Die internationale Kunstszene blickt gespannt nach Wien. Die österreichische Hauptstadt startet mit einer beeindruckenden Dichte hochkarätiger Ausstellungen in die Herbstsaison.

Statt auf bewährte Blockbuster zu setzen, wagen die führenden Museen den Sprung zu tiefgreifenden Themen: die Wiederentdeckung vergessener Künstlerinnen, okkulte Einflüsse auf die Moderne und spannende Dialoge zwischen verschiedenen Epochen. Diese kuratorische Neuausrichtung unterstreicht Wiens Position als dynamisches Zentrum für anspruchsvolle Kulturerlebnisse.

Sensation im KHM: Vergessenes Barock-Genie wiederentdeckt

Das Kunsthistorische Museum setzt das bedeutendste Highlight der Saison: "Michaelina Wautier. Malerin" läuft vom 30. September bis 22. Februar 2026. Die Schau widmet sich einer der wichtigsten Künstlerinnen des 17. Jahrhunderts, deren Werk über Jahrhunderte weitgehend unbekannt blieb.

Die Ausstellung bietet erstmals die Gelegenheit, nahezu das gesamte Œuvre der niederländischen Barockmalerin zu entdecken. Ihr Talent stand dem berühmter Zeitgenossen wie Peter Paul Rubens in nichts nach. Ein Großteil der Werke stammt aus den habsburgischen Sammlungen – zusammengetragen von Erzherzog Leopold Wilhelm, der bereits damals die herausragende Qualität erkannte.

Belvedere und Albertina: Impressionismus trifft Gothic

Das Belvedere zeigt ab 25. September "Cézanne, Monet, Renoir" – Meisterwerke aus der Schweizer Sammlung der Villa Langmatt. Diese gilt als eine der frühesten und bedeutendsten Privatsammlungen des französischen Impressionismus mit Werken von Paul Gauguin, Paul Cézanne und Pierre-Auguste Renoir.

Die Albertina schlägt eine überraschende Brücke: "Gothic Modern" beleuchtet, wie sich Künstler wie Edvard Munch, Max Beckmann und Käthe Kollwitz bewusst von mittelalterlicher Ästhetik inspirieren ließen. Ende Oktober folgt eine umfassende Retrospektive der einflussreichen Wiener Fotografin Lisette Model.

Okkultismus und Design: Leopold Museum und MAK überraschen

Das Leopold Museum entführt ab September in die "Verborgene Moderne" und untersucht die "Faszination des Okkulten um 1900". Die Ausstellung beleuchtet den Einfluss von Theosophie und Spiritismus auf die Entstehung der abstrakten Kunst.

Warum beschäftigen sich so viele Häuser mit ungewöhnlichen Themen? Das MAK gibt eine Antwort: Am 1. Oktober eröffnet "TURNING PAGES. Künstler*innenbücher der Gegenwart" und taucht tief in das Buch als eigenständiges künstlerisches Medium ein. Die Vienna Design Week läuft noch bis 5. Oktober und präsentiert aktuelle Strömungen in Produktdesign und Architektur.

Strategie: Tiefe statt Blockbuster

Die Ausstellungshighlights zeichnen ein klares Bild: Wien setzt auf wissenschaftliche Sorgfalt statt reine Besuchermagneten. Programme wie die Fokussierung auf Michaelina Wautier oder okkulte Einflüsse sprechen gezielt ein gebildetes, internationales Publikum an.

Dieser Ansatz kombiniert mit Nischen-Events wie dem "Forward Festival Vienna" oder der "Sake Week Vienna" im MuseumsQuartier stärkt Wiens Ruf als Kulturmetropole für Authentizität und Exklusivität. Die "Lange Nacht der Museen" am 4. Oktober öffnet 130 Wiener Institutionen und macht das reiche Angebot einem breiten Publikum zugänglich.

Ausblick: Winter voller Höhepunkte

Der kulturelle Kalender bleibt prall gefüllt. Die Viennale läuft vom 16. bis 28. Oktober, im Ronacher startet "Maria Theresia – Das Musical".

Was kommt danach? Im Dezember widmet das MAK Modedesigner Helmut Lang eine große Personale. Die Albertina setzt mit einer Ausstellung zur Faszination von Papier als künstlerischem Material fort. Wien beweist eindrucksvoll: Historisches Erbe und zukunftsorientierte Programmgestaltung entfalten gemeinsam eine einzigartige globale Anziehungskraft.