Liebe Leserinnen und Leser,

der heutige „Boxing Day" macht seinem Namen alle Ehre – wenn auch anders, als es die britische Tradition vorsieht. Während die klassischen Aktienmärkte in post-weihnachtlicher Lethargie verharren und die Umsätze erwartungsgemäß dünn ausfallen, fliegen in den Nischen des Finanzsystems die Fäuste.

Es ist ein Freitag der zwei Geschwindigkeiten. Wer nur auf den DAX blickt, sieht Stillstand. Wer jedoch tiefer in die Marktmechanik schaut, erlebt einen Tag der Extreme: Gold jenseits der 4.500 Dollar, ein historischer Ausbruch beim Silber und das größte Options-Verfallsdatum der Krypto-Geschichte. Es scheint, als traue das „Smart Money" der festlichen Ruhe nicht und positioniere sich neu für eine rauere Realität.

Willkommen zu Ihrem Update an einem Handelstag, der Geschichte schreibt, während die Welt noch schläft.

Der 27-Milliarden-Dollar-Showdown

In den angelsächsischen Einkaufsstraßen wird heute um Rabatte gekämpft, an den digitalen Börsen geht es um die Vorherrschaft im kommenden Jahr. Wenn heute Nachmittag (16:00 bzw. 17:00 Uhr MEZ) die Bitcoin- und Ethereum-Optionen auslaufen, werden Kontrakte mit einem Nominalwert von rund 27 Milliarden US-Dollar abgerechnet. Ein Rekordwert, der das gewaltige institutionelle Interesse unterstreicht.

Die Marktpsychologie präsentiert sich dabei als faszinierendes Paradoxon. Bitcoin hält sich stabil im Korridor zwischen 88.000 und 89.000 Dollar – ein Niveau, das noch vor kurzem utopisch wirkte. Dennoch notiert der „Fear & Greed Index" bei einem Wert von 20 („Extreme Angst"). Der Markt kauert förmlich in Erwartung einer Korrektur, die sich weigert einzutreten.

Besonders spannend ist der sogenannte „Max Pain"-Preis, der für Bitcoin bei etwa 95.000 Dollar liegt. Dass wir aktuell darunter notieren, deutet darauf hin, dass die Bären kurzfristig die Oberhand haben und die Stillhalter der Optionen Kasse machen. Für Krypto-Investoren ist dieser Freitag der entscheidende Stresstest: Löst sich der Absicherungsdruck (Hedging) nach dem Verfall auf, könnte der Weg für eine verspätete Jahresendrallye frei werden. Bleibt die Angst dominant, rückt die 85.000er-Marke ins Visier.

Flucht in reale Werte: Die Neubewertung des Metalls

Während der digitale Goldrausch pausiert, erleben wir an den Rohstoffmärkten eine Renaissance des Tangiblen. Silber hat heute die psychologisch und charttechnisch massive Marke von 75 US-Dollar pro Unze durchbrochen.

Das ist kein normales Marktrauschen mehr, das ist eine fundamentale Neubewertung. Parallel dazu markierte Gold mit über 4.515 Dollar je Feinunze ein neues Allzeithoch. Was wir hier sehen, ist eine klassische Fluchtbewegung, getrieben von drei Faktoren:

  1. Geopolitische Härte: Die Welt ist unsicherer geworden (siehe Japan weiter unten), was den Risikoaufschlag für Fiat-Währungen erhöht.
  2. Monetäre Wette: Der Markt preist weiterhin aggressive Zinssenkungen der Fed ein, was zinslose Assets attraktiver macht.
  3. Der industrielle Squeeze: Speziell bei Silber trifft die monetäre Nachfrage auf einen realwirtschaftlichen Engpass. Die Solar- und Chipindustrie saugt den Markt leer.

Wenn Silber an einem einzigen, umsatzschwachen Handelstag fast 4 Prozent zulegt, ist das ein Warnsignal. Das große Geld sichert sich ab – und zwar massiv.

Tech-Dominanz: Nvidia macht die Schotten dicht

Auch im Silicon Valley gibt es keine Weihnachtspause. Nvidia, der unbestrittene Hegemon der KI-Ära, baut seine Festung weiter aus. Berichten zufolge hat sich der Konzern Zugang zur Technologie des Startups Groq gesichert. Der Deal, der in der Branche mit bis zu 20 Milliarden Dollar bewertet wird (primär über Lizenzen und Personalakquise), ist ein strategischer Schachzug erster Güte.

