Liebe Leserinnen und Leser,

während Deutschland noch das Sommerloch pflegt, brodelt es in den Wirtschaftszentren der Welt gewaltig. Die vergangene Woche zeigte eindrucksvoll, wie schnell sich politische Machtspiele in handfeste ökonomische Verwerfungen übersetzen können – und warum Europa dringend eigene Antworten finden muss.

Trump'sche Innenpolitik: Der Griff nach dauerhafter Macht

Was nach demokratischer Normalität klingt, könnte Amerikas politische Landschaft für Jahrzehnte zementieren: Donald Trump drängt republikanisch regierte Bundesstaaten zu aggressiven Wahlkreisverschiebungen. Das klingt technisch, ist aber demokratiepolitischer Sprengstoff.

Texas prescht vor und schafft per Federstrich fünf sichere republikanische Sitze. Kalifornien kontert mit dem gleichen Trick für die Demokraten. Der Clou dabei: Die Republikaner kontrollieren 23 Bundesstaaten, die Demokraten nur 15. Rechnet man die erwarteten Bevölkerungsverschiebungen nach 2030 hinzu – allein Texas könnte vier neue Kongresssitze bekommen – zeichnet sich eine strukturelle republikanische Dominanz ab, die an die 40-jährige demokratische Herrschaft von 1955 bis 1995 erinnert.

Das Pikante daran: Fast 97% des Bevölkerungswachstums in Texas stammt aus hispanischen, schwarzen und asiatischen Communities. Genau jene Gruppen also, deren Wahlkraft die Republikaner durch geschicktes Neuzeichnen der Wahlkreise zu neutralisieren versuchen. "Wir schaffen im Grunde sichere Häfen für unsere Politik", gibt ein republikanischer Stratege unumwunden zu. Nur 36 der 435 Kongresswahlkreise gelten noch als umkämpft – die eigentlichen Wahlen finden in den Vorwahlen statt, wo die Hardliner dominieren.

Für europäische Beobachter mag das nach inneramerikanischen Querelen klingen. Doch eine auf Jahrzehnte zementierte republikanische Mehrheit hätte massive Auswirkungen auf Handelspolitik, Klimaabkommen und transatlantische Beziehungen. Die EU täte gut daran, sich auf ein Amerika einzustellen, das strukturell nach rechts rückt.

Cannabis-Kapitalismus: Zwischen Patientenversorgung und Milliardengeschäft

Die Doppelmoral könnte kaum größer sein: Während die US-Regierung über die Freigabe von Cannabis diskutiert, blockiert ausgerechnet das Pentagon seit Monaten klinische Studien mit der Pflanze. Der Pharmakonzern MMJ International Holdings sitzt seit fast einem Jahrzehnt auf fertigen Studienprotokollen für Cannabis-Medikamente gegen Huntington und Multiple Sklerose. Die Kapseln sind produziert, die FDA-Genehmigungen liegen vor – nur die Drogenbekämpfungsbehörde DEA mauert.

MMJ-Chef Duane Boise wird ungewöhnlich direkt: "Patienten warten seit einem Jahrzehnt. Wir haben alles – die Wissenschaft, die Produkte, die Genehmigungen. Nur die DEA steht im Weg." Trump, der einst das "Right to Try"-Gesetz für experimentelle Krebstherapien durchsetzte, könnte hier puncten. Die Ironie: Während die USA zaudern, erobern kanadische Cannabis-Firmen längst die globalen Märkte.

Die ökonomische Dimension ist gewaltig. Experten schätzen den US-Cannabis-Markt bis 2030 auf über 100 Milliarden Dollar. Doch hier zeigt sich ein systemisches Problem der Trump-Administration: Die Law-and-Order-Rhetorik kollidiert mit libertären Wirtschaftsinteressen. Das Ergebnis ist politische Lähmung, während Kanada und zunehmend auch europäische Länder Fakten schaffen.

Deutschlands Rentendebatte: Die unbequemen Wahrheiten

Während Amerika um Macht ringt, führt Deutschland eine Phantomdiskussion. Die Junge Gruppe der Union fordert Rente mit 70, gekoppelt an die Lebenserwartung. SPD-Ministerpräsident Schweitzer kontert mit Steuererhöhungen für Spitzenverdiener. Beide ignorieren die mathematische Realität: Ohne fundamentale Reformen kollabiert das System spätestens 2035.

Die Zahlen sind brutal: Die durchschnittliche Rentenbezugsdauer stieg von 10 Jahren (1960) auf heute 20 Jahre. Die Zahl der Beitragszahler pro Rentner fällt bis 2030 auf 1,5. CDU-Mann Pascal Reddig traut sich immerhin, das Offensichtliche auszusprechen: "Die Dauer des Rentenbezugs ist im Durchschnitt stark gestiegen. Das ist für die Rentenversicherung sehr teuer."

Doch statt über nachhaltige Lösungen zu diskutieren – kapitalgedeckte Säule, Bürgerfonds nach schwedischem Vorbild, flexiblere Übergänge – verliert sich die Politik in Symboldebatten. Die SPD will "Reiche" ab 20.000 Euro Monatseinkommen stärker belasten. Das betrifft vielleicht 100.000 Menschen und bringt maximal 2 Milliarden Euro – bei einer Rentenlücke von 30 Milliarden jährlich.

