Wenn Krieg die Märkte lenkt: Zwischen Eskalation und kalkuliertem Risiko

Guten Tag aus dem herbstlichen Deutschland,

während wir hier über Nachfolger für Frank-Walter Steinmeier diskutieren, explodieren in Kiew die Bomben. Russlands massivster Drohnen- und Raketenangriff seit Kriegsbeginn – 595 Drohnen, 48 Raketen, zwölf Stunden Terror – markiert einen düsteren Wendepunkt. Doch was als lokaler Konflikt begann, entwickelt sich zunehmend zum globalen Wirtschaftsfaktor. Die UN-Sanktionen gegen Iran, Trumps Shutdown-Poker in Washington und Israels Militäroperationen in Gaza: Die geopolitischen Brandherde multiplizieren sich, und mit ihnen die Risiken für Märkte und Wirtschaft.

Der Kreml testet die Grenzen

Moskaus Eskalation kommt nicht zufällig. Mit der Bombardierung kritischer Infrastruktur – Kardiologie-Kliniken, Fabriken, Wohngebiete – sendet Putin ein Signal: Trotz fast drei Jahren Krieg und westlichen Sanktionen ist Russlands Kriegsmaschinerie nicht am Ende. Die Reaktion Polens, seinen Luftraum zu schließen und Kampfjets aufsteigen zu lassen, zeigt: Der Konflikt rückt näher an NATO-Territorium.

Wolodymyr Selenskyj fordert erneut härtere Sanktionen gegen Russlands Energiesektor. Doch hier offenbart sich das Dilemma: Während Europa seine Gasimporte aus Russland drastisch reduziert hat, fließen über Umwege – Indien, China, Türkei – weiter Milliarden in Putins Kriegskasse. Die G7-Staaten haben es bisher nicht geschafft, diese Hintertüren zu schließen. Kein Wunder, dass Selenskyj frustriert klingt: "Die Zeit für entschiedenes Handeln ist längst überfällig."

Die wirtschaftlichen Implikationen? Energiepreise bleiben volatil, Rüstungsaktien profitieren, und die Unsicherheit über Europas Sicherheitsarchitektur belastet Investitionen. Israels Zusage weiterer Patriot-Systeme an die Ukraine zeigt zudem, wie eng die Konfliktherde mittlerweile verknüpft sind.

Iran im Zangengriff der Geschichte

Fast zeitgleich zum Ukraine-Drama reaktiviert die UN ihre Sanktionen gegen Iran – ein Schritt mit weitreichenden Folgen. Die Islamische Republik steht vor ihrer schwersten Krise seit 1979. Der Rial stürzt auf Rekordtiefs (1.123.000 pro Dollar!), die Inflation galoppiert bei über 40 Prozent, und die Bevölkerung murrt lauter.

Was die Situation besonders brisant macht: Israel und die USA haben im Juni bereits drei iranische Nuklearanlagen bombardiert. Trump und Netanyahu drohen unverhohlen mit weiteren Militärschlägen, sollte Teheran sein Urananreicherungsprogramm fortsetzen. "Die Chancen auf Krieg sind erheblich", warnt der ehemalige iranische Abgeordnete Gholamali Jafarzade Imenabadi.

Für europäische Unternehmen bedeutet das: Der Iran-Markt bleibt auf absehbare Zeit tabu. Die Hoffnungen auf Lockerungen, die noch vor Monaten keimten, sind zerstoben. Stattdessen droht eine weitere Destabilisierung des Nahen Ostens mit unkalkulierbaren Folgen für Ölpreise und Handelsrouten.

Besonders pikant: Russland lehnt die UN-Sanktionen als "illegal" ab. Lawrow spricht von einem "großen Fehler" – ein deutliches Signal, dass Moskau seine Allianz mit Teheran vertiefen könnte. Eine Achse der Sanktionierten entsteht, die westliche Ordnungsvorstellungen fundamental herausfordert.

Trumps Haushalts-Hazardspiel

Als hätte die Welt nicht genug Brandherde, pokert Donald Trump mit einem Government Shutdown. Acht Milliarden Dollar für Gesundheit und Bildung hält seine Administration zurück – Gelder, die der Kongress längst bewilligt hat. Es ist ein Machtkampf, der an die Grundfesten der amerikanischen Verfassungsordnung rührt: Wer bestimmt über Staatsausgaben?

Die Advocacy-Gruppe "Protect Democracy" spricht von "Hintertür-Kürzungen". Besonders perfide: 2,6 Milliarden Dollar für Suchtbekämpfung bleiben liegen, während die Opioid-Krise täglich Menschenleben fordert. "Jeder Tag, den wir mit der Auszahlung warten, zwingt Gemeinden, ihre ohnehin dünnen Versorgungssysteme noch weiter zu strecken", klagt Libby Jones von der Overdose Prevention Initiative.

Für europäische Investoren ist das ein Warnsignal. Die politische Dysfunktionalität in Washington erreicht neue Dimensionen. Wenn selbst bewilligte Gelder als Druckmittel missbraucht werden, was bedeutet das für künftige transatlantische Kooperationen? Die Unsicherheit über amerikanische Verlässlichkeit wächst – und mit ihr die Notwendigkeit europäischer Eigenständigkeit.

