Tesla-Schock, Quantum-Poker & SAP-Dilemma: Wenn Hoffnung auf Realität trifft

Liebe Leserinnen und Leser,

stellen Sie sich vor, Sie hätten gestern Abend noch schnell Tesla-Aktien gekauft – nur um heute Morgen festzustellen, dass der Gewinn des E-Auto-Pioniers dramatisch eingebrochen ist. Während Elon Musk von Robotern und Zukunftsvisionen schwärmt, sprechen die Zahlen eine andere Sprache. Doch nicht nur bei Tesla prallen Träume und Wirklichkeit aufeinander: Die Quantum-Computing-Branche erlebt gerade ihr ganz eigenes Drama zwischen Staatsinteresse und Marktskepsis, während SAP trotz solider Zahlen die Anleger enttäuscht.

Der Tesla-Spagat: Rekordumsatz trifft auf Gewinnkollaps

28,1 Milliarden Dollar Umsatz – ein neuer Rekord für Tesla im dritten Quartal. Klingt nach Champagner? Moment. Der Gewinn je Aktie lag mit 50 Cent satte 12 Cent unter den Erwartungen. Die Aktie reagierte nachbörslich prompt mit einem Minus von fast vier Prozent.

Was war passiert? Ein klassischer Fall von "zur falschen Zeit am richtigen Ort". Viele US-Kunden griffen noch schnell zu, bevor die 7.500-Dollar-Steuergutschrift für E-Autos auslief. Das trieb zwar die Verkäufe, aber die Margen litten. Mit 15,4 Prozent lag die operative Marge im Automobilgeschäft deutlich unter den erhofften 16 Prozent.

Die UBS bleibt bei ihrer Verkaufsempfehlung und einem Kursziel von 247 Dollar – aktuell notiert die Aktie bei rund 439 Dollar. Goldman Sachs zeigt sich mit 400 Dollar Kursziel neutraler, spricht aber von einem "gemischten bis leicht negativen" Quartal. Die große Frage: Kann Tesla den Spagat zwischen kostspieligem Zukunftsinvestment und profitablem Tagesgeschäft meistern?

Quantum Computing: Wenn Washington zum Mitspieler wird

Die Quantum-Aktien erleben gerade ihre ganz eigene Achterbahnfahrt. Nach dramatischen Kurseinbrüchen – D-Wave verlor innerhalb von fünf Tagen 40 Prozent – kommt nun überraschende Unterstützung aus Washington. Die Trump-Regierung verhandelt über direkte Beteiligungen an IonQ, Rigetti und D-Wave im Austausch gegen Fördergelder.

Vorbörslich explodierten die Kurse förmlich: D-Wave plus 16,7 Prozent, Rigetti plus 16,8 Prozent, IonQ plus 16,5 Prozent. Für Anleger ist das ein zweischneidiges Schwert. Einerseits adelt der Staat die Technologie als strategisch wichtig. Andererseits: Was passiert mit der unternehmerischen Freiheit, wenn Washington mit am Tisch sitzt?

Die Branche bleibt ein Paradoxon: IonQ liegt trotz des jüngsten Einbruchs noch 33 Prozent im Plus seit Jahresbeginn. D-Wave hat sich sogar mehr als verdreifacht. Doch die Umsätze? Mikroskopisch klein. Die Produktentwicklung? Jahre von der Marktreife entfernt. Es ist der ultimative Wachstumswetten-Poker.

SAP zwischen Cloud-Träumen und Kundenzurückhaltung

"Die Pipeline sieht sehr gesund aus", versicherte SAP-Chef Christian Klein nach den Quartalszahlen. Die Börse sah das anders: Nach anfänglichen Gewinnen rutschte die Aktie ins Minus und verlor 2,5 Prozent.

Das Problem? SAP musste die Cloud-Wachstumsprognose auf das untere Ende der Spanne kappen. Im dritten Quartal wuchs der Cloud-Umsatz währungsbereinigt um 22 Prozent auf 5,29 Milliarden Euro – eigentlich solide, aber unter den Erwartungen. Der schwache Dollar kostete zusätzlich fünf Prozentpunkte Wachstum.

