Der Zins-Blindflug, das Reise-Paradox und die 10-Cent-Botschaft
Liebe Leserinnen und Leser,
Zentralbanker sind von Berufswegen Daten-Junkies. Sie atmen Arbeitsmarktberichte, inhalieren Inflationskurven und richten ihren Kompass stur nach Einkaufsmanagerindizes aus. Doch heute, an diesem so entscheidenden Mittwoch, muss die mächtigste Notenbank der Welt das Undenkbare tun: Sie entscheidet im Blindflug.
Es ist eine bizarre Ironie der Geschichte: Während die US-Notenbank Fed heute Abend voraussichtlich zum dritten Mal in diesem Jahr an der Zinsschraube dreht, bleiben in Washington die wichtigsten Bildschirme dunkel. Der „Government Shutdown" hat die Veröffentlichung der Arbeitsmarktdaten für Oktober und November verhindert. Jerome Powell steuert das Weltfinanzsystem also durch dichten Nebel – und das ausgerechnet auf der Zielgeraden seiner Amtszeit und unter den argwöhnischen Blicken des designierten Präsidenten Trump.
Während die Welt den Atem anhält und auf Signale aus den USA wartet, liefert Hannover ein Lehrstück über die Psychologie der Märkte: Gute Nachrichten aus der Vergangenheit sind an der Börse keine Währung für die Zukunft.
Lassen Sie uns die Fakten dieses nervösen Mittwochs sortieren.
Die Fed im Daten-Vakuum: Eine Zinswende mit verbundenen Augen
Um 20:00 Uhr unserer Zeit wird es ernst. Die Märkte haben ihr Urteil längst gefällt und preisen mit einer Wahrscheinlichkeit von fast 90 Prozent eine weitere Zinssenkung um 25 Basispunkte ein. Es wäre der dritte Schritt nach unten in Folge. Doch die scheinbare Routine täuscht gewaltig über die Anspannung hinter den Kulissen hinweg.
Das Dilemma des Offenmarktausschusses (FOMC) ist komplex: Auf der einen Seite klebt die Inflation mit zuletzt 2,8 Prozent (PCE) und 2,7 Prozent (CPI) hartnäckiger am System als erhofft – das 2-Prozent-Ziel bleibt eine ferne Boje. Auf der anderen Seite zeigen die wenigen verfügbaren Daten Risse im Arbeitsmarkt, wo die Quote zuletzt bei 4,4 Prozent notierte.
Das Problem: Die Entscheidungsträger müssen heute Abend auf Basis veralteter September-Zahlen und anekdotischer Evidenz navigieren. Analysten in New York sprechen bereits vom Szenario eines „Hawkish Cut" – einer Zinssenkung, die von so vielen Warnungen begleitet wird, dass sie sich kaum wie eine Erleichterung anfühlt.
Der entscheidende Punkt für Ihr Depot:
Ignorieren Sie heute Abend die 0,25 Prozentpunkte – die sind eingepreist. Der wahre Zündstoff verbirgt sich im „Dot Plot", jener Punktewolke, die die Zinserwartungen der Fed-Mitglieder visualisiert. Im September signalisierte das Gremium für 2026 nur eine weitere Senkung. Sollte sich diese Prognose heute bestätigen oder gar verschärfen, dürfte die Jahresendrallye abrupt enden. Der DAX spürt diese Unsicherheit bereits und pendelt heute Mittag nervös bei 24.047 Punkten (-0,32 %).
TUI: Wenn Rekorde nicht mehr reichen
In Hannover hätte man heute Morgen eigentlich feiern können. Der Reisekonzern TUI hat das geschafft, was lange Zeit utopisch wirkte: Die Rückkehr zur Dividende. 10 Cent je Aktie sollen ausgeschüttet werden. Im Markt spricht man von einer symbolischen „Starter-Dividende", einem Signal der Normalisierung nach der existenziellen Corona-Krise.
Die Bilanz für das Geschäftsjahr 2025 liest sich auf den ersten Blick makellos:
* Rekordgewinn: Das bereinigte EBIT kletterte um 12,6 Prozent auf 1,46 Milliarden Euro.
* Umsatz: Ein Zuwachs von über 4 Prozent auf 24,2 Milliarden Euro.
* Disziplin: Die Nettoverschuldung wurde um beachtliche 20 Prozent gedrückt.
