Wien steuert direkt auf eine der schwersten Wohnungskrisen seit Jahrzehnten zu. Der Neubau ist praktisch zum Erliegen gekommen – mit dramatischen Folgen für Mieter.

Die Zahlen sind alarmierend: 2025 entstehen voraussichtlich nur noch 9.400 neue Wohnungen in Wien. Das entspricht einem Einbruch von 42 Prozent gegenüber 2023. Besonders hart trifft es den freien Mietmarkt: Hier werden über 50 Prozent weniger Wohnungen fertig als noch vor zwei Jahren.

Die Folgen spüren Wohnungssuchende bereits im Portemonnaie. Die Angebotsmieten erreichten im September einen Rekordwert von 20,42 Euro pro Quadratmeter – neun Prozent mehr als vor einem Jahr.

Explodierende Kosten würgen Baubranche ab

Ein toxischer Mix aus steigenden Baukosten, hohen Zinsen und verschärften Kreditregeln bringt die Bauträger in die Knie. Die Baukosten sind seit 2010 um fast 50 Prozent gestiegen. Dazu kommen langwierige Genehmigungsverfahren, die Projekte zusätzlich verteuern.

Viele Entwickler ziehen sich komplett aus dem Mietwohnungsbau zurück. Stattdessen setzen sie auf den Verkauf von Eigentumswohnungen, wo die Renditen höher sind.

Mietmarkt am Limit: Eine 60-m²-Wohnung kostet über 1.200 Euro

Das schrumpfende Angebot treibt die Preise weiter nach oben. Erstmals liegt die durchschnittliche Miete inklusive Betriebskosten über 10 Euro pro Quadratmeter. Eine 60-Quadratmeter-Wohnung kostet damit oft mehr als 1.200 Euro monatlich.

Selbst in ehemaligen Arbeiterbezirken wie Ottakring klettern die Mieten für kleine Wohnungen auf über 20 Euro pro Quadratmeter. Für viele Wiener wird das eigene Zuhause zum Luxusgut.

2026 droht historischer Tiefstand

Die Lage wird sich weiter verschärfen. Experten prognostizieren für 2026 einen weiteren Einbruch der Bauaktivität um bis zu 40 Prozent. Im Mietwohnungssegment könnte der Rückgang sogar über 50 Prozent betragen.

Der Grund: 2024 wurden bereits so wenige Baugenehmigungen erteilt wie seit 2010 nicht mehr. Diese Projekte fehlen nun in der Pipeline der kommenden Jahre.

Wiens Sozialmodell wackelt

Wien galt jahrzehntelang als Vorbild für leistbares Wohnen. Über 60 Prozent der Wiener leben in Gemeinde- oder geförderten Wohnungen. Doch der Einbruch im privaten Sektor, der zuletzt 73 Prozent des Neubaus stellte, bringt dieses Gleichgewicht ins Wanken.

Der gemeinnützige Sektor kann den massiven Rückgang nicht kompensieren. Die soziale Spaltung auf dem Wohnungsmarkt droht sich zu verschärfen.

Politik unter Zugzwang

Die Immobilienwirtschaft fordert schnelle Reformen: weniger Bürokratie, effizientere Genehmigungen und flexiblere Bauvorschriften. Die jüngsten Zinssenkungen der EZB könnten zwar die Nachfrage nach Eigentumswohnungen beleben – lösen aber nicht das Grundproblem des fehlenden Mietwohnungsangebots.

Ohne massive Investitionen und grundlegende Reformen wird die Wohnungsfrage zur sozialen Zeitbombe für Wien.