Gaza: Der endlose Konflikt

Währenddessen eskaliert die Lage in Gaza weiter. Israelische Panzer dringen tiefer in Wohnviertel vor, 73 Hilferufe bleiben unbeantwortet. Die Bilder aus Gaza City erinnern an Aleppo oder Mariupol – urbane Kriegsführung in ihrer brutalsten Form.

Die humanitäre Katastrophe ist offensichtlich: 65.000 Tote seit Kriegsbeginn, eine komplett vertriebene Bevölkerung, ein kollabiertes Gesundheitssystem. Doch die wirtschaftlichen Implikationen reichen weiter. Der Konflikt bindet enorme Ressourcen, destabilisiert die Region und verhindert jede Form nachhaltiger Entwicklung.

Interessant wird Trumps angekündigtes Treffen mit Netanyahu am Montag. Der US-Präsident spricht von einem "wahrscheinlichen Deal" – doch Hamas dementiert neue Vorschläge. Die Entsendung des US-Botschafters Mike Huckabee nach Ägypten deutet auf intensive Vermittlungsbemühungen hin. Ob sie fruchten? Die Skepsis überwiegt.

Im Schatten der Schlagzeilen: Chinas stille Revolution

Während die Welt auf Kriegsschauplätze starrt, vollzieht sich in China eine bemerkenswerte Transformation. Die Ausgaben für Datenzentren explodieren – von 400 Milliarden Dollar 2024 auf prognostizierte 500 Milliarden 2025. Ein Wachstum von 23 Prozent jährlich bis 2028 würde den globalen Markt auf über 900 Milliarden Dollar katapultieren.

Die treibende Kraft? Künstliche Intelligenz. Allein für AI-Server gaben Betreiber 2024 rund 140 Milliarden Dollar aus. Doch der Boom hat seinen Preis: Datenzentren verschlingen bereits 1-2 Prozent des globalen Stromverbrauchs. Bis 2030 soll der Energiehunger um 11 Prozent jährlich wachsen – AI-Workloads sogar um über 40 Prozent.

Europa hinkt hinterher. Während Asien-Pazifik mit 20 Prozent Wachstum voranprescht, kämpft die EU mit Regulierung und Energiekosten. Die neue Energieeffizienz-Richtlinie zwingt Betreiber zu detaillierter Berichterstattung – gut für die Umwelt, schlecht für die Wettbewerbsfähigkeit?

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Apropos Datenzentren und Chinas KI-Boom: Im Hintergrund des globalen Energiehungers spielen Mikrochips eine zentrale Rolle – sie sind das Fundament für KI, Cloud und autonome Systeme. Wer frühzeitig in diesen Technologiesektor investiert, könnte überdurchschnittlich profitieren. Ich habe dazu einen spannenden Spezial-Report gefunden, der die sogenannte „neue Nvidia“ und ihre mögliche Rolle im Chip-Krieg zwischen USA und China detailliert beleuchtet. Hier können Sie den Report einsehen.

Deutsche Innenpolitik: CDU beansprucht Bellevue

Zwischen all den globalen Verwerfungen meldet sich die CDU mit Machtansprüchen. "Nach zwei Amtszeiten von Frank-Walter Steinmeier ist es Zeit für einen Farbwechsel im Schloss Bellevue", tönt Niedersachsens CDU-Chef Sebastian Lechner. Die Union will 2027 das Bundespräsidentenamt – und erstmals eine Frau nominieren.

Die Kritik an Steinmeier schwingt unüberhörbar mit. Baden-Württembergs CDU-Chef Manuel Hagel wünscht sich ein Staatsoberhaupt, "das unser höchstes Staatsamt nicht nur verwaltet, sondern auch prägt". Ein Seitenhieb auf den amtierenden Präsidenten, der in Krisenzeiten oft unsichtbar blieb.

Was uns die Woche bringt

Die kommenden Tage versprechen keine Entspannung. Trumps Netanyahu-Treffen am Montag könnte Bewegung in den Gaza-Konflikt bringen – oder alles verschlimmern. Die Märkte warten gespannt auf Signale aus Washington zum drohenden Shutdown. Und in Teheran berät die Führung über ihre Reaktion auf die UN-Sanktionen.

Für Anleger bedeutet das: Volatilität bleibt das bestimmende Thema. Gold und sichere Häfen dürften gefragt bleiben. Rüstungsaktien profitieren weiter von der globalen Aufrüstungsspirale. Und Tech-Werte? Die könnten von der KI-getriebenen Datencenter-Explosion profitieren – wenn die geopolitischen Risiken nicht alles überschatten.

Die Welt erlebt gerade einen jener historischen Momente, in denen sich Konflikte verdichten und Weichen neu gestellt werden. Ob in Kiew, Teheran, Gaza oder Washington – überall ringen alte Ordnungen mit neuen Realitäten. Für uns in Europa bedeutet das: Wachsamkeit, strategische Autonomie und die Erkenntnis, dass Frieden und Wohlstand keine Selbstverständlichkeiten sind.

Bleiben Sie kritisch, bleiben Sie investiert – aber vor allem: bleiben Sie flexibel.

Ihr Eduard Altmann

P.S.: Während wir über Krieg und Frieden debattieren, arbeitet ein amerikanisches Kaffee-Startup namens Blackout Coffee an der nächsten patriotischen Revolution – per Crowdfunding. Manchmal sind es die kleinen Geschichten, die zeigen, dass Optimismus und Unternehmertum selbst in düsteren Zeiten überleben.