Wien: Mietpreise steigen um neun Prozent

Die Mietpreise in Wien explodieren. Während die Angebotsmieten auf Rekordhöhen klettern, bricht der Neubau ein. Für eine 60-Quadratmeter-Wohnung zahlen Mieter mittlerweile über 1.200 Euro - Tendenz steigend. Kann das berühmte Wiener Wohnmodell diese Krise noch abfedern?
Neubau-Stopp verschärft Wohnungsknappheit
Die Zahlen sind alarmierend: Im ersten Quartal 2025 erreichten die Angebotsmieten durchschnittlich 20,42 Euro pro Quadratmeter - ein Anstieg von neun Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die durchschnittliche Miete inklusive Betriebskosten durchbrach erstmals die 10-Euro-Marke.
Gleichzeitig kollabiert der private Wohnungsneubau. Für 2025 werden nur noch 1.800 neue Mietwohnungen erwartet, während der tatsächliche Bedarf bei 10.000 bis 11.000 liegt. Im ersten Halbjahr entstanden lediglich 10.000 Wohneinheiten - deutlich weniger als die über 14.000 im Jahr 2023.
Die Gründe für den Baustopp:
* Baukosten seit 2010 um fast 50 Prozent gestiegen
* Hohe Zinsen belasten Finanzierung
* Langwierige Genehmigungsverfahren schrecken Investoren ab
Gemeindebau als Preisbremse
Mehr als 60 Prozent der Wiener leben bereits in einer Gemeinde- oder geförderten Wohnung. Diese Massen an regulierten Wohnungen wirken stabilisierend auf den gesamten Markt. Die Stadt reagiert gezielt auf die Krise: Die Mieten in den rund 370.000 Gemeindebauten bleiben 2024 und 2025 eingefroren.
Neue Projekte im Nordbahnviertel und im Oberen Hausfeld zeigen: Wien setzt weiter auf geförderten Wohnbau. Bei jedem Neubauprojekt muss mindestens ein Drittel der Wohnungen über die Wohnberatung Wien vergeben werden.
Politik greift mit Mietpreisbremse ein
Das österreichische Parlament stoppte die Indexierung von Richtwert- und Kategoriemieten für 2025. Diese Maßnahme betrifft 75 Prozent aller Mietverhältnisse und entlastet Mieter um 138 Millionen Euro. Staatssekretärin Michaela Schmidt verwies auf Mietsteigerungen von über 70 Prozent seit 2010.
Doch Kritiker monieren: Der freie Markt bleibt unberührt. Die Wirtschaftskammer warnt vor einem Investitionsstopp bei Sanierungen, wenn Einnahmen eingefroren werden, während die Kosten weiter steigen.
Paradoxer Effekt: Eigentum wird wieder attraktiv
Während Mieter leiden, stabilisiert sich der Markt für Wohneigentum. Sinkende Leitzinsen und gelockerte Kreditregeln machen den Kauf wieder interessant. Bauträger verkaufen geplante Mietprojekte deshalb direkt als Eigentumswohnungen - das Mietangebot schrumpft weiter.
Experten sprechen von einer "veritablen Wohnbau-Rezession" im Mietsektor. Die soziale Spaltung verschärft sich: Während eine Käuferschicht profitiert, geraten junge Menschen und Familien als Mieter unter extremen Druck.
Tiefpunkt erst 2026 erwartet
Der Boden ist noch nicht erreicht. Experten prognostizieren den Tiefpunkt der Bautätigkeit erst für 2026. Der Druck auf dem Mietmarkt wird weiter steigen, bis strukturelle Reformen greifen.
Wien arbeitet an einer Weiterentwicklung des Wohnmodells. Die Bauordnungsnovelle 2023 setzte bereits Akzente für Klimaschutz. Langfristig fordern Experten eine umfassende Mietrechtsreform für alle Marktsegmente. Nur wenn sowohl gemeinnützige als auch private Investoren wieder in leistbaren Mietbau investieren, kann Wien seinem Ruf als lebenswerte Stadt für alle gerecht werden.