Die Lage am Wiener Wohnungsmarkt eskaliert dramatisch. Erstmals haben die Angebotsmieten die 20-Euro-Marke pro Quadratmeter geknackt, während gleichzeitig die Neubautätigkeit um ein Drittel eingebrochen ist. Was steckt hinter dieser perfekten Sturm-Situation?

Die Zahlen sind alarmierend: Nur noch 11.000 neue Wohnungen entstehen 2025 in Wien - 2023 waren es noch 50 Prozent mehr. Besonders hart trifft es den frei finanzierten Mietwohnungssektor mit einem Rückgang von über 50 Prozent auf magere 4.700 neue Einheiten.

Neubau-Kollaps treibt Preise in die Höhe

Der dramatische Rückgang der Bautätigkeit hat mehrere Ursachen. Seit 2020 explodierten die Baukosten für Materialien wie Holz und Stahl. Hohe Zinsen und langwierige Genehmigungsverfahren machen Projekte für Entwickler unrentabel.

Die Konsequenz: 20,42 Euro pro Quadratmeter kosten Neuvermietungen mittlerweile - ein Plus von neun Prozent binnen eines Jahres. Auch die Gesamtmiete inklusive Betriebskosten knackte erstmals die 10-Euro-Marke und liegt bei 10,20 Euro pro Quadratmeter.

Für eine 60-Quadratmeter-Wohnung bedeutet das über 1.200 Euro monatlich - für viele Haushalte unbezahlbar. Der Immobilienberater EHL prognostiziert für 2025 einen durchschnittlichen Mietanstieg von 7,3 Prozent.

Bauträger setzen auf Verkauf statt Vermietung

Ein strategischer Wandel verschärft die Krise zusätzlich. Bauträger konzentrieren sich verstärkt auf Eigentumswohnungen zum direkten Verkauf. Höhere Renditen und die Furcht vor einer Mietpreisbremse treiben diesen Trend.

Paradoxerweise verstärkt die jüngste EZB-Zinswende den Effekt zusätzlich. Das Auslaufen der strengen Kreditvergaberichtlinien erleichtert Käufern den Zugang zu Finanzierungen - jede verkaufte Wohnung fehlt jedoch auf dem Mietmarkt.

Perfekter Sturm ohne Entspannung

Wien wächst kontinuierlich und zieht jährlich Tausende neue Einwohner an. Diese hohe Nachfrage trifft auf ein schrumpfendes Angebot - eine explosive Mischung.

Die Prognosen bleiben düster: 2026 soll die Neubauleistung auf unter 8.000 Wohneinheiten fallen. Christian Sommer von Engel & Völkers Commercial Wien fordert praxisnahe Fördermodelle, den Ausbau des gemeinnützigen Wohnbaus und eine Lockerung der Kreditrichtlinien.

Stadtregierung reagiert mit Mietenstopp

Wien hat mit einem Mietenstopp im Gemeindebau für 2024 und 2025 reagiert. Diese Maßnahme betrifft jedoch nur einen Bruchteil des Marktes und kann den Druck im privat finanzierten Sektor nicht lindern.

Langfristige Lösungen erfordern einen "Sanierungs- und Bau-Turbo" durch bessere Rahmenbedingungen und beschleunigte Genehmigungsverfahren. Ohne diese Maßnahmen droht sich die Wohnungskrise weiter zuzuspitzen und die soziale Kluft in der Stadt zu vertiefen.