Wien startet die größte Wohnbau-Offensive seiner Geschichte. Mit 2,8 Milliarden Euro entstehen 22.200 neue geförderte Wohnungen – parallel dazu lockert die Stadt die starren Vergaberegeln für Gemeindewohnungen.

Die "Wohnbau-Offensive 2024+" ist Wiens Antwort auf explodierende Mieten und sinkende Neubautätigkeit im privaten Sektor. Über 45.000 Menschen sollen Wohnraum erhalten, gleichzeitig entstehen mehr als 50.000 Arbeitsplätze. Erste Lockerungen bei der Wohnungsvergabe gelten bereits seit Mai.

16.100 Wohnungen bereits in Planung

Das Investitionspaket läuft auf Hochtouren: 16.100 Wohneinheiten befinden sich bereits in Vorbereitung, Planung oder im Bau. Weitere 6.100 werden über Bauträgerwettbewerbe bis Ende 2026 vergeben.

"Wien geht den weltweit renommierten Erfolgsweg des Wiener Wohnbaumodells entschlossen weiter", erklärt Vizebürgermeisterin Kathrin Gaál. Alle Neubauten müssen strenge Nachhaltigkeitskriterien erfüllen – von Dachbegrünungen bis zu alternativen Energielösungen.

Schluss mit der Zwei-Jahres-Falle

Die größte Neuerung: Wohnungssuchende müssen nicht mehr zwei Jahre an derselben Adresse gemeldet sein. Es genügt ein durchgehender Hauptwohnsitz irgendwo in Wien.

Diese Reform hilft besonders:
* Studierenden in wechselnden WG-Zimmern
* Jungen Menschen mit befristeten Mietverträgen
Geschiedenen nach Trennungen
*
Flexiblen Arbeitnehmern* mit häufigen Umzügen

"Die starren Regeln passten nicht mehr zu modernen Lebensläufen", begründet die Stadt den Kurswechsel.

Neue Kategorie für die belastete Mittelschicht

Wien führt erstmals eine Vergabekategorie für Haushalte ein, die trotz Erwerbstätigkeit ihre Wohnkosten kaum stemmen können. Voraussetzung ist ein positiver Bescheid für Wohnbeihilfe oder Mietbeihilfe.

Diese Maßnahme trifft den Kern der Wiener Wohnpolitik: Auch die Mittelschicht soll vor Verdrängung geschützt werden. Bisher fielen viele Berufstätige durch das Raster – zu wenig verdienend für den freien Markt, zu viel für klassische Sozialwohnungen.

Das "Wiener Wohn-Ticket" kommt 2026

Der nächste große Wurf steht bereits fest: 2026 bündelt ein zentrales "Wiener Wohn-Ticket" alle Anmeldungen für geförderte Wohnungen. Starre Wohnbedarfsgründe weichen einem flexiblen Punktesystem.

Künftig zählen individuelle Faktoren stärker:
* Familienzuwachs oder Pflegebedarf
* Aus- und Weiterbildungsphasen
* Besonders belastende Wohnverhältnisse

Das System soll transparenter und gerechter werden – passend zu verschiedenen Lebensphasen.

Vorzeigemodell unter Druck

Wien stemmt sich gegen den globalen Trend steigender Wohnkosten. Über 60 Prozent der Bevölkerung leben bereits in geförderten oder kommunalen Wohnungen – das dämpft Preise auf dem gesamten Markt.

Während andere Metropolen privatisieren, baut Wien den öffentlichen Sektor aus. Die Stadt kompensiert damit den Einbruch im privat finanzierten Neubau und sichert bezahlbares Wohnen für breite Schichten.

Die 2,8-Milliarden-Offensive zeigt: Wien setzt weiter auf sein bewährtes Modell – jetzt noch flexibler und zielgenauer als bisher.