Liebe Leserinnen und Leser,

manchmal verrät ein Blick auf die Shortpositionen mehr über die Stimmung am Markt als jede Analystenprognose. Wenn Michael Burry – der Mann, der die Finanzkrise 2008 voraussah – Wetten gegen Palantir und Nvidia platziert, horchen Anleger auf. Doch während der Starinvestor vor überzogener KI-Euphorie warnt, präsentieren die Tech-Giganten weiter beeindruckende Zahlen. Microsoft meldet 40 Prozent Azure-Wachstum, Micron wird zum Top-Pick mit Kursziel 325 Dollar. Ein Widerspruch? Nicht unbedingt. Denn hinter den glänzenden Quartalszahlen lauern Bewertungsrisiken, die selbst optimistische Analysten nicht mehr ignorieren können.

Burry gegen Palantir: Wenn der Krisenprophet Short geht

Michael Burry hat seine Karten auf den Tisch gelegt – und sie zeigen nach unten. Der Hedgefonds-Manager, dessen Wette gegen den US-Immobilienmarkt ihn berühmt machte, hat Put-Optionen auf Palantir und Nvidia erworben. Seine Begründung: überzogene Erwartungen an KI-Geschäftsmodelle. Kein Wunder also, dass Anleger nervös reagieren. Schließlich hat Palantir seit Jahresbeginn eine beeindruckende Rally hingelegt, getrieben von starken Auftragseingängen und wachsendem Interesse an KI-Lösungen für Regierungen und Unternehmen.

Doch Burry sieht die Sache anders. Er warnt vor einer Blase, die an die Dotcom-Ära erinnert – große Versprechungen, hohe Bewertungen, aber fragliche Profitabilität. Tatsächlich handelt Palantir derzeit zu Multiples, die selbst für Tech-Verhältnisse ambitioniert sind. Die Frage ist nicht, ob das Unternehmen wächst – das tut es zweifellos. Die Frage ist, ob das Wachstum die Erwartungen rechtfertigt, die in der Aktie stecken. Für deutsche Anleger bedeutet das: Vorsicht bei überhitzten KI-Werten, auch wenn die Fundamentaldaten stimmen.

Microsoft glänzt mit Azure – aber die Rechnung kommt noch

Während Burry skeptisch bleibt, liefert Microsoft Argumente für die Optimisten. Im ersten Quartal des Geschäftsjahres 2026 legte der Konzern beeindruckende Zahlen vor: 18 Prozent Umsatzwachstum auf 77,7 Milliarden Dollar, eine operative Marge von 49 Prozent und Azure mit einem Plus von 40 Prozent. Baird Securities startete die Aktie mit einem Kursziel von 600 Dollar und einem Outperform-Rating. Die Begründung: Microsoft führe die KI-Revolution an – von der Infrastruktur über Anwendungen bis zur Partnerschaft mit OpenAI.

Besonders bemerkenswert ist der Erfolg von Copilot, Microsofts KI-Assistenten, der mittlerweile 150 Millionen monatlich aktive Nutzer zählt. Das zeigt: Die Investitionen in künstliche Intelligenz zahlen sich aus. Doch es gibt einen Haken. Die Kapitalausgaben steigen dramatisch – von 88 Milliarden Dollar im Geschäftsjahr 2025 auf prognostizierte 143 Milliarden im laufenden Jahr. Das ist der Preis für den Ausbau der KI-Infrastruktur, für Rechenzentren und GPU-Kapazitäten. Baird rechnet zwar mit einem Free Cashflow von 74 Milliarden Dollar, aber die Frage bleibt: Wie lange können solche Investitionsniveaus aufrechterhalten werden, ohne die Margen zu belasten?

Nvidia vor dem Breakout-Quarter – oder der Bewährungsprobe?

Morgan Stanley erhöhte das Kursziel für Nvidia auf 220 Dollar und erwartet ein "Breakout-Quarter". Die Begründung klingt überzeugend: Die Blackwell-Plattform der nächsten Generation läuft schneller hoch als erwartet, Engpässe bei Racks sind gelöst, und die Nachfrage bleibt stark. Branchenkenner sprechen von "zweistelligen Preiserhöhungen", die tatsächlich weit übertroffen werden. Selbst CEO Jensen Huang deutete an, dass die Konsensschätzungen für die nächsten fünf Quartale um 70 bis 80 Milliarden Dollar zu niedrig sein könnten.

Klingt nach einer sicheren Wette? Nicht so schnell. Die Aktie notiert mittlerweile zehn Prozent unter dem Niveau, das sie nach Huangs Kommentaren erreicht hatte. Der Grund: Konkurrenz und Kosten. AMD und kundenspezifische ASICs gewinnen an Bedeutung, auch wenn Blackwell weiterhin der KI-Chip der Wahl bleibt. Zudem verlagern sich Wachstumsbeschränkungen von Nvidias eigener Produktion auf komplementäre Hardware – Speicher, Server, Rechenzentrumskapazitäten. Das bedeutet: Selbst wenn Nvidia liefern kann, könnten Kunden durch andere Engpässe gebremst werden. Die Zahlen am 19. November werden zeigen, ob die optimistischen Prognosen gerechtfertigt sind.

Micron als Top-Pick: DDR5-Preise verdreifachen sich

Während Nvidia im Rampenlicht steht, vollzieht sich bei Micron eine bemerkenswerte Entwicklung. Morgan Stanley hat den Speicherchip-Hersteller zum Top-Pick erklärt und das Kursziel auf 325 Dollar angehoben – der höchste Wert unter allen Analysten. Der Grund: eine sich anbahnende Verknappung bei DRAM, die an 2018 erinnert. Seit Morgan Stanley die Aktie