Groq ist spezialisiert auf „Inferenz" – die Anwendung von KI, nicht nur deren Training. Genau hier liegt der Wachstumsmarkt der Zukunft. Nvidia signalisiert damit unmissverständlich: Wir dulden keine Götter neben uns, weder AMD noch Google.

Im Windschatten dieser Giganten läuft sich Micron Technology warm. Die Aktie erreichte neue Hochs, getrieben von der simplen Erkenntnis, dass jede KI-Anwendung massiven Speicher benötigt. Der „Pick-and-Shovel"-Ansatz – das Verkaufen der Schaufeln im Goldrausch – erweist sich bei Micron als profitabler Dauerläufer, der in den kommenden Jahren sogar die Performance von Nvidia herausfordern könnte.

Anzeige

Die jüngsten Entwicklungen im Halbleiter-Sektor zeigen deutlich: Wir stehen erst am Anfang eines gewaltigen Chip-Booms. Bernd Wünsche analysiert in seinem kostenlosen Webinar, welche 4 Chip-Aktien jetzt vor einer ähnlich spektakulären Entwicklung wie Nvidia stehen könnten. Er zeigt konkret, wie Sie von der Chip-Revolution profitieren können – mit Unternehmen, die das Rückgrat der KI-Infrastruktur bilden. Details zur Chip-Aktien-Analyse ansehen

Tokios 58-Milliarden-Signal

Ein Blick nach Asien, der in der besinnlichen Zeit nicht untergehen darf: Die japanische Regierung hat heute einen Rekord-Verteidigungshaushalt von über 9 Billionen Yen (ca. 58 Mrd. USD) verabschiedet.

Japan, einst das Land des pazifistischen Verfassungsartikels, rüstet im Eiltempo auf. Das Ziel ist klar definiert: Abschreckung gegenüber China und Nordkorea durch Langstreckenraketen und Drohnenabwehr. Für Anleger im Defense-Sektor ist dies die Bestätigung einer These, die wir schon länger vertreten: Der Rüstungs-Superzyklus ist global, strukturell und langfristig.

Gleichzeitig bleibt die ökonomische Lage in Tokio fragil. Mit einer Kerninflation, die sich hartnäckig über 2 Prozent hält, steht die Bank of Japan weiter unter Zugzwang. Der Balanceakt zwischen Aufrüstung und Zinswende wird das Jahr 2026 prägen.

Marktlage Frankfurt: Dünne Luft und Wein-Appelle

Und der heimische Markt? Der DAX zeigt sich in der „dünnen Luft" zwischen den Feiertagen erstaunlich robust und notiert bei 24.333 Punkten (+0,14%).

  • Die Defensive steht: Werte wie E.ON (+1,43%) und Bayer (+1,37%) profitieren von der Suche nach Sicherheit.
  • Der Sorgenfall: Adidas (-1,44%) leidet weiterhin unter dem Echo der schwachen Nike-Zahlen und der China-Skepsis.
  • Das Warnsignal: Bei Gerresheimer sorgte eine Ad-hoc-Mitteilung für einen Rutsch von rund 3,5 Prozent – ein Beleg dafür, dass in illiquiden Märkten Einzelwerte extrem volatil reagieren können.

Einen fast schon rührenden Appell richtete Bauernpräsident Rukwied an die Nation: Angesichts einer „historischen Krise" der Winzer möge man doch bitte mehr deutschen Wein trinken. Ein profaner, aber sympathischer Vorsatz für die restlichen Festtage, der uns daran erinnert, dass die Realwirtschaft jenseits der KI-Milliarden oft mit ganz irdischen Sorgen kämpft.

Quintessenz

Der heutige Tag liefert uns einen Vorgeschmack auf die Themen des Jahres 2026. Wir sehen eine Welt, in der technologische Disruption (Nvidia/KI), die Flucht in harte Werte (Gold/Silber) und geopolitische Aufrüstung (Japan) den Takt vorgeben.

Nutzen Sie die verbleibende Ruhe nicht nur zur Erholung, sondern auch, um Ihr Depot gedanklich auf diese Dreifaltigkeit abzuklopfen. Die Märkte mögen heute leise treten, aber unter der Oberfläche brodelt es gewaltig.

Ich wünsche Ihnen ein erholsames Wochenende und eine glückliche Hand bei Ihren Entscheidungen.

Herzlichst,

Ihr

Eduard Altmann