Vom Weltsozialgipfel bis zu den Märkten: Warum diese Woche die Weichen neu gestellt werden

Liebe Leserinnen und Leser,

während in Doha ab morgen über nichts Geringeres als die soziale Gerechtigkeit der Welt verhandelt wird, zeigen die Märkte bereits heute ihre eigene Interpretation von Fairness: Die Ölpreise atmen nach der OPEC+-Entscheidung durch, Deals im Milliardenbereich formen die Zukunft ganzer Branchen, und in deutschen Chefetagen wird mal wieder umgebaut. Was das alles mit Ihrem Portfolio zu tun hat? Mehr als Sie denken.

Die Woche der großen Versprechen

Der zweite Weltsozialgipfel der UNO ist so etwas wie das schlechte Gewissen des globalen Kapitalismus. Von morgen an treffen sich in Doha die Delegationen aus aller Welt, um über Armut, Vollbeschäftigung und soziale Eingliederung zu debattieren – drei Ziele, die seit dem ersten Gipfel 1995 in Kopenhagen eher Vision als Realität geblieben sind.

Peter Lack, Direktor der Caritas Schweiz und Teil der offiziellen Schweizer Delegation, bringt es auf den Punkt: "Ungleichheiten verstärken sich weltweit, die Überwindung der Armut rückt in weite Ferne." Die Covid-Pandemie hat die weltweite Armut erstmals seit Jahren wieder steigen lassen. Und während in Doha über Verbindlichkeiten gerungen wird, zeigt der Markt für Großveranstaltungen bereits, wo das Geld wirklich fließt.

2,5 Billionen Dollar bis 2035 – so groß soll laut Allied Market Research der globale Event-Markt werden. Ein Wachstum von 6,8% jährlich, getrieben von Digitalisierung und der Expansion in Asien-Pazifik und Afrika. Die Ironie? Während auf dem Weltsozialgipfel über Armutsbekämpfung diskutiert wird, boomt nebenan in den Golfstaaten das Geschäft mit Luxus-Events. Katar selbst ist dabei Paradebeispiel für diese Diskrepanz.

Öl-Poker am Persischen Golf

Die OPEC+ pausiert ihre Produktionserhöhungen für das erste Quartal 2026 – eine Entscheidung, die gestern für Erleichterung an den Märkten sorgte. Die Angst vor einer Angebotsschwemme war greifbar gewesen, Brent und WTI hatten im Oktober über 2% verloren. Jetzt die Kehrtwende: 137.000 Barrel pro Tag mehr im Dezember, dann erstmal Schluss.

"Der Markt erwartet einen Höchststand des Überschusses im ersten Quartal 2026", analysieren die ING-Experten trocken. Was sie nicht sagen: Die Entscheidung ist auch ein Eingeständnis, dass selbst die Ölgiganten nervös werden. Die US-Sanktionen gegen Russlands Top-Produzenten Rosneft und Lukoil werfen ihre Schatten voraus, ukrainische Drohnen treffen russische Ölhäfen.

Für europäische Anleger bedeutet das zweierlei: Die Energiepreise bleiben vorerst moderat – gut für die Inflation, schlecht für Energieaktien. Und die geopolitischen Risiken? Die sind eingepreist, aber nicht verschwunden.

Die Zukunft fährt elektrisch (oder doch nicht?)

Während Tesla und Co. die Schlagzeilen dominieren, passiert in der zweiten Reihe Spannendes: FAMEL, einst Portugals Motorrad-Ikone, wagt mit einem 5,5-kW-Elektromotorrad den Neustart. 7.000 Euro Einstiegspreis, 120 km Reichweite – die Frage ist nicht ob, sondern wie schnell sich Europa elektrifiziert.

Parallel dazu der Composite-Zylinder-Markt: 3,3 Milliarden Dollar bis 2034, angetrieben von Wasserstoff-Speicherung und sauberer Energie. "Die Nachfrage nach Predictive Maintenance und Sensor-Technologie explodiert förmlich", heißt es in der neuesten Studie. Der Aerospace-Torque-Sensor-Markt soll sich gar auf 3,3 Milliarden verdoppeln. Die Message ist klar: Die Transformation der Mobilität schafft völlig neue Märkte – und Gewinner.

