Guten Morgen,

manchmal offenbaren sich die größten Herausforderungen nicht in spektakulären Schlagzeilen, sondern in stillen Korrekturen und alltäglichen Frustrationen. Diese Woche liefert gleich mehrere solcher Momente: Ein deutsches Forscherteam zieht eine vielbeachtete Klimastudie zurück – und betont gleichzeitig, die Kernbotschaft bleibe gültig. Deutsche Autofahrer verlieren durchschnittlich 47 Stunden jährlich im Stau, Tendenz steigend. Und während die Eurozone überraschend robuste Wachstumssignale sendet, kämpft Deutschlands Industrie mit schrumpfender Beschäftigung und steigenden Energiekosten.

Was diese scheinbar disparaten Entwicklungen verbindet? Sie alle markieren unbequeme Realitäten, die sich nicht mehr ignorieren lassen – und sie alle verlangen nach strukturellen Antworten statt kosmetischer Korrekturen.

Potsdam korrigiert – und bleibt bei der Botschaft

Das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) hat am Dienstag eine im April 2024 in „Nature" publizierte Studie zu den wirtschaftlichen Folgen des Klimawandels zurückgezogen. Der Grund: Fehlerhafte Umrechnung von Wirtschaftsdaten aus Usbekistan und unterschätzte statistische Unsicherheiten in den Prognosemodellen. Zwei unabhängige Kritiken – eine von Stanford-Forschern, eine vom TU-München-Wissenschaftler Christof Schötz – hatten die methodischen Schwächen aufgedeckt.

Die überarbeitete Fassung, die das PIK-Team um Leonie Wenz nun veröffentlicht hat, kommt zu leicht abgeschwächten, aber immer noch drastischen Ergebnissen: Die weltweite Wirtschaftsleistung könnte Mitte des Jahrhunderts um 17 Prozent niedriger ausfallen als ohne weiteren Klimawandel – statt der ursprünglich prognostizierten 19 Prozent. Die jährlichen globalen Klimaschäden werden nun als fünfmal so hoch wie die Vermeidungskosten beziffert, nicht sechsmal.

„Unsere Kernaussagen haben Bestand", betont Wenz. Tatsächlich ändert die Korrektur wenig an der ökonomischen Grundbotschaft: Klimaschutz rechnet sich. Doch der Vorgang illustriert ein Dilemma der Klimaökonomie. Die Modelle arbeiten mit enormen Unsicherheiten – regionale Datenlücken, komplexe Wechselwirkungen, lange Zeithorizonte. Gleichzeitig verlangen Politik und Öffentlichkeit nach präzisen Zahlen für Investitionsentscheidungen.

Für Investoren und Unternehmen bedeutet dies: Die Richtung stimmt, die exakte Größenordnung bleibt unsicher. Wer heute in Klimaanpassung und Transformation investiert, handelt nicht aufgrund einer einzelnen Studie, sondern aufgrund einer wachsenden Evidenzbasis – die gelegentliche Korrekturen einschließt, ohne die Gesamtaussage zu entkräften.

Köln überholt Berlin – im Stau

67 Stunden verloren Kölner Autofahrer 2025 durchschnittlich im Verkehr – 20 Prozent mehr als im Vorjahr. Damit führt die Rheinmetropole erstmals das deutsche Ranking der INRIX Global Traffic Scorecard an, vor Düsseldorf (63 Stunden), Berlin (60 Stunden), Stuttgart und München (je 57 Stunden). Bundesweit summiert sich der Zeitverlust auf 47 Stunden pro Fahrer, die volkswirtschaftlichen Kosten auf 5,3 Milliarden Euro.

Die Zahlen offenbaren ein strukturelles Problem: In 77 Prozent der untersuchten deutschen Städte nahmen die Verkehrsverzögerungen 2025 zu. Der Trend ist nicht auf Deutschland beschränkt – global verzeichneten 62 Prozent der Städte steigende Staus. Istanbul führt mit 118 verlorenen Stunden, gefolgt von Chicago (112) und Mexico City (108).

Was auf den ersten Blick wie ein Ärgernis für Pendler wirkt, hat handfeste ökonomische Dimensionen. Die 750 Euro, die der durchschnittliche deutsche Autofahrer durch Staus verliert, fehlen anderswo im Konsum. Lieferketten werden ineffizienter, Fachkräfte verbringen wertvolle Zeit auf verstopften Straßen statt am Arbeitsplatz. Und während Städte wie Paris (-7 Prozent) oder Los Angeles (-1 Prozent) Fortschritte machen, verliert Deutschland an Wettbewerbsfähigkeit.

Die Lösung liegt nicht in mehr Asphalt. Intelligente Verkehrslenkung, beschleunigter ÖPNV-Ausbau, flexible Arbeitsmodelle – die Werkzeuge existieren. Was fehlt, ist die konsequente Umsetzung. Solange Infrastrukturinvestitionen in Deutschland primär Bestand erhalten statt Mobilität neu denken, wird Köln seinen unrühmlichen Spitzenplatz verteidigen.

Eurozone wächst – Deutschland bremst

Die Eurozone meldet für November den stärksten Anstieg der Wirtschaftsaktivität seit zweieinhalb Jahren. Der zusammengesetzte Einkaufsmanagerindex (PMI) kletterte auf 52,8 Punkte, getrieben von robusten Dienstleistungen (53,6 Punkte). Spanien, Italien und Frankreich liefern positive Impulse – Frankreich verzeichnete sogar erstmals seit 15 Monaten Expansion im Privatsektor.

