BÖRSE EXPRESS: Erstmals hat Mayr-Melnhof in einem 2. Quartal ein EBITDA größer 100 Millionen Euro erreicht. Dürfen wir uns daran gewöhnen?

WILHELM HÖRMANSEDER: Die 100 Millionen sind jedenfalls eine Benchmark, die wir nicht immer überspringen werden. Aber wie heißt es: Nach dem Rekord ist vor dem Rekord. Jedenfalls möchten wir unseren Weg weitergehen: nie wirklich spektakulär – aber auch nie wirklich enttäuschend zu sein.

 

BÖRSE EXPRESS: Hauptverantwortlich für den diesmal überschrittenen 100er ist die jüngste Übernahme der Tann-Gruppe. Sie sind seit 2002 CEO und unter Ihrer Ägide wurde der Anteil des Zigarettengeschäfts am Umsatz sukzessive von rund 10 nun auf etwa 30 Prozent erhöht. Ich gehe dabei nicht darauf ein, dass Sie Nichtraucher sind. Aber: Jetzt ist die Zigarette auf Sicht ein stagnierender bis schrumpfender Markt, mit aktuellen Ausnahmen wie Asien und Afrika. Warum die Zigarette? Und wie – die Mayr-Melnhof-Aktie ist in zahlreichen Nachhaltigkeitsindizes enthalten – wird dieses Geschäft aus Sicht von ESG-Investoren beurteilt? Und letzter Punkt dazu: Welch‘ reale Vorteile hat es am Kapitalmarkt nachhaltig zu sein?

WILHELM HÖRMANSEDER: Zur Zigarette: Wir waren nie zeitgeistig, auch wenn wir technologisch zur absoluten Spitze der Branche gehören. Um gute Geschäfte zu machen, gehört wahrscheinlich auch ein Schuss Opportunismus dazu. Wenn sich die Gelegenheit ergibt, ein Geschäft zu entwickeln, dann muss man das machen.

Es stimmt, der Markt wächst nicht, ist sehr reif. Andererseits ist er aber technologisch anspruchsvoll, womit dieser Markt hohe Zutrittsbarrieren für Konkurrenten aufweist.

Und: ein großer, reifer Markt mit guter Marge ist ein ideales Aufmarschgebiet für jemanden, der effizienzorientiert ist – wir haben das als Geschäftsmodell.

Zum Kapitalmarkt: Natürlich gibt es bei einigen Fonds Hürden, die ein Investment ausschließen. Der Nachhaltigkeitsbegriff weist aber sehr unterschiedliche Definitionen auf. Und sagen wir es vielleicht so: ich habe in meiner gesamten Berufslaufbahn keinen Analysten kennen gelernt, der uns höhere Multiples rein aus der Nachhaltigkeit heraus gegeben hätte. Sie gehört zu einer guten Governance – und bei uns ist der Aspekt der Nachhaltigkeit originär durch das Produkt Kartonverpackung und den Produktionsprozess aus Recycling-Papier seit je gegeben.

 

BÖRSE EXPRESS: Wenn man sich die Zeit seit Ihrem Amtsantritt ansieht fällt mehreres auf: Der Anteil von Karton zu Faltschachtel hat sich von 60 zu 40 auf 40 zu 60 Prozent gedreht, Sie kaufen lieber zu als eine Green-Field-Operation zu starten, obwohl Sie sagen Technologieführer zu sein – und die Zukäufe sind in der Regel privat geführte Unternehmen und nicht börsengelistet. Gleichzeitig wurde damit der Umsatz in dieser Zeit um rund drei Viertel gesteigert und der Gewinn verdoppelt. Was für eine „Strategie“ steckt dahinter?