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Apropos neue Märkte: Auch im Technologiesektor entstehen gerade Chancen, die an frühere Wendepunkte der Industriegeschichte erinnern. Besonders der Chip-Sektor steht unter geopolitischem Druck – und genau hier winken interessante Renditepotenziale. Eine aktuelle Analyse zeigt, welches europäische Unternehmen im „Chip-Krieg“ zwischen den USA und China als Gewinner hervorgehen könnte. Wer die Hintergründe und WKN erfahren möchte, findet alle Details hier: Zur Analyse „Die neue Nvidia“

Deutsche Realitäten

Frauen in Führungspositionen? Deutschland liegt mit 29,1% unter dem EU-Schnitt von 35,2%. Seit 2014 praktisch keine Veränderung. "Besorgniserregend, aber nicht überraschend", kommentiert das WSI trocken. Die Börse honoriert Diversity nachweislich mit besserer Performance – deutsche Unternehmen verschenken hier Potenzial.

Apropos verschenktes Potenzial: TAKKT kämpft weiter. Montega senkt das Kursziel von 9 auf 8 Euro, der elfte Quartalsverlust in Folge. Ein Impairment von 60 Millionen Euro könnte drohen. "Was wir verfolgen, ist nicht nur technologische Führerschaft", hatte mal jemand bei TAKKT gesagt. Davon ist wenig geblieben.

Deals und Visionen

Deel holt sich einen Credit-Karma-Veteran als neuen CFO. Joe Kauffman verwandelte dort den Umsatz von 100 Millionen auf 2,3 Milliarden Dollar. Jetzt soll er das beim HR-Unicorn wiederholen. Die Bewertung von 17,3 Milliarden Dollar will verteidigt werden.

AAVantgarde sammelt 141 Millionen für die Gentherapie gegen Erblindung. Stargardt-Krankheit und Usher-1B-Syndrom im Visier. Die Investoren – von Amgen bis Schroders – wittern das große Geschäft mit seltenen Krankheiten.

SPM International gründet eine globale Trainings-Akademie für Vibrations-Analyse. Klingt nischig? Der Markt für Predictive Maintenance wird bis 2030 auf 45 Milliarden Dollar geschätzt. Wer die Maschinen versteht, verdient das große Geld.

Die Woche voraus

Der US Supreme Court entscheidet am Mittwoch über Trumps Zölle – "das wichtigste Thema in 100 Jahren", sagt Trump selbst. Ohne sie fahre die US-Wirtschaft "zur Hölle". Die Märkte sehen das anders: Jede Unsicherheit bei den Zöllen ist Gift für internationale Lieferketten.

Koelnmesse reorganisiert den Nahost-Vertrieb – ein Indikator für die wachsende Bedeutung der Region. Drei erfolgreiche Messe-Premieren in Saudi-Arabien 2025, die Golfstaaten werden zum neuen Wachstumsmarkt.

Schweden zeigt, wie es geht: 44,4% Frauen in Führungspositionen. Deutschland hinkt mit 29,1% hinterher. Die Debatte wird diese Woche weitergehen – auch weil diverse Teams nachweislich profitabler sind.

Die Märkte starten also mit gemischten Signalen in eine Woche voller Weichenstellungen. Vom Weltsozialgipfel bis zum Supreme Court, von der OPEC+ bis zu Biotech-Deals – überall werden gerade die Karten neu gemischt.

Was bedeutet das für Sie? Bleiben Sie flexibel. Die alten Gewissheiten – billiges Öl, freier Handel, stabile Lieferketten – stehen alle auf dem Prüfstand. Wer jetzt in Zukunftstechnologien investiert, von Gentherapie bis Predictive Maintenance, könnte zu den Gewinnern der nächsten Dekade gehören. Wer an alten Strukturen festhält, wie TAKKT schmerzlich zeigt, wird abgehängt.

Eine Woche voller Entscheidungen liegt vor uns. Schauen wir, welche Versprechen gehalten werden – und welche nicht.

Herzliche Grüße und eine erfolgreiche Woche,

Eduard Altmann