Die wahre Crux: Deutschland altert schneller als jedes andere Industrieland außer Japan. Gleichzeitig fehlen Hunderttausende Fachkräfte. Die logische Konsequenz – längeres Arbeiten bei gleichzeitig massiver Zuwanderung – ist politisch nicht vermittelbar. Also wurstelt man sich durch, bis die Demografie die Entscheidungen erzwingt.

Tech-Earnings: Nvidia als Seismograph der KI-Revolution

Mittwoch wird spannend: Nvidia legt Zahlen vor. Der Chiphersteller gilt als Gradmesser für den KI-Boom. Die Erwartungen sind astronomisch – und genau das macht nervös. Im ersten Halbjahr explodierten die Erlöse angeblich um 289% (Korrektur: Die tatsächlichen Wachstumsraten lagen deutlich niedriger, die Zahl bezog sich auf einen anderen Zeitraum).

Doch hinter den Kulissen rumort es. D-Wave Quantum, ein Quantencomputing-Pionier, verbrennt trotz Umsatzwachstum weiterhin Millionen. Der operative Verlust stieg auf 26,5 Millionen Dollar. Noch alarmierender: Führungskräfte verkaufen massiv eigene Aktien. Ein klassisches Warnsignal.

Die Parallelen zur Dotcom-Blase sind unübersehbar. Damals wie heute treiben Zukunftsversprechen die Kurse. Der Unterschied: KI liefert bereits konkrete Anwendungen. ChatGPT, Midjourney und Co. verändern tatsächlich Arbeitsprozesse. Die Frage ist nur: Rechtfertigt das Bewertungen jenseits von Gut und Böse? Das KGV von Nvidia liegt bei schwindelerregenden 70. Zum Vergleich: Apple kommt auf 30, die Deutsche Bank auf 7.

Für europäische Anleger ist das ein Dilemma. Einerseits will niemand die nächste Tech-Revolution verpassen. Andererseits mahnen die Erfahrungen von 2000 und 2008 zur Vorsicht. Die Lösung könnte in einer differenzierten Betrachtung liegen: Ja, KI verändert alles. Aber nicht jedes Unternehmen mit "AI" im Namen ist das nächste Google.

Die Woche voraus: Zwischen Konsum und Konjunktur

Die kommende Woche verspricht Aufschluss über die wahre Verfassung der Weltwirtschaft. Am Montag startet Temu-Mutter PDD Holdings mit Quartalszahlen. Der chinesische Amazon-Konkurrent wächst aggressiv, vernichtet aber Margen. Ein Vorgeschmack auf den Handelskrieg 2.0?

Mittwoch dann der Höhepunkt: Neben Nvidia berichten auch CrowdStrike (die Firma hinter dem Windows-Crash im Juli) und HP. Die Verbrauchervertrauensdaten aus USA und Deutschland zeigen, ob die Konsumenten noch mitspielen.

Donnerstag wird makroökonomisch: Das US-BIP gibt erste Hinweise auf Trumps Zollpolitik. Handelsminister Lutnick tönte kürzlich, die Trump-Wirtschaft sei "endlich angekommen". Die Zahlen werden zeigen, ob das Wunschdenken oder Realität ist.

Freitag schließlich der deutsche Daten-Marathon: Einzelhandelsumsätze, Arbeitslosigkeit und Inflation auf einen Schlag. Die Erwartungen sind gedämpft. Die Frage ist nur: Wie gedämpft?

Der Blick nach vorn

Was lehrt uns diese Woche? Erstens: Politik und Wirtschaft sind untrennbar verwoben, aber nicht immer kompatibel. Trumps Machtspiele mögen kurzfristig funktionieren, langfristig untergraben sie das Vertrauen in demokratische Institutionen – Gift für Märkte, die auf Berechenbarkeit angewiesen sind.

Zweitens: Europa muss endlich eigene Antworten finden. Ob Cannabis-Medizin, Künstliche Intelligenz oder Altersvorsorge – überall hinken wir hinterher, gefangen zwischen amerikanischer Dynamik und eigener Regulierungswut.

Drittens: Die wahren Herausforderungen – Demografie, Klimawandel, technologischer Umbruch – werden von Scheindebatten überlagert. Während wir über Rente mit 70 streiten, arbeiten die Dänen bis 73. Während wir KI regulieren, bauen die Amerikaner die Zukunft.

Vielleicht ist es Zeit für weniger Ideologie und mehr Pragmatismus. Die Märkte jedenfalls honorieren Ehrlichkeit mehr als Wunschdenken. In diesem Sinne: Schauen wir, was die Woche bringt. Die Realität hat die Angewohnheit, sich durchzusetzen – früher oder später.

Einen klaren Blick in unruhigen Zeiten wünscht Ihnen

Eduard Altmann

P.S.: Kleine Randnotiz für Rohstoff-Fans: Kaffee legte letzte Woche satte 14% zu. Bei Rente mit 70 werden wir das alle brauchen.

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