Fonds im Portrait #15 - Werner Leithemüller im Interview zum 3 Banken Value-Aktienstrategie (T): „Die Bewertung bleibt das Um und Auf“
Value-Aktien sind wieder en vogue, manche Fonds profitieren davon, so auch der 3 Banken Value-Aktienstrategie. Fondsmanager Werner Leithenmüller beleuchtet im Interview das derzeit und künftig günstige Umfeld für Value-Investments und erläutert Details zum Fonds.
BÖRSE EXPRESS: Sehr langfristig gesehen ist der Value-Ansatz eine sehr profitable Investmentstrategie, die letzten zehn Jahre allerdings war man mit Growth Aktien erfolgreicher. Experten sprechen von einem Wandel durch die Finanzkrise 2007 bis 2009. Was genau hat sich dadurch geändert?
WERNER LEITHENMÜLLER: Value-Investments setzen ein Anlageverhalten über Generationen hinweg voraus; eine Kapitalbindung über den klassischen Konjunkturzyklus hinaus. Die primäre und entscheidende Variable für dieses Anlagesegment ist der Zins als Diskontierungsfaktor für die zukünftigen Cashflows der Unternehmen; und diese Zinstrends können, wie wir wissen, sehr lange anhalten bzw. sind notenbankpolitisch stark dominiert. Ich persönlich denke nicht, dass die Finanzkrise die Trendwende - hin zum Value-Stil - eingeleitet hat; vielmehr glaube ich, dass die Covid-Pandemie den langfristigen Wachstumstrend - zumindest temporär- unterbrochen hat.
BÖRSE EXPRESS: Auch die 3 Banken Value-Aktienstrategie hat vor zehn Jahren und fünf Monaten das Licht der Welt erblickt. So gesehen könnte man sagen, es war ein schlechter Zeitpunkt für die Auflage. Ich nehme aber an, man hatte seine Gründe. Was war damals das Motiv für die Auflage?
WERNER LEITHENMÜLLER: Zu diesem Zeitpunkt stellte sich in unserem Haus generell die Frage nach einer globalen Anlagestrategie; rückblickend wäre der Wachstumsstil sicher die bessere Entscheidung gewesen. Vor 10 Jahren vertraten wir, wie andere Häuser auch, die Annahme, dass die Zinsen mittel- bis langfristig nicht weiter stark fallen könnten; ein Trugschluss. Wir antizipierten eine Normalisierung der Zinsen und unterschätzten das Ausmaß, in welche Kapitalabhängigkeit uns die Notenbanken langfristig stürzen würden.
BÖRSE EXPRESS: Im Vorjahr hat das Comeback der Value-Aktien begonnen, man könnte sagen in drei Phasen. Zuerst erholten sich die Aktien von ihrem Tiefststand im März 2020, stiegen allerdings eher im Gleichklang mit dem Markt, dann in der 2. Phase ab dem 9. November 2020 mit der erfreulichen Corona-Impfstoffnachricht hat Value gegenüber Growth und dem Markt outperformt und die dritte Phase mit einer verbreiterten Value-Rally dauert seit Anfang dieses Jahres an. Was unterscheidet die drei Phasen hinsichtlich der Sektoren, sprich welche Value-Titel haben zuerst gedreht, welche zuletzt und warum?
WERNER LEITHENMÜLLER: Wie Sie richtig sagen, war die erste Phase des Marktanstiegs gekennzeichnet von einer „großen Breite“. In dieser Phase ging es primär darum, Aktien im Portfolio zu haben bzw. die Quoten Step by Step zügig zu erhöhen.
Die zweite Phase hängt aus meiner Sicht weniger mit der Impfung, als vielmehr mit der Zinswende zusammen. Lieferketten waren nach wie vor unterbrochen, die Knappheit an Gütern war spürbar und erste Konjunkturindikatoren ließen auf stärkere Inflationsraten schließen. Finanzwerte, Zykliker, Rohstoffe und regional bezogen die Region Europa standen damals im Fokus.
Die dritte Phase war von Stil-Rotationen geprägt; zwischenzeitlich sanken die US-Zinsen zur Mitte des Jahres wieder Richtung der 1-Prozent-Marke; ein starkes Argument für die Rückkehr von Wachstumsaktien! Phase drei stand aus unserer Sicht ganz im Zeichen der globalen Energieknappheit. Öl- und Gasaktien waren gesucht und das sollte sich bis zum Ende des Jahres nicht ändern.
BÖRSE EXPRESS: Welcher der folgenden Faktoren hat am stärksten zum Comeback beigetragen: a) Bodenbildung der zehnjährigen US-Zinsen, b) Impfstoff-Nachricht oder c) starker Abschlag der Value-Titel zum Markt?
