Die Wiener Baubranche kämpft mit hohen Kosten und rückläufigem Neubau – gleichzeitig startet die Stadt ihr bisher innovativstes Gemeindebau-Projekt. Ein Blick auf einen Sektor zwischen Aufbruch und Herausforderungen.

In der Donaustadt ging diese Woche der Spatenstich für einen besonderen Gemeindebau über die Bühne: 25 Millionen Euro investiert die Stadt in 94 neue Wohnungen mit revolutionärer Energietechnik. Parallel dazu kämpft die gesamte Branche mit Kostensteigerungen und drohendem Wohnungsmangel.

Premiere: Grundwasser heizt und kühlt Gemeindebau

Wien bricht mit seinem 25. "Gemeindebau NEU" in der Weidingergasse neue Wege. Erstmals kommt eine Wasser-Wasser-Wärmepumpe zum Einsatz, die Grundwasser zum Heizen und Kühlen nutzt. Bis 2027 entstehen so 94 Wohnungen plus Kindergarten – alle ohne Eigenmittel und Kaution vermietbar.

"Das ist die Zukunft des sozialen Wohnens", betonte Vizebürgermeisterin Kathrin Gaál beim Spatenstich. 205 Fahrradstellplätze, darunter Plätze für Lastenräder, runden das nachhaltige Konzept ab.

Baukosten steigen – Neubauzahlen stürzen ab

Die Erfolgsmeldung überschattet eine düstere Branchenrealität: Wohnhaus-Baukosten kletterten laut Statistik Austria bereits um 1,6 Prozent. Haupttreiber sind die Lohnkosten nach neuen Kollektivverträgen.

Die Folge? Experten prognostizieren für 2025 einen historischen Tiefpunkt: 38 Prozent weniger fertiggestellte Wohnungen als 2023. Betroffen sind sowohl freie als auch geförderte Projekte.

Wiens Antwort: Die "Wohnbau-Offensive 2024+" soll 22.200 geförderte Wohnungen in den Startlöchern halten.

Seestadt Aspern: Wachstum unter Kostendruck

Europas größtes Stadtentwicklungsprojekt wächst weiter, spürt aber ebenfalls den Gegenwind. Die Bauplätze H1 und H5 am Seeufer starten Mitte 2025, das "Seecarré" mit 370 Wohnungen läuft noch im Bewerbungsverfahren bis März.

Doch auch hier machen sich steigende Kosten bemerkbar. Die Fertigstellung bis 2028 hängt zudem an Infrastrukturprojekten wie der S1-Spange und dem umstrittenen Lobautunnel ab.

Markt stabilisiert sich – Preise steigen wieder

Nach Jahren des Rückgangs zeigt der Wiener Immobilienmarkt erste Erholungszeichen. Für 2025 erwarten Experten Preissteigerungen von 3,4 Prozent bei gleichzeitig steigender Nachfrage (plus 6 Prozent).

Der drastische Neubau-Rückgang verschärft jedoch die Situation: Weniger Angebot treibt besonders die Preise für Erstbezugswohnungen nach oben. Die Kluft zwischen teurem Neubau und Gebrauchtmarkt wächst.

Zwischen Innovation und Realismus

Die kommenden Monate entscheiden über die Zukunft der Wiener Baubranche. Während sich Materialpreise stabilisieren, bleiben Lohnkosten und Fachkräftemangel die großen Hürden.

Projekte wie der neue Gemeindebau beweisen: Nachhaltiges Bauen funktioniert auch im sozialen Wohnbau. Ob die "Wohnbau-Offensive" genug Schwung entwickelt, um dem drohenden Wohnungsmangel entgegenzuwirken, wird sich bald zeigen müssen.