trendaussagen. Aber behalten Sie Gold im Auge – der nachhaltige Ausbruch über 4.400 Dollar ist ein starkes technisches Signal, das uns weit ins Jahr 2026 begleiten könnte.
Ich werde die US-Daten heute Nachmittag genau beobachten. Genießen Sie diesen Dienstag, vielleicht ja schon mit etwas weniger Hektik als sonst.
Herzlichst,
Ihr
Eduard Altmann