WERNER LEITHENMÜLLER: Wie bereits angedeutet in den Fragen zuvor, haben und hatten für mich die 10jährigen US-Zinsen die größte Implikation für das Comeback der globalen Value-Aktien; dass die Bewertung einen verhältnismäßigen Tiefpunkt zum Wachstumssegment auswies, war natürlich auch förderlich, zweifellos.
BÖRSE EXPRESS: Angesichts des aktuellen Umfelds der Unsicherheit, vor allem hinsichtlich der Inflationsdauer, wie lautet die aktuelle Strategie für das vierte Quartal im 3 Banken Value-Aktienstrategie?
WERNER LEITHENMÜLLER: Wie Sie wissen, können wir unser Portfolio zu jedem Zeitpunkt deutlich absichern. Nach den Unsicherheiten im dritten Quartal sind wir gegenwärtig voll investiert und möchten das bis auf weiteres auch bleiben. Diese Aussage tätige ich vor dem Hintergrund einer erneut stark verlaufenden Gewinnberichtssaison. Wir setzen im vierten Quartal auf „Energy“ - sprich Öl und Gas und auf margenstarke Aktien mit Pricing-Power, die auch ihre Kapitalkosten nachhaltig verdienen.
BÖRSE EXPRESS: Und wenn Sie einen längerfristigen Blick wagen müssten, was würden Sie sagen: Sieht die Welt nach Corona günstiger für Value-Aktien aus als die Welt vor Corona?
WERNER LEITHENMÜLLER: Sie sieht günstiger aus für Value-Aktien aus dem Blickwinkel einer Kausalkette. Die makroökonomischen Nachwehen der Pandemie werden zweifellos auch noch 2022 spürbar sein. Lieferkettenprobleme und davon abgeleitete Güterknappheit bleiben bestehen, die Gefahr einer Lohn-Preisspirale ist real vor dem Hintergrund eines sehr angespannten Arbeitsmarktes in den USA - viele ältere Arbeitnehmer nutzen im Rahmen der Pandemie den „Exit“ in die vorzeitige Pension; deutlich weniger Arbeitskräfte kommen vergleichsweise auf den Arbeitsmarkt nach.
BÖRSE EXPRESS: Während der mehr als zehn Jahre Ihres Fonds haben Sie Änderungen in der Fondsstrategie vorgenommen, die zum einen die Anzahl und Höhe der Gleichgewichtung der Aktien im Portfolio betrafen und zum anderen hat man sich 2019 mit einem neuen Research- und Analysepartner zusammengetan, der mit einem zukunftsträchtigeren Kennzahlenmodell arbeitet. Was kann man sich unter letzterem vorstellen und was versprachen Sie sich von diesen doch tiefgreifenden Veränderungen beziehungsweise. wie haben sie sich bisher bewährt?
WERNER LEITHENMÜLLER: Also gleich vorweg, wir sind mit der bisherigen Kooperation mit dem Investmenthaus Morgan Stanley sehr zufrieden. Diese Zufriedenheit leitet sich auch daraus ab, dass wir unseren Referenzindex in jedem der einzelnen Jahre - seit Beginn der Kooperation - schlagen konnten. Warum vollzogen wir den Wechsel? Wir wollten in erster Linie einen Datenbankanbieter auswählen, der sich viel strenger am Universum für Value-Aktien orientiert; in zweiter Linie einen Datenanbieter, der auch beziehungsweise vermehrt zukünftige Schätzungen und Prognosen in sein Modell einfließen lässt. Rückblickend kann man durchaus attestieren, dass unser Ansatz „Kennzahlen getriebener“ wurde.
BÖRSE EXPRESS: Mit welchen qualitativen und quantitativen Kriterien erarbeiten Sie und Ihr Partner die Zusammenstellung des Portfolios?
WERNER LEITHENMÜLLER: Im Grunde genommen arbeiten wir mit fünf quantitativen Kernkennzahlen - KGV, Verschuldung, Umsatzwachstum, Volatilität, ROE (Eigenkapitalrentabilität). Diese fünf Kennzahlen verbindet die Datenbank zu einem Gesamtscore, der gereiht wird. Qualitative Parameter wie Managementqualität, Marktdominanz der Produkte, Ratings und andere bzw. Informationen lassen wir dabei ebenso zum Zug kommen, jedoch erst in einem zweiten Schritt. Die Bewertung bleibt das Um und Auf!
BÖRSE EXPRESS: Welche Kriterien wenden Sie hinsichtlich Sicherheitsmarge, sprich Abschlag des Börsenkurses zum inneren Wert, Marktkapitalisierung und Liquidität an?