WILHELM HÖRMANSEDER: In unserer Industrie gibt es wenig börsennotierte Mitbewerber in kaufbarer Größe. Und es gilt zu bedenken, dass wir Commodity-Produkte erzeugen. Bei diesen geht der Preis immer nach Süden. Wer glaubt, dass es anders ist, wird mit der Marge ein Problem haben. Commodity heißt, dass man eine gewisse Mindestgröße braucht, um substanzielle Fortschritte in der Effizienz zu realisieren. Alle Unternehmen, die wir kauften, waren bereits ausgezeichnet gemanagt, daher gab es bei uns bisher auch nie Impairment-Abschreibungen auf Zukäufe. Aber wenn wir übernehmen, geht bei der Rentabilität, der Effizienz immer noch ein Stück mehr. Mit Green-bzw. Brown-Field folgen wir unseren Kunden bei deren Expansion wie z.B. zuletzt in Polen, der Türkei, oder im Mittleren Osten und Fernost.

 

BÖRSE EXPRESS: Apropos Rentabilität: 2018 erzielte Mayr-Melnhof eine Umsatzrendite von 7,0 Prozent. Wünschen Sie manchmal nicht börsennotiert zu sein, auf dass solche Zahlen nicht Begehrlichkeiten Ihrer Kunden wecken?

WILHELM HÖRMANSEDER: Es ist eher umgekehrt: Ich konfrontiere unsere Verkaufsorganisation mit den Margen unserer großen Kunden. Da gibt es Werte, die wir eher nicht erreichen werden, verbessern muss man sich aber immer wollen.

 

BÖRSE EXPRESS: Mit der Tann-Übernahme haben Sie nun auch einzelne Werke in Kanada, China und den Philippinen, während Sie in der Regel versuchen, über Standort-Verbunde zu arbeiten. Jetzt nehme ich nicht an, dass diese neuen Standorte gleich wieder verkauft werden – also die Basis für nächste Wachstumsschritte?

WILHELM HÖRMANSEDER: Unser globaler Footprint, wie es heute heißt, hat sich damit vergrößert und bringt uns näher an den Kunden. Ein Footprint in die richtige Richtung – dorthin, wo die Musik spielt, sprich Wachstum ist. Ziel ist, an diesen vorerst Einzelstandorten, zusätzliche Kapazitäten für unsere Produktpalette in der Faltschachtelschachtel zu schaffen – Grundstücke, Logistikstrukturen und die meisten Genehmigungen sind ja bereits vorhanden.

 

BÖRSE EXPRESS: Vom globalen Footprint ist es nicht weit zum weltumspannenden Handels- und Zollstreit. Ist das etwas, das Mayr-Melnhof betrifft, oder ist das Geschäft zu regional dafür?

WILHELM HÖRMANSEDER: Die Ausdehnung des globalen Footprints wird immer wichtiger. Ich weiß jetzt nicht, ob Zölle etc. die Tendenz verstärken, aber es gab bereits vorher den Versuch großer Kunden, die Lieferkette möglichst zu verkürzen, was bei diesen auch Lagerkosten spart: der Trend geht Richtung regionaler Partnerschaften. Da ist es natürlich gut, wenn uns dieser große Kunde bereits aus einer anderen Region als verlässlichen Lieferanten kennt. Das Gute an dieser Situation: unsere globalen Kunden wachsen durch Akquisitionen. Wir können dann mitgehen, ohne das sonst vorhandene Absatzrisiko zu haben.

Eine globale Präsenz verringert auch die Volatilität im Gesamtkonzern, sorgt für einen ausbalancierenden Effekt: Europa, Türkei, Russland, Mittlerer Osten, Lateinamerika– wir sind überall tätig, große Volatilität ins Ergebnis brachte aber keiner davon.

Das passt auch zur Genetik des Unternehmens. Der Mehrheitseigentümer, die Familien Mayr-Melnhof und Goess-Saurau, haben die gleichen Vorstellungen wie ein langfristiger Investor, etwa eine Pensionskasse: wir sollen vernünftig wachsen und dabei Ergebnis und Dividende steigern – und das mit einer gewissen Sicherheit. 

 

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