Wenn Server schwitzen und Frankfurt wettet: Der Black Friday der anderen Art
Liebe Leserinnen und Leser,
am Mittwoch sprachen wir an dieser Stelle über die digitale Zerbrechlichkeit unserer Infrastruktur und die bürokratischen Hürden der Cybersecurity. Heute liefert die Realität den Beweis für unsere Abhängigkeit – allerdings profaner als gedacht.
Es ist eine Ironie des Schicksals: Am heutigen „Black Friday“ blieben Teile der Finanzwelt schwarz, nicht wegen eines Crashs, sondern wegen eines Thermostats. Ein Ausfall der Kühlsysteme im Rechenzentrum legte den Handel mit den wichtigsten US-Futures lahm. Während die Wall Street noch den Truthahn verdaute, erinnerte uns ein überhitzter Serverraum daran, auf welch physisch dünnem Eis unser digitales Finanzsystem wandelt.
Doch Stille herrscht nur in den Leitungen nach Chicago. In Frankfurt hingegen wird das Scheckbuch gezückt. Die Deutsche Börse setzt zum großen Sprung an und sorgt für jene Fantasie, die dem Parkett zuletzt fehlte.
Hier ist der Blick auf einen Freitag, der technologisch stolpert, aber strategisch beschleunigt.
Kälteschock für das Weltfinanzsystem
Normalerweise ist der Freitag nach Thanksgiving ein ruhiger Handelstag. Doch heute Morgen herrschte bei der CME Group Alarmstimmung. Ein Ausfall der Kühlung in den CyrusOne-Rechenzentren zwang den Börsenbetreiber, den Handel mit den wichtigsten Futures – S&P 500, Nasdaq, Öl und Gold – zeitweise komplett einzustellen.
Wenn 90 Prozent des weltweiten Derivatehandels wegen eines Temperaturproblems stocken, wird die „Cloud“ plötzlich sehr greifbar. Für den Bitcoin, der sich aktuell bei etwa 91.700 Dollar hält, war dies eine interessante Randnotiz. Während die traditionellen Finanzwege verstopft waren, lief die Blockchain weiter – wenngleich der „Fear & Greed Index“ mit einem Wert von 25 („Extreme Fear“) zeigt, dass auch im Krypto-Sektor die Nerven blank liegen. Firmen mit großen BTC-Beständen müssen derzeit Abschläge zum Nettovermögenswert hinnehmen; die Dezentralisierung funktioniert technisch, schützt aber nicht vor Marktpsychologie.
Frankfurts 5,3-Milliarden-Offerte
Während in den USA die Technik streikte, schuf die Deutsche Börse in Eschborn Fakten. Der Marktbetreiber greift nach der britischen Fondshandelsplattform Allfunds und bietet rund 5,3 Milliarden Euro.
Das Angebot von 8,80 Euro je Aktie ist strukturiert als Mix aus Barzahlung und eigenen Aktien, garniert mit einer Dividende. Strategisch ist dieser Schritt weitaus logischer als frühere Avancen der Konkurrenz, wie Analysten von Jefferies und Metzler heute Morgen anmerkten. Es geht nicht nur um Größe, sondern um die Kontrolle der Wertschöpfungskette im Fondsgeschäft.
Die Anleger honorieren den Mut: Die Aktie der Deutschen Börse führt heute Mittag die DAX-Gewinnerliste mit einem Plus von knapp 1,8 Prozent an. Der Markt sieht Synergien, auch wenn der Blick nun bange nach Brüssel geht. Ob die EU-Wettbewerbshüter diesen nationalen Champion durchwinken, ist die nächste große Wette.
Pumas wilde Achterbahnfahrt
Wer verstehen will, wie verzweifelt Anleger derzeit nach Hoffnung suchen, muss nur auf Puma schauen. Gestern schoss die Aktie um fast 19 Prozent nach oben – getrieben allein von dem Gerücht, chinesische Sportgiganten wie Anta Sports oder Li Ning könnten den strauchelnden Konzern übernehmen.
Heute Morgen folgte die Ernüchterung. Die Aktie verlor rund 3 Prozent, nachdem der japanische Konkurrent Asics Berichte über eigene Ambitionen dementierte. Dass der Markt auf jeden Übernahme-Strohhalm aus Fernost anspringt, offenbart das tiefe Misstrauen in Pumas organische Kraft. Nach einem Jahresminus von über 50 Prozent und einer angekündigten „Reset-Phase“ für 2025 scheint vielen Investoren ein Verkauf – egal an wen – lieber zu sein als das Warten auf die Trendwende aus eigener Kraft.
Inflation: Der teure Kaffee am Morgen
Abseits der Milliarden-Deals holt uns die makroökonomische Realität ein. Die heute veröffentlichten Inflationsdaten aus den Bundesländern zeigen, dass die Teuerung zäher ist als erhofft. In Nordrhein-Westfalen verharrt die Rate bei 2,3 Prozent, in Hessen liegt sie bei 2,5 Prozent.
Besonders Dienstleistungen und Lebensmittel halten die Preise oben – Kaffee verteuerte sich in NRW um satte 22,4 Prozent. Die Hoffnung auf einen schnellen Rückgang Richtung der 2-Prozent-Marke erhält damit einen Dämpfer. In diesem Umfeld der „Sticky Inflation“ bleibt Gold der gesuchte Anker, Kühlungsausfall hin oder her.
Kurz notiert
- Delivery Hero unter Druck: Die Aktie kletterte heute Morgen um über 7 Prozent. Der Grund ist klassisch: Großaktionäre fordern eine strategische Überprüfung oder Verkäufe. Der Markt liebt es, wenn dem Management Feuer unter dem Hintern gemacht wird.
- Lufthansa stabilisiert: CEO Jens Ritter versicherte heute, dass im Sommer keine weiteren innerdeutschen Strecken gestrichen werden. Nach Monaten der Hiobsbotschaften ist das zumindest ein Signal der Planungssicherheit.
- Wacker Chemie baut ab: Der Chemiekonzern streicht 1.500 Stellen, der Großteil davon in Deutschland. Begleitet von Analystenabstufungen (JPMorgan) ist dies ein weiteres Warnsignal für den Industriestandort.
Das Fazit
Wir beenden eine Woche, die volatiler war, als es der DAX-Stand vermuten lässt. Ein Wochenplus von rund 3 Prozent steuert auf einen versöhnlichen Ausklang zu, auch wenn die Monatsbilanz für den November wohl leicht rot bleiben wird.
Die heutige Offerte der Deutschen Börse beweist, dass europäische Unternehmen trotz Konjunkturflaute handlungsfähig bleiben und den Mut zu großen Schritten haben. Gleichzeitig lehrt uns die Panne in den USA Demut vor der Technik.
Ich wünsche Ihnen ein erholsames Wochenende – hoffentlich ohne Systemausfälle.
Herzlichst,
Ihr
Eduard Altmann