Die Deutsche Bank bleibt optimistisch und sieht eine "Kaufgelegenheit". Das operative Ergebnis stieg immerhin um 14 Prozent, der Free Cashflow soll jetzt sogar 8,0 bis 8,2 Milliarden Euro erreichen statt der geplanten 8 Milliarden. Doch die große Frage bleibt: Wann endet die Kundenzurückhaltung? Klein gibt sich zuversichtlich für das vierte Quartal – traditionell SAPs stärkstes. Aber reicht das, um die Aktie aus ihrer Lethargie zu reißen?

Die Chip-Krise erreicht neue Dimensionen

Während Tesla und SAP mit ihren eigenen Herausforderungen kämpfen, braut sich in der Automobilindustrie ein perfekter Sturm zusammen. Nach VW warnen nun auch BMW und Mercedes vor möglichen Produktionsstopps. Der Grund: ein spektakuläres Politikum um den Chiphersteller Nexperia.

Die niederländische Regierung übernahm die Kontrolle über das chinesisch geführte Unternehmen. Chinas Antwort? Ein Exportstopp für Nexperia-Chips. VW verhandelt fieberhaft mit alternativen Lieferanten. "Wir haben einen alternativen Lieferanten, der den Lieferausfall ausgleichen könnte", versichert VW-Produktionsvorstand Christian Vollmer. Namen nennt er nicht.

Die VW-Aktie reagierte verhalten positiv mit plus 0,36 Prozent. Doch die Unsicherheit bleibt: Was, wenn die Verhandlungen scheitern? Die deutsche Autoindustrie, ohnehin gebeutelt vom E-Auto-Wandel und China-Wettbewerb, kann sich weitere Rückschläge kaum leisten.

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Lichtblicke im Schatten: Siemens Energy und die KI-Fantasie

Nicht alles ist düster an diesem Donnerstag. Siemens Energy legte 3,1 Prozent zu und führte damit den DAX an. Analyst Gael de-Bray von der Deutschen Bank bringt es auf den Punkt: "Die KI-Show geht weiter."

Der Energietechnik-Konzern profitiert vom KI-Boom auf Umwegen: Rechenzentren verschlingen Unmengen Strom, und Siemens Energy liefert die Infrastruktur. Nach einem 13-prozentigen Rücksetzer vom Rekordhoch griffen Anleger wieder zu. Die Quartalszahlen des Datacenter-Ausrüsters Vertiv hätten eine Beschleunigung der KI-Investitionen belegt, so de-Bray.

Auch bei kleineren Werten gab es Gewinner: ATOSS Software schoss nach starken Quartalszahlen um fast 10 Prozent nach oben. Der Softwareanbieter hob seine Margenprognose an – in Zeiten, in denen selbst SAP schwächelt, ein starkes Signal.

Morgen im Fokus

Die nächsten Tage bleiben spannend. Am Freitag kommen endlich die lange verzögerten US-Inflationsdaten – sie könnten die Richtung für die Fed und damit die Märkte vorgeben. Tesla steht am 6. November eine wichtige Aktionärsversammlung bevor, bei der es auch um Musks umstrittene Vergütung gehen wird.

Die Quantum-Computing-Aktien dürften volatil bleiben – staatliche Beteiligung hin oder her. Und bei SAP? Alle Augen richten sich auf das vierte Quartal. Klein verspricht ein "gutes" Jahresende. Nach heute wissen wir: Versprechen und Erfüllung sind zwei verschiedene Dinge.

Was für eine Woche – und es ist erst Donnerstag. Zwischen Zukunftsträumen und Quartalsrealitäten, zwischen Staatsinterventionen und Marktkräften navigieren wir durch immer komplexere Gewässer. Bleiben Sie wachsam, bleiben Sie kritisch. Denn eines lehrt uns dieser Tag: Die spannendsten Geschichten schreibt immer noch der Markt selbst.

Herzliche Grüße und erfolgreiche Entscheidungen,

Andreas Sommer