Ein Rechtsgutachten des Verfassungsdienstes stellt die geplante Sozialhilfe-Reform der Regierung vor eine Zerreißprobe. Die umstrittene "Integrationsphase" mit gekürzten Leistungen müsste aus Gleichbehandlungsgründen für alle gelten - auch für österreichische Staatsbürger.

Das SPÖ-geführte Sozialministerium sieht sich durch die rechtliche Einschätzung bestätigt und heizt damit den Konflikt mit ÖVP und NEOS massiv an. Ausgerechnet heute starten die entscheidenden Gespräche mit den Bundesländern über die für 2027 geplante Reform.

Koalition zerstritten über Gleichbehandlung

Das Kernproblem spaltet die Regierung: Wer soll von der geplanten "Integrationsphase" betroffen sein? Bis zu drei Jahre lang sollen Antragsteller reduzierte Leistungen erhalten und im Gegenzug an Deutsch- und Wertekursen teilnehmen.

Sozialministerin Korinna Schumann (SPÖ) argumentiert seit Wochen, eine Beschränkung nur auf Zuwanderer sei rechtlich nicht haltbar. Der Verfassungsdienst stützt diese Position - eine pauschale Unterscheidung sei sachlich nicht gerechtfertigt.

Die Koalitionspartner reagierten empört. Integrationsministerin Claudia Plakolm (ÖVP) wies die Forderung scharf zurück: "Es wird sicher keine Integrationsphase für Österreicher geben. Die Vorstellung, dass österreichische Staatsbürger in Deutsch- und Wertekursen sitzen sollen, ist absurd."

Auch NEOS-Klubobmann Yannick Shetty bezeichnete entsprechende Berichte als "realitätsfern".

Was die Integrationsphase bedeutet

Statt der vollen Sozialhilfe von maximal 1.209 Euro für Alleinstehende soll es eine reduzierte "Integrationsbeihilfe" geben. Die Höhe orientiert sich an der Bereitschaft zur Mitwirkung an vorgegebenen Maßnahmen.

Das Ziel: Anreize schaffen für schnelles Deutschlernen, Wertevermittlung und aktive Arbeitssuche. Kritiker befürchten jedoch eine Armutsfalle statt besserer Integration in den Arbeitsmarkt.

Verfassungsgericht als Damoklesschwert

Der Hintergrund der rechtlichen Bedenken: 2019 kippte der Verfassungsgerichtshof bereits weite Teile der türkis-blauen Sozialhilfereform. Degressiv gestaffelte Höchstsätze für Kinder fielen als verfassungswidrige Diskriminierung von Mehrkindfamilien.

Die aktuelle Einschätzung knüpft daran an und warnt vor einer pauschalen Schlechterstellung von Schutzberechtigten. Ministerin Plakolm kontert: Eine EU-Statusverordnung ab 2026 erlaube die Koppelung von Sozialleistungen an Integrationsmaßnahmen.

Weitere Reformpläne im Überblick

Die "Sozialhilfe NEU" verfolgt mehrere Ziele:

  • Österreichweite Vereinheitlichung statt bisherigem "Fleckerlteppich" der Bundesländer
  • Kindergrundsicherung mit Fokus auf Sachleistungen wie Gesundheitsversorgung und kostenlose Mahlzeiten
  • Anrechnung von Familienleistungen, um Sozialbezug gegenüber Arbeitseinkommen nicht zu bevorzugen

Koalition am Scheideweg

Die Debatte offenbart tiefe Gräben: Die SPÖ sieht sich verfassungsrechtlich verpflichtet, auch wenn die Lösung politisch unpopulär ist. ÖVP und NEOS verstehen die Integrationsphase als migrationspolitisches Instrument - eine Ausweitung auf Österreicher wäre der eigenen Wählerschaft kaum vermittelbar.

Der heutige Gipfel mit den Ländern wird zeigen: Findet die Koalition einen Kompromiss oder scheitert eines der wichtigsten sozialpolitischen Projekte der Regierung? Ohne Lösung der Gleichbehandlungsfrage ist der Zeitplan für die Reform ab Januar 2027 in Gefahr.