WERNER LEITHENMÜLLER: Unsere Sichtweise zur Sicherheitsmarge ist folgende: Wir suchen unterbewertete Aktien mit ausgezeichneten Finanzkennzahlen; wir wissen aber auch, dass qualitative Kriterien wie etwa schwaches Management diese Attribute zunichte machen können. Wenn wir Aktien im Portfolio aufnehmen, so muss alles passen; die Story zum Sektor, die Finanzanalyse und ebenso der relative Trend zum Gesamtindex. Ein hoher Abschlag alleine reicht nicht aus zum Kauf. Wir würden nie günstige Aktien kaufen, die sich langfristig schlechter entwickeln; meist gibt es dafür gute Gründe, die später nachgereicht werden! Hinsichtlich Marktkapitalisierung und Liquidität streben wir deutlich höhere Durchschnittszahlen an, als sie der Referenzindex aufweist. Unser Portfolio kann somit als hochliquide, kennzahlenlastig und Momentum-orientiert bezeichnet werden.
BÖRSE EXPRESS: Was sind die derzeitigen Schwergewichte betreffend Länder und Sektoren im Portfolio und warum?
WERNER LEITHENMÜLLER: Nach einer sehr defensiven Ausrichtung - mit bis zu 18 Prozent Absicherungsquote - im dritten Quartal sind wir aktuell wieder vollständig investiert. Aktuell - im vierten Quartal - steuern wir das Portfolio primär über das Gesamtrisiko, als über Sektor- und Regionen-Gewichtungen.
BÖRSE EXPRESS: Unter den 40 Top-Aktien im Portfolio sind keine asiatischen Werte (ex Japan), hat das einen bestimmten Grund?
WERNER LEITHENMÜLLER: Ja, der Grund liegt a) im Zinszyklus und b) an spezifischen „Problemen“ in Asien bzw. China. Zum ersten Punkt: Steigen die US-Zinsen, so bedeutet das Druck auf die Emerging Markets, da deren Wirtschaften in Dollar verschuldet sind. Die schwächere Entwicklung dieser Regionen kommt bereits in der relativen Entwicklung zum Ausdruck. Der Problemfall „Evergrande“ lässt uns vorerst Abstand von Asien halten; die Ansteckungsgefahr auf andere Länder und die Auswirkungen sind unkalkulierbar. Wir finden genug interessante Aktien an den entwickelten Börsen.
BÖRSE EXPRESS: Gibt es in Ihrem Portfolio auch Aktien in problembehafteten Branchen, die vom Markt falsch eingeschätzt bzw. unterschätzt werden oder anders gefragt, wie vermeiden Sie das Tappen in den Value-Trap?
WERNER LEITHENMÜLLER: Aktuell halten wir keine derartigen Aktien. Wir stellen uns sehr selten gegen den Markt; dieser hat sehr häufig Recht. Die Gründe, warum Aktien vermeintlich falsch gepreist sind, werden meist zeitverzögert nachgeliefert. Das Erkennen eines derartigen „Mispricings“ setzt eine große Nähe zum Unternehmen voraus; Manager unterliegen dabei oft der eigenen Hybris. Wir vermeiden sogenannte „Value-Traps", in dem wir derartige Aktien in unserem Auswahlprozess gleich außen vor lassen. Wir wollen nicht klüger als der Markt sein.
BÖRSE EXPRESS: Wie passen eigentlich ESG und Value zusammen?
WERNER LEITHENMÜLLER: ESG und Value passen zusammen, aber durch die Aufnahme von ESG-Kriterien in den Analyseprozess wird das Auswahluniversum kleiner - zugegeben aber auch ethischer. Es wäre somit kein Problem, eine ESG-orientiere Value-Strategie aufzulegen.
BÖRSE EXPRESS: Den 3 Banken Value-Aktienstrategie sollte ich lieber heute als morgen kaufen, da.....
WERNER LEITHENMÜLLER: …uns das fundamentale Bild, ergänzt mit einem etablierten Ansatz und einem ausgezeichneten Datenbankanbieter zukünftig sehr positiv für das Value-Segment stimmt.
Das Value-Segment hatte die letzten Jahre keinen leichten Stand. Fallende Zinsen führten dazu, dass vermehrt Investments in Growth-Aktien getätigt wurden. Die passiven Fonds (ETFs) haben diesen Trend dann noch verstärkt. Der fallende Zinstrend ist unserer Meinung jedoch zumindest gestoppt – auch aufgrund der höheren Inflationsraten, lassen sich diese nicht mehr rechtfertigen. Das führt dazu, dass nicht mehr alle Wachstumsaktien gekauft werden, sondern auch Value-Titel wieder häufiger in den Portfolios Platz finden.
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