Wirtschaftskrieg 2.0: Trump droht China, Deutschland wartet ab

Wirtschaftskrieg 2.0: Trump droht China, Deutschland wartet ab
Guten Tag aus Frankfurt,
während sich die Welt noch an die ersten Tage von Donald Trumps zweiter Präsidentschaft gewöhnt, zeichnen sich bereits die Konturen eines neuen globalen Wirtschaftsgefüges ab. Die Drohung mit 100-Prozent-Zöllen gegen China, die überraschende Freilassung der letzten Hamas-Geiseln und düstere Signale aus der deutschen Industrie – selten war ein Montagmorgen so ereignisreich. Und das ist erst der Anfang.
Der Handelskrieg, der keiner sein soll
"Macht Euch keine Sorgen wegen China, alles wird gut", schreibt Trump auf Social Media. Doch seine Taten sprechen eine andere Sprache: 100 Prozent Strafzölle ab dem 1. November, sollte Peking nicht einlenken. Die Märkte reagieren zwiespältig – Ölpreise steigen wieder leicht, nachdem sie auf Fünfmonatstief gefallen waren. Der Grund? Die vage Hoffnung auf ein Treffen zwischen Trump und Xi Jinping beim APEC-Gipfel in Südkorea.
Was in Washington als Verhandlungstaktik durchgehen mag, ist für deutsche Unternehmen bittere Realität. "Selbst deutsche Unternehmen, deren Produkte nur minimale Mengen seltener Erden enthalten, fallen nun unter die neuen Exportkontrollen", warnt Maximilian Butek von der Deutschen Handelskammer in Ostchina. China kontert nämlich mit eigenen Waffen: Weitere fünf der 17 seltenen Erden sollen nur noch mit Genehmigung exportiert werden dürfen.
Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Chinas Exporte nach Deutschland legten im September um 10,9 Prozent zu, die deutschen Importe nach China nur um magere 1,8 Prozent. Der Grund liegt nicht nur in der schwachen Nachfrage, sondern auch in einer strategischen Verschiebung: Deutsche Unternehmen produzieren zunehmend in China für China – getrieben von hartem Wettbewerb und regulatorischen Vorgaben.
Deutsche Industrie: Zwischen Hoffen und Bangen
Die Stimmung in deutschen Chefetagen? Düster. Der neue Deloitte-Report zeichnet ein ernüchterndes Bild: Die Geschäftsaussichten stagnieren bei einem Indexwert von gerade einmal 1 Prozent. Besonders dramatisch ist die Lage im verarbeitenden Gewerbe mit minus 3 Prozent. Drei Viertel der Unternehmen im Maschinenbau und der Automobilindustrie planen Stellenabbau – ein Alarmsignal für den Standort Deutschland.
Ein Hoffnungsschimmer kommt überraschend vom Dienstleistungssektor: Technologieunternehmen und die Immobilienwirtschaft erwarten ein Wachstum ihrer Belegschaften. Die Indexwerte von 33 bzw. 36 Prozent stehen in krassem Kontrast zur Industrie-Misere. "Der von der Politik besonders in den Blick genommene verarbeitende Sektor bleibt nach wie vor zurück", analysiert Deloitte-Chefökonom Alexander Börsch trocken.
Grant Thornton Deutschland geht derweil eigene Wege: Eine strategische Partnerschaft mit dem Private-Equity-Riesen Cinven soll frisches Kapital und Know-how bringen. Die Botschaft ist klar – wer in Deutschland wachsen will, braucht internationale Partner mit tiefen Taschen.
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Apropos Technologieunternehmen: Während deutsche Industriewerte auf der Stelle treten, entstehen im Chip-Sektor derzeit neue Wachstumspole – befeuert durch den globalen Wettlauf zwischen den USA, China und Europa. Wer verstehen will, welche europäischen Tech-Firmen von diesem Trend profitieren könnten, findet hier eine aktuelle Analyse zum Megatrend Halbleiter 2025, inklusive Blick auf den mutmaßlichen Nachfolger von Nvidia.
Der Gaza-Deal und seine wirtschaftlichen Folgen
Während in Tel Aviv Menschen jubeln über die Freilassung der Geiseln nach 738 Tagen, rechnen Ökonomen bereits die wirtschaftlichen Konsequenzen des Trump'schen Friedensplans durch. Der US-Präsident verkündet vollmundig "Der Krieg ist zu Ende" und reist zum Triumphzug nach Israel und Ägypten.
Doch was bedeutet das für die Märkte? Die Ölpreise, die wegen der Gaza-Waffenruhe zunächst gefallen waren, erholen sich bereits wieder. Analysten sehen weniger den Nahost-Frieden als vielmehr die US-China-Spannungen als Preistreiber. Goldman Sachs bringt es auf den Punkt: "Das wahrscheinlichste Szenario ist, dass beide Seiten von den aggressivsten Maßnahmen zurückweichen und die Gespräche zu einer weiteren – möglicherweise unbegrenzten – Verlängerung der Zollpause führen."
Shutdown-Theater mit Ansage
In Washington herrscht derweil organisiertes Chaos: Der Regierungs-Shutdown geht in die zweite Woche, tausende Bundesbedienstete erhalten Kündigungen. Dann die Kehrtwende: Hunderte werden zurückgerufen, um wichtige Wirtschaftsdaten zu veröffentlichen. Die Verbraucherpreise für September sollen nun doch am 24. Oktober kommen – entscheidend für die Fed und die Märkte.
Die Seuchenschutzbehörde CDC schickt erst 1.300 Mitarbeiter nach Hause, nimmt dann Hunderte Kündigungen zurück. Es wirkt wie eine bizarre Inszenierung, bei der niemand genau weiß, wer Regie führt. Gesundheitsminister Robert F. Kennedy Jr., bekannt für seine Impfskepsis, nutzt die Gelegenheit für einen Umbau der Behörde. "Die korrupteste Regierungsbehörde", nennt er die CDC – während er gleichzeitig kritische Mitarbeiter wieder einstellen muss.
Blick nach vorn: Was diese Woche wichtig wird
Die kommenden Tage versprechen weitere Turbulenzen. Am Dienstag trifft Trump Netanyahu in Washington – die Gespräche über Handelserleichterungen für Israel dürften auch deutsche Exporteure interessieren. Am Donnerstag kommen Chinas Wachstumszahlen für das dritte Quartal – Analysten rechnen mit Überraschungen angesichts der jüngsten Exportdaten. Und die EZB? Die bereitet sich still auf ihre nächste Sitzung Ende Oktober vor, während die Märkte rätseln, ob die Zinspause angesichts der globalen Unsicherheiten verlängert wird.
Die deutsche Wirtschaft steht an einem Wendepunkt. Zwischen amerikanischem Protektionismus und chinesischer Gegenwehr muss Europa seinen eigenen Weg finden. Die Frage ist nur: Hat Berlin dafür überhaupt noch die politische Kraft?
Bis morgen aus dem Herzen des Finanzdistrikts,
Eduard Altmann