BÖRSE EXPRESS: Aus aktuellem Anlass: Am 2. Februar 2022 hat die EU-Kommission ihre Liste von Energieformen vorgestellt, die sie als nachhaltig einstuft, Atomkraft und Erdgas sind demnach auch dabei. Hat diese Taxonomie Einfluss auf die Auswahl an Aktien für den Raiffeisen-Nachhaltigkeit-Momentum?

MICHAEL HUBER: Im Raiffeisen-Nachhaltigkeit-Momentum wird, unabhängig von der EU-Taxonomie, in Erzeugung von Atomenergie und fossilen Brennstoffen nicht investiert. Die Entscheidung der EU-Kommission hat daher für unseren Auswahlprozess keinen Einfluss.

 

BÖRSE EXPRESS: Der Raiffeisen-Nachhaltigkeit-Momentum investiert in nachhaltige europäische Small- und Mid-Caps zwischen 250 Mio. und 25 Mrd. Euro Marktkapitalisierung. Warum fokussieren Sie sich gerade auf solche Klein- und Mittelbetriebe, zeigen solche Werte nicht auch eine höhere Volatilität?

MICHAEL HUBER: Wir setzen auf qualitativ hochwertige Businessmodelle und investieren langfristig in diese Unternehmen. Die letzten Jahrzehnte haben eine deutliche Outperformance von Small- und Mid Caps gezeigt. Es ist also eine sehr interessante Asset Klasse, auch wenn in bestimmten Marktphasen die Volatilität etwas höher ist. Wichtig sind die Auswahl der Titel und die Vermeidung schlecht geführter Firmen. Kleinere Unternehmen agieren oft sehr risikobewusst, da Fehler zu einem hohen finanziellen Risiko führen.

Gerade kleinere Unternehmen können auf Veränderungen schneller reagieren. Sie können im Bereich ESG flexibler reagieren als große Konzerne mit einer breiten Produktpalette und etablierten Markenprodukten, die teilweise ungesund sind und erheblichen Schaden in der Gesellschaft verursachen.

 

BÖRSE EXPRESS: Der Kern des Nachhaltigkeits-Konzepts beruht auf dem ESG-Momentum von Unternehmen. Was hat es damit auf sich und wie laufen die einzelnen Selektionsschritte ab?

MICHAEL HUBER: Neben einem strengen Negativ-Kriterien-Katalog und Mindest-Nachhaltigkeitskriterien wird die ESG-Qualität der Unternehmen bewertet. Mit unserer ESG-Datenbank können wir den Verlauf der ESG-Entwicklung für jedes Unternehmen berechnen.

Alle Unternehmen mit einem positiven ESG-Momentum über einen Zeitraum von drei Jahren kommen in das investierbare Universum. Diese verbleibenden Unternehmen werden einer fundamentalen Analyse unterzogen. Auch der SDG-Beitrag wird berechnet und fließt in die Analyse mit ein.

 

BÖRSE EXPRESS: Welchen Stellenwert im Investmentprozess haben das Nachhaltigkeits-Reporting der Unternehmen bzw. ihr ESG-Score?

MICHAEL HUBER: Grundsätzlich haben transparente Unternehmen einen wesentlichen Vorteil. Ohne Datenlieferung ist keine qualitative Einschätzung möglich und daher haben diese Unternehmen auch eine entsprechend schlechte Bewertung. Natürlich ist die Qualität der Daten wichtig. Entscheidend sind auch der Verlauf und die Erreichung der ESG-Ziele.

 

BÖRSE EXPRESS: Schließlich schaffen es die Aktien von ca. 50 Unternehmen in das Fondsportfolio und werden dort jeweils zu gleichen Teilen gewichtet. Was hat diese Gewichtung für Vorteile gegenüber einer Gewichtung nach Marktkapitalisierung?

MICHAEL HUBER: Wir haben ein sehr konzentriertes Portfolio und sind von allen Unternehmen überzeugt. Die Marktkapitalisierung spielt daher keine Rolle. Auch kleinere Unternehmen im Portfolio können somit einen wesentlichen Beitrag zur Performance des Fonds erzielen. Damit das Risiko im Auge behalten wird, findet zwei Mal im Jahr ein Rebalancing statt. Um eine Gleichgewichtung zu gewährleisten ist auch die Liquidität der Unternehmen an der Börse entscheidend.

 

BÖRSE EXPRESS: Gibt es Branchen, die aufgrund ihres ESG-Momentums stärker bzw. schwächer ins Auge fallen?