Warum also straft die Börse die Aktie heute mit einem Minus von rund 5 Prozent ab? Es ist das klassische „Sell on Good News", getrieben von Zukunftsangst. Der Ausblick fiel verhaltener aus als von Optimisten erhofft. Ein prognostiziertes Umsatzwachstum von lediglich 2 bis 4 Prozent deutet darauf hin, dass der wilde Post-Corona-Reiseboom an Schwung verliert. Zudem kündigte der Konzern ein 250-Millionen-Euro-Sparprogramm für den Bereich „Markets + Airline" an, da hier die Gewinne zuletzt sanken. Die Botschaft der Anleger ist eindeutig: Die Sanierung ist gelungen, doch wo ist die neue Wachstumsfantasie?
Tech-Splitter: Autonome Bullis und späte Gerechtigkeit
Während die Standardwerte schwächeln, lohnt sich der Blick auf Technologie und Rechtsprechung:
VWs technologisches Lebenszeichen:
Inmitten der düsteren Debatten um die deutsche Automobilkrise sendet Volkswagen ein Signal der Innovation. Die Tochter Moia exportiert ihr Geschäftsmodell: Der autonom fahrende ID. Buzz kommt nach Oslo. Ab Frühjahr 2026 soll der Elektro-Bulli dort fahrerlos durch die Straßen rollen – nach Hamburg und Berlin der dritte europäische Standort. Für die Wolfsburger ist dies ein essenzieller Testlauf für die Skalierbarkeit der Technologie und ein kleiner Lichtblick in stürmischen Zeiten.
Intels später Sieg:
Die Mühlen der Justiz mahlen langsam, aber manchmal profitabel. Das Gericht der Europäischen Union hat eine Kartellstrafe gegen Intel deutlich reduziert – von ursprünglich 376 auf rund 237 Millionen Euro. Der Fall bezieht sich auf Praktiken aus den Jahren 2002 bis 2006. Dass ein Rechtsstreit fast zwei Jahrzehnte dauert, zeigt die Diskrepanz zwischen juristischer Zeitrechnung und der Lichtgeschwindigkeit der Tech-Branche. Für Intel bedeutet das eine Ersparnis von 139 Millionen Euro – in der aktuellen Lage des Chipriesen eine willkommene Bilanzkosmetik.
Bitcoin im Wartezustand:
Auch die Krypto-Märkte haben den Atem angehalten. Bitcoin verharrt bei rund 92.000 US-Dollar und scheitert bislang am Ausbruch über das jüngste Hoch von 94.600 Dollar. Die digitale Währung reagiert hypersensibel auf Liquiditätssignale der Fed. Ein „Hawkish Cut" heute Abend könnte hier kurzfristig für Turbulenzen sorgen.
Während die Märkte heute auf Fed-Signale warten, möchte ich Ihnen eine langfristige Perspektive aufzeigen, die über Zinszyklen hinausgeht. Chefanalyst Carsten Müller präsentiert in einer kostenlosen Weltpremiere sein „Projekt Future Money" – eine Strategie, die über 30 Jahre entwickelt wurde und nun erstmals öffentlich enthüllt wird. Im Fokus stehen 20 handverlesene Tech-Aktien aus Zukunftsbranchen wie KI-Infrastruktur, Raumfahrt, Biotech und Robotik, die das Potenzial haben, zu den nächsten Microsofts oder NVIDIAs zu werden. Müller zeigt konkret, welche Unternehmen von Megatrends wie autonomen Systemen, orbitaler Kommunikation und KI-gestützter Medizin profitieren könnten. Sie erhalten Zugang zu allen 20 Werten plus einem detaillierten Sonderreport für 2026 – komplett kostenfrei zum Einstieg. Hier zum Projekt Future Money und den 20 Zukunftschancen
Quintessenz
Dieser Mittwoch ist ein Tag der Zwischentöne. Bei TUI sehen wir, dass die Bewältigung der Vergangenheit (Schuldenabbau) nicht automatisch Applaus für die Zukunft garantiert. Und in Washington erleben wir heute Abend ein geldpolitisches Experiment: Eine Zentralbank, die entscheiden muss, ohne genau zu wissen, wo sie steht.
Für Jerome Powell ist es der wohl heikelste Moment vor seinem Amtszeitende im Mai 2026. Donald Trump hat bereits angekündigt, die Nachfolge „früh im nächsten Jahr" zu regeln. Powell muss heute also nicht nur die Märkte beruhigen, sondern auch sein Vermächtnis gegen politische Störfeuer absichern.
Achten Sie heute Abend weniger auf die Schlagzeile „Zinssenkung" und mehr auf das Kleingedruckte im Ausblick. In einem Markt, der auf Sicht fährt, sind die Nuancen entscheidend.
Herzlichst,
Ihr
Eduard Altmann








