Amerikas einsame Rekordjagd, der Castrol-Schnitt und die China-Renaissance
Liebe Leserinnen und Leser,
während hierzulande die Gänsebraten im Ofen schmoren und die Handelsräume in Frankfurt verwaist sind, lohnt sich – vielleicht zwischen Hauptgang und Dessert – der Blick über den atlantischen Tellerrand. Denn die größte Volkswirtschaft der Welt hat gestern Abend, unmittelbar vor der Bescherung, ein Signal gesendet, das wir in Europa nicht ignorieren können.
Die Wall Street hat sich nicht in die Feiertage verabschiedet, sie hat sich in sie hineingekauft. Was wir gestern zum US-Handelsschluss sahen, war keine bloße Jahresendrallye, sondern eine Machtdemonstration der amerikanischen Konjunktur. Während wir uns in Deutschland oft in Krisendiskursen verfangen, schaffen die USA Fakten.
Lassen Sie uns gemeinsam auf diese paradoxe Mischung aus festlicher Stille in Europa und wirtschaftlicher Dynamik in Übersee blicken.
Das amerikanische Weihnachtswunder (in Zahlen)
Wer dachte, die Märkte würden das Jahr ruhig ausklingen lassen, wurde gestern eines Besseren belehrt. Der S&P 500 markierte am Heiligen Abend ein neues Allzeithoch und schloss bei 6.932 Punkten. Es ist der 39. Rekord in diesem Jahr.
Treibstoff dieser Bewegung ist nicht bloß die Hoffnung auf Zinssenkungen im Jahr 2026, sondern die schiere Wucht der realwirtschaftlichen Daten. Das US-Bruttoinlandsprodukt wuchs im dritten Quartal um annualisiert 4,3 Prozent – das stärkste Wachstum seit zwei Jahren und deutlich über den Prognosen.
Die Analyse: Wir sehen hier die Anatomie einer perfekten „Soft Landing", die eigentlich gar keine Landung mehr ist, sondern ein erneuter Steigflug. Die Arbeitsmarktdaten stützen dieses Bild: Die Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe fielen überraschend auf 214.000. Der US-Konsument (Ausgaben +3,5 %) erweist sich als unerschütterlicher Motor. Für europäische Anleger ist das ambivalent: Es stützt global die Kurse, setzt aber die EZB unter massiven Zugzwang, den Anschluss nicht komplett zu verlieren.
BPs Befreiungsschlag: Der Abschied vom Motorenöl
Während die Börsen feierten, wurde in London strategische Geschichte geschrieben. Der Energieriese BP verkündete gestern den Verkauf einer 65-prozentigen Mehrheit an der Traditionsmarke Castrol an den Investor Stonepeak.
Der Deal bewertet Castrol mit über 10 Milliarden Dollar, wobei BP rund 6 Milliarden Dollar netto zufließen. Das Management spricht von „Schuldenabbau" und einer „Beschleunigung der Strategie".
Der Kontext: Castrol ist eine Cash-Cow, aber sie gehört zur „alten Welt" der Verbrennungsmotoren. Dass BP hier die Kontrolle abgibt, ist ein klares Signal: Man trennt sich vom Tafelsilber der fossilen Ära, um die Bilanz für die Energiewende zu bereinigen. Für Aktionäre gab es ein direktes Weihnachtsgeschenk, da 800 Millionen Dollar der Erlöse in Aktienrückkäufe fließen könnten. Es ist der klassische Spagat der Öl-Multis im Jahr 2025: Die Vergangenheit verkaufen, um die Zukunft zu finanzieren.
Krypto-Winter oder nur Weihnachtspause?
Während die Aktienmärkte heute ruhen, blinken die Krypto-Ticker weiter. Doch die große Euphorie bleibt am ersten Weihnachtsfeiertag aus. Bitcoin pendelt um die Marke von 87.500 US-Dollar – solide, aber gut 30 Prozent unter dem Allzeithoch vom Oktober.
Interessant ist die Marktstruktur: Die „Wale" (Großinvestoren) halten sich zurück, die Zuflüsse auf Börsen wie Binance haben sich halbiert. Gleichzeitig sehen wir bei Altcoins wie ZCash plötzliche Sprünge von 10 Prozent, während XRP unter die wichtige Marke von 1,90 Dollar rutschte.
