Wiener Mieturteile: OGH schafft neue Realitäten

Zwei wegweisende Urteile des Obersten Gerichtshofs krempeln den Wiener Mietmarkt um. Was Mieter und Vermieter jetzt wissen müssen – und warum der Mietenstopp nur die halbe Wahrheit ist.
Der Wiener Wohnungsmarkt steht vor einem Wendepunkt. Während ein gesetzlicher Mietenstopp 1,2 Millionen Haushalte entlastet, schaffen höchstrichterliche Urteile gleichzeitig neue Spielregeln. Das Ergebnis: Ein gespaltener Markt mit klaren Gewinnern und Verlierern.
Indexklauseln sind wasserdicht – Mieter haben das Nachsehen
Das OGH-Urteil vom 30. Juli 2025 räumt mit jahrelanger Unsicherheit auf. Die sogenannte "Zweimonats-Sperre" aus dem Konsumentenschutzgesetz gilt nicht für langfristige Mietverträge. Konkret: Vermieter dürfen Mieten auch kurz nach Vertragsabschluss an die Inflation anpassen.
Für Mieter bedeutet das eine bittere Realität. Anfechtungen von Mieterhöhungen werden praktisch unmöglich – sofern die Wertsicherungsklausel transparent formuliert ist. Die Branche feiert die "Beruhigung des Marktes", während Mieterschützer vor steigenden Belastungen warnen.
Betriebskosten: Vermieter dürfen mehr abwälzen
Auch bei den Nebenkosten stärkt der OGH die Vermieterseite. Anfang September bestätigte das Höchstgericht: Versicherungsprämien, Hausbetreuung, Verwaltungskosten und Grundsteuer dürfen rechtmäßig auf Mieter übertragen werden.
Die Wirtschaftskammer jubelt über "wichtige Rechtssicherheit". Doch was heißt das für Mieter? Ihre Betriebskostenabrechnungen werden komplexer – und teurer. Experten raten zur genauen Prüfung: Nicht alle Kosten sind übertragbar, und die Vertragsklauseln müssen eindeutig sein.
Mietenstopp 2025: Schutz nur für die Hälfte
Das 4. Mietrechtliche Inflationslinderungsgesetz schützt zwar 1,2 Millionen österreichische Haushalte vor Mieterhöhungen. Aber: Freie Mieten und angemessene Mietzinse bleiben außen vor.
Diese Zweiteilung verstärkt die Marktspaltung dramatisch. Während regulierte Altbauwohnungen im Preisstopp verharren, explodieren die Kosten im unregulierten Segment. Die Folge: Wer eine neue Wohnung sucht, zahlt die Zeche für alle anderen.
Zweitwohnsitze und Leerstand: Politik im Wartezustand
Die versprochene Zweitwohnsitzabgabe bleibt ein Papiertiger. Wien verschob die Einführung bereits im Oktober 2024 – offiziell wegen neuer Bundesgesetze zur Leerstandsabgabe.
Die Grünen fordern eine gestaffelte Lösung gegen spekulativ leerstehende Wohnungen. Doch während die Politik debattiert, verschärft sich die Wohnungsnot. Ein Paradox: In einer Stadt mit Wohnungsmangel bleiben Tausende Wohnungen ungenutzt.
2026: Das Ende des Mietenschutzes naht
Der aktuelle Mietenstopp läuft aus. Ab 2026 sind Erhöhungen wieder möglich – wenn auch auf fünf Prozent gedeckelt. Gleichzeitig erreichen die Wohnungsfertigstellungen 2025 einen Tiefstand.
Die Prognose der Experten ist eindeutig: Der Markt wandelt sich vom Käufer- zum Verkäufermarkt. Für Wohnungssuchende bedeutet das: Die goldenen Zeiten sind vorbei.
Wer in Wien eine Wohnung hat oder sucht, sollte die neuen Spielregeln kennen. Die OGH-Urteile mögen für Rechtssicherheit sorgen – günstigeren Wohnraum schaffen sie nicht.