Wiener Gewerbeimmobilien: ESG-Kriterien spalten den Markt

Der österreichische Gewerbeimmobilienmarkt durchlebt eine Zeitenwende. Während moderne, nachhaltige Objekte Höchstpreise erzielen, geraten ältere Bestände unter massiven Druck. Nach einer Phase der Preiskorrekturen zeigen sich erste Erholungszeichen – doch die Spaltung zwischen grün und grau wird immer deutlicher.
Büromarkt Wien: Weniger Fläche, mehr Qualität
Der Wiener Büromarkt präsentiert sich zweigeteilt. Die Vermietungsleistung sank im ersten Halbjahr auf 74.100 Quadratmeter – ein deutlicher Rückgang zum Vorjahr. Homeoffice und neue Arbeitsmodelle dämpfen die Nachfrage nach Büroflächen.
Dennoch bleibt die Leerstandsquote mit 3,56 Prozent historisch niedrig. Der Grund: Unternehmen suchen gezielt nach hochwertigen, ESG-konformen Flächen. Für zertifizierte Gebäude mit innovativen Energiekonzepten zahlen sie gerne mehr.
Die Spitzenmieten halten sich stabil bei 28,50 Euro pro Quadratmeter. Wer allerdings auf nicht-nachhaltige Objekte setzt, muss mit Wertverlusten rechnen.
Logistiksektor bremst ab
Nach dem Boom der Vorjahre hat sich der Logistikmarkt 2025 deutlich abgekühlt. Die Vermietungen brachen um 57 Prozent ein – Experten korrigierten ihre Jahresprognosen drastisch nach unten.
Gleichzeitig verschärfen sich die Spielregeln. ESG-Zertifizierungen sind zum Standard geworden, Flexibilität und Nachhaltigkeit definieren den Markt neu. Ein zusätzliches Problem: Viele Gemeinden vergeben restriktiv Neuwidmungen für Logistikflächen. Das verknappt das Angebot und treibt die Preise.
Investment-Zurückhaltung mit ersten Hoffnungszeichen
Das Transaktionsvolumen im ersten Quartal lag bei nur 270 bis 300 Millionen Euro – deutlich unter den Vorjahreswerten. Lokale Investoren dominierten mit 88 Prozent den Markt, internationale Akteure hielten sich zurück.
Gründe für die Flaute:
* Erschwerte Finanzierungsbedingungen
* Wirtschaftliche Unsicherheit
* Abwartende Haltung bei Preisfindung
Doch es gibt Lichtblicke: Die Phase der Preiskorrekturen scheint beendet. Analysten erwarten sinkende Renditen und steigende Aktivität, sobald die EZB die Leitzinsen weiter senkt.
ESG wird zur Marktmacht
Die größte Dynamik geht von den ESG-Kriterien aus. Gebäude ohne Nachhaltigkeitszertifikat mutieren zu schwer vermietbaren "Stranded Assets". Zertifizierte Immobilien erzielen dagegen einen "Green Premium" mit Mietaufschlägen bis zu zehn Prozent.
Dieser Trend verstärkt sich durch EU-Taxonomie-Verordnung und das Energieeffizienzgesetz. Die Finanzmarktaufsicht warnt bereits vor steigenden Kreditrisiken – die Quote notleidender Kredite im Gewerbesektor kletterte auf 5,4 Prozent.
Ausblick: Sanierung statt Neubau
Experten erwarten eine moderate Erholung in den kommenden Monaten. Die EZB-Zinspolitik soll als Impulsgeber wirken und das Investorenvertrauen stärken.
Der Fokus verschiebt sich auf Bestandssanierung und Neupositionierung alter Immobilien. Diese "Brownfield-Entwicklung" soll sowohl Nachhaltigkeitsziele erreichen als auch dem Flächenmangel entgegenwirken.
Während der Büromarkt zwischen Kostendruck und Qualitätsanspruch balanciert, könnte der Logistiksektor bei konjunktureller Erholung schnell wieder Fahrt aufnehmen. Selektiv agierende, kapitalstarke Investoren finden trotz aller Herausforderungen attraktive Chancen.