Die Einordnung: Die geringe Liquidität über die Feiertage ist trügerisch. Oft werden genau diese Phasen für Volatilitäts-Spikes genutzt. Dass Bitcoin trotz massiver ETF-Abflüsse in den letzten Tagen (über 188 Mio. Dollar am 24.12.) die 87.000er Marke hält, zeugt von einer gewissen Resilienz. Doch Vorsicht: Der „Fear & Greed Index" steht auf „Extreme Fear". Das ist oft ein Kontra-Indikator für Kaufchancen, mahnt aber zur Vorsicht vor dem „Falling Knife".
Tech-Splitter: Von China-iPhones und Roboter-Tankstellen
Zwei Meldungen aus dem Technologie-Sektor verdienen an diesem Feiertag besondere Beachtung, da sie zeigen, wohin die Reise 2026 gehen könnte:
- Apples China-Comeback: Totgesagte leben länger. Die iPhone-17-Auslieferungen in China sind im November um spektakuläre 128,4 Prozent gestiegen. Allen geopolitischen Spannungen zum Trotz bleibt die Marke im Reich der Mitte ein Statussymbol. Das stützt die Aktie, die sich bei rund 273 Dollar hält.
- Die Infrastruktur der Zukunft: Während wir noch über Ladesäulen diskutieren, plant die Industrie bereits den nächsten Schritt. Rocsys-CEO Crijn Bouman skizzierte die Notwendigkeit vollautomatisierter Laderoboter für kommende Robotaxi-Flotten. Wenn Tesla und Co. ihre autonomen Visionen wahrmachen wollen, wird das manuelle Einstecken von Ladekabeln zum Flaschenhals. Ein Nischenthema mit explosivem Potenzial.
Diese Entwicklung verdeutlicht einen größeren Trend, den Bernd Wünsche in seinem aktuellen Webinar analysiert: Die Robotik-Revolution steht vor einem bahnbrechenden Evolutionsschritt. Er zeigt, welche Unternehmen von der Automatisierung in Bereichen wie autonomes Fahren, Logistik und Industrie profitieren werden und wie Anleger sich jetzt positionieren können. Die Analyse umfasst konkrete Aktien mit Gewinnpotenzialen von bis zu +2.722 Prozent. Webinar zur Robotik-Revolution ansehen
Der Wermutstropfen: Politik und Streiks
Nicht überall herrscht Weihnachtsfrieden. In den USA sorgt das Justizministerium für Unmut, indem es die Veröffentlichung der Epstein-Akten erneut verzögert – angeblich wurden eine Million neuer Dokumente entdeckt. Das nährt Spekulationen und beschädigt das Vertrauen in Institutionen.
Und auch im Winterurlaub droht Ungemach: Im Nobel-Skiort Telluride streikt ab dem 28. Dezember die Skipatrouille. Ein lokaler Arbeitskampf, der jedoch symptomatisch für den anhaltenden Lohndruck im US-Dienstleistungssektor steht – ein Inflationsfaktor, den die Fed genau im Auge behalten wird.
Hierzulande blickt die Politik bereits auf die Zeit nach den Feiertagen: CDU-Verteidigungspolitiker Röwekamp brachte heute erneut die baldige Rückkehr zur Wehrpflicht ins Spiel – ein Thema, das nicht nur gesellschaftlich, sondern auch haushaltspolitisch im kommenden Jahr Brisanz entwickeln dürfte.
Quintessenz
Was nehmen wir mit in den zweiten Weihnachtsfeiertag?
Die Weltwirtschaft zeigt sich zum Jahresende 2025 robuster als befürchtet, getrieben von einer US-Lokomotive, die unter Volldampf steht. Für den DAX, der mit einem Jahresplus von fast 22 Prozent ein hervorragendes Jahr hinter sich hat (Deutsche Börse und Commerzbank glänzten hier besonders), sind das gute Vorzeichen für den Handelsstart nach den Feiertagen.
Das „Window Dressing" der Fondsmanager dürfte in den verbleibenden Handelstagen des Jahres noch für die eine oder andere kosmetische Kurskorrektur nach oben sorgen. Genießen Sie die Ruhe, solange sie anhält – die Märkte sammeln bereits Kraft für 2026.
Ich wünsche Ihnen weiterhin frohe Festtage und eine entspannte Zeit im Kreise Ihrer Liebsten.
Herzlichst,
Ihr
Eduard Altmann