Deutschland hingegen schwächelt. Der Dienstleistungs-PMI fiel von 54,6 auf 53,1 Punkte, während die Industrie mit 48,2 Punkten weiter schrumpft. Die Beschäftigung in der deutschen Industrie sinkt seit Mitte 2024 deutlich – ein Warnsignal für einen Standort, der sich als „Industrienation" definiert.

Cyrus de la Rubia, Chefvolkswirt der Hamburg Commercial Bank, sieht die Dienstleistungsstärke als ausreichend, um die Industrieschwäche mehr als auszugleichen. Doch diese Rechnung birgt Risiken. Wissensintensive Dienstleistungen wachsen, niedrigqualifizierte Industriejobs verschwinden – eine Entwicklung, die soziale Spannungen verschärft und regionale Disparitäten vergrößert.

Gleichzeitig bleibt die Inflationsdynamik moderat. Die Verkaufspreise stiegen langsamer als die Inputkosten, ein Zeichen für intensiven Wettbewerb. Für die EZB bedeutet dies Spielraum für weitere Zinssenkungen – ein Silberstreif für Unternehmen, die unter hohen Finanzierungskosten leiden.

Energiewende ohne Plan

Der österreichische Produktivitätsrat warnt in seinem Jahresbericht eindringlich vor Deindustrialisierung – und macht dabei auch Deutschland zum Thema. Die Diagnose: Steigende Energiekosten, unklare Versorgungssicherheit bei grüner Energie und fehlende Gesamtplanung gefährden die industrielle Basis.

Die Empfehlung ist so klar wie unbequem: Eine bundesweit abgestimmte Gesamtplanung des Ausbaus erneuerbarer Energien, verbindliche Energieraumplanung, wirksames Monitoring der Ausbauziele. Kurzfristige staatliche Hilfen können entlasten, ersetzen aber keine strukturellen Investitionen.

Deutschland steht vor einem Dilemma. Die Energiewende ist alternativlos für Klimaschutz und langfristige Wettbewerbsfähigkeit. Doch der Umbau erfolgt unkoordiniert, Planungsverfahren dauern Jahre, Netzausbau hinkt hinterher. Das Ergebnis: Hohe Strompreise belasten die Industrie, während gleichzeitig Windräder abgeregelt werden, weil die Leitungen fehlen.

Unternehmen wie Represent setzen bereits auf digitale Zwillinge und 3D-Technologie, um Produktionsprozesse zu optimieren – ein Beispiel für Innovation trotz widriger Rahmenbedingungen. Doch solche Insellösungen ersetzen keine kohärente Industriepolitik.

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Schönheitspflege boomt – Export schwächelt

Ein Lichtblick aus der deutschen Wirtschaft: Die Schönheits- und Haushaltspflegebranche verzeichnete 2025 ein Plus von 2,9 Prozent auf 35,6 Milliarden Euro Umsatz. Der Inlandsmarkt wuchs sogar um 5,5 Prozent auf 23,9 Milliarden Euro – ein Beleg für die Alltagsrelevanz dieser Produkte auch in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten.

Besonders bemerkenswert: E-Commerce legte im Kosmetikbereich um 22,5 Prozent zu und erreicht nun 7 Prozent Marktanteil. Bei Haushaltspflegeprodukten betrug das Online-Wachstum 12,7 Prozent (5 Prozent Marktanteil). Haut- und Gesichtspflege boomt mit plus 11,1 Prozent, Haarpflegemittel mit 8,1 Prozent.

Doch die Medaille hat eine Kehrseite: Das Exportgeschäft schrumpfte um 2,1 Prozent auf 11,8 Milliarden Euro. Hohe Energie- und Personalkosten, geopolitische Unsicherheit und – laut einer Roland-Berger-Studie – überbordende Bürokratie belasten die internationale Wettbewerbsfähigkeit. 90 Prozent der befragten Unternehmen nennen Bürokratie als zentrale Belastung, 75 Prozent halten den Standort Deutschland für wenig attraktiv.

Die Branche zeigt exemplarisch, was funktioniert und was nicht: Starke Marken, innovative Produkte und digitale Vertriebswege sichern den Heimatmarkt. Doch im internationalen Wettbewerb verliert Deutschland an Boden – nicht wegen mangelnder Qualität, sondern wegen struktureller Standortnachteile.

Was bleibt

Diese Woche liefert keine spektakulären Börsencrashs oder politischen Erdbeben. Stattdessen zeigt sie in nüchterner Klarheit, wo Deutschland steht: Klimaforschung auf Weltniveau – mit methodischen Herausforderungen. Verstopfte Straßen in wachsenden Städten. Industrielle Schwäche trotz europäischer Konjunkturerholung. Energiewende ohne Masterplan. Erfolgreiche Konsumgüterbranchen mit Exportproblemen.

Die Herausforderungen sind bekannt, die Lösungswege skizziert. Was fehlt, ist die Umsetzung. Ob bei Verkehrsinfrastruktur, Energieplanung oder Bürokratieabbau – Deutschland verliert wertvolle Zeit. Und Zeit ist die eine Ressource, die sich nicht durch Forschung, Innovation oder Kapital vermehren lässt.

Am Donnerstag blicken wir auf die EZB-Zinsentscheidung und ihre Implikationen für europäische Unternehmen.

Einen produktiven Mittwoch wünscht Ihnen

Eduard Altmann