MICHAEL HUBER: Grundsätzlich gibt es in jeder Branche Veränderungen. Für unsere Entscheidung sind jedoch auch das Ausmaß der Veränderung und das Level, auf dem diese stattfindet, von großer Bedeutung. Die Finanzbranche ändert sich derzeit sehr stark und könnte in Zukunft auch für Investments im Fonds interessant werden. Derzeit halten wir allerdings noch keine Banken. Eine spannende Entwicklung findet auch bei einigen Privat Equity Firmen statt. Das Bewusstsein, ESG Kriterien in die Entscheidungsprozesse einfließen zu lassen, steigt auch hier.

 

BÖRSE EXPRESS: Welche Titel im Portfolio gefallen Ihnen derzeit am besten und welche Stärken zeichnen diese Werte aus?

MICHAEL HUBER: Wir sind von allen 50 überzeugt, sonst würden wir sie austauschen. Wir haben einen sehr strengen Ansatz und ziehen keine Portfolio-Leichen mit uns mit. Wenn wir nicht mehr überzeugt sind, findet kein Rebalancing mehr statt und wir suchen eine Alternative. Natürlich gibt es immer wieder Favoriten, aber meistens freut man sich über die Unternehmen, die gerade gut performen.

Langfristig ist uns aber wichtig, dass das Management unsere Themen ernst nimmt. Hier kommt es immer wieder zu Fehlentwicklungen. Ich hatte letzte Woche ein Gespräch mit dem CEO und dem CFO von Borregaard. In diesem Gespräch hatte ich den Eindruck gewonnen, dass dieses Unternehmen unsere Themen sehr ernst nimmt und die Nachhaltigkeit nicht nur auf Präsentationsfolien vermarktet wird. Es gibt allerdings bei allen Unternehmen Punkte, die verbessert werden müssen, so auch bei Borregaard. Dieses Unternehmen verarbeitet Holzabfälle und stellt eine Reihe von Materialien und Hilfsstoffe als Ersatz für Öl-basierte Produkte her. Die Wertschöpfung aus dem Werkstoff Holz ist hier besonders hoch.

 

BÖRSE EXPRESS: Teil des Risikomanagements ist die halbjährliche Rebalancing-Strategie. Was ist damit konkret gemeint und wie hat diese Strategie in den letzten beiden Corona-Jahren funktioniert?

MICHAEL HUBER: Wir führen dieses Rebalancing zwei Mal im Jahr durch. Dabei werden gut gelaufene Titel wieder auf 2 Prozent reduziert und die schlecht gelaufenen Unternehmen auf 2 Prozent aufgestockt. Aus Risikosicht macht das sehr viel Sinn, da gerade kleinere Unternehmen einen sehr starken Kursverlauf aufweisen, allerdings auch wieder stark korrigieren können. Gerade in der Corona-Zeit haben wir im Sommer 2020 Titel nachgekauft, die stark unter Druck gekommen sind. Aufgrund der Qualität haben diese Firmen die Krise überstanden und konnten sich wieder erholen. Ende 2020 haben wir die sehr gut gelaufenen Renewables wieder auf 2% reduziert. Die sehr hoch bewerteten Titel haben seither stark konsolidiert. Beim letzten Rebalancing haben wir diese Werte wieder aufgestockt. Natürlich ist der Zeitpunkt nicht immer optimal, aber über die letzten Jahre hat sich diese Strategie sehr bewährt.

 

BÖRSE EXPRESS: Wie hat sich der Fonds seit Corona gegenüber dem Gesamtmarkt geschlagen?

MICHAEL HUBER: Der Fonds hat sich seit Ausbruch von Covid-19 bis zum Jahresende 2021 deutlich besser entwickelt als der Europa Mid Cap und Large Cap Markt. Im Jänner ist es allerdings zu einer starken Value-Rallye am Markt gekommen. Viele Qualitätstitel sind stark unter Druck geraten. Wir haben beim Rebalancing im Jänner diesen Rückgang genutzt, um wieder nachzukaufen.

 

BÖRSE EXPRESS: Den Raiffeisen-Nachhaltigkeit-Momentum sollte ich lieber heute als morgen kaufen, da...

MICHAEL HUBER: … ich mich mit diesem Investment an Unternehmen beteilige, die sich bei Umwelt und sozialen Themen in den letzten Jahren verbessert haben und dadurch einen positiven Beitrag leisten, um unsere Welt nachhaltiger zu gestalten.

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