In Deutschland werden wir wohl noch in diesem Jahr eine zweistellige Inflationsrate sehen, das ist nicht unbedingt das ideale Szenario für vielversprechende Anleiheinvestitionen. Schließlich kauft man sich auf dem aktuellen Niveau eine garantierte negative Realrendite ein, da die erworbene Verzinsung deutlich unter der aktuellen Inflationsrate liegt.

Dabei werden zwei Umstände gerne vergessen: Diese Tatsache ist nicht nur uns bewusst. Sie hat längst Eingang gefunden in die aktuelle Preisbildung. So liegen europäische Staatsanleihen seit Jahresanfang kräftige 13 Prozent im Minus. Solch starke Kurseinbrüche bei den sonst so stabilen Anleihen hat es seit über vierzig Jahren nicht mehr gegeben.

Die feststehende Erkenntnis, dass eben die Notenbanken die Zinsen in den nächsten Monaten weiter erhöhen werden, führt dazu, dass „der Markt“ diese Erwartungshaltung in die jetzige Preisfindung von Anleihen einpreist.

Daneben verdichten sich die Anzeichen für eine tiefe Rezession in den meisten wichtigen Volkswirtschaften dieser Welt; sogar China ist aufgrund seiner rigiden „No-Covid-Strategie“ vom jahrzehntelangen, stabilen Wachstumspfad abgekommen.

In einer Rezession wirken dagegen Zinserhöhungen wie Brandbeschleuniger und stürzen die Wirtschaft noch tiefer in die Rezession. Insofern könnten die Zinserhöhungen vielleicht früher enden als das viele derzeit noch glauben.

Einen Vorgeschmack auf das immense Erholungspotenzial haben wir im Juli bekommen, als zum Beispiel die zehnjährige Bundesanleihe in einem Monat sagenhafte sieben Prozent an Wert gewonnen hat. Das zeigt uns einmal mehr, wie schnell die Wende eintreten und uns schmerzhaft auf die Füße fallen kann.

Verkaufspanik, technisch orientierte Anlegergruppen und ein massiv ausgetrockneter Markt hatten in den ersten sechs Monaten zu einer massiven Anleihenkorrektur, um nicht zu sagen zu einem Rentencrash, geführt. So sind beispielsweise im Nachrangbereich bei guten bis sehr guten Emittenten aktuell Renditen von deutlich über fünf Prozent zu erzielen. Momentan ist das eine reale Negativrendite, was viele als Argument gegen eine Investition anführen. Aber eine Null-Verzinsung auf dem Konto ist eine NOCH schlechtere, weil noch negativer verzinste, Alternative!

Außerdem ist es nicht ganz verwegen davon auszugehen, dass auf mittlere Sicht Lieferkettenprobleme und Energieengpässe gelöst werden können. Diese Entwicklung gepaart mit dem sogenannten statistischen Basiseffekt könnte eine deutliche Erholung der Anleihekurse initiieren.

Einen kleinen, nicht unerheblichen Unterschied zu den Aktieninvestments, die für viele „alternativlos“ erscheinen, gibt es bei den Anleihen aber: Immerhin ist die Rückzahlung zu 100 Prozent garantiert, wenn der Emittent bei Fälligkeit nicht zahlungsunfähig ist. Selektion und Achtsamkeit sind also auch hier Trumpf.

Insofern bleibt als Fazit: Der Anleihemarkt ist momentan etwas für mutige Profis. Doch er gehört zu einer sinnvoll diversifizierten, risikoorientierten Anlagestrategie zweifellos dazu. Und er bietet seit langem mal wieder eines, was viele von uns gar nicht mehr kannten: Eine attraktive Verzinsung! 

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Aus dem Börse Express PDF vom 19.09. hier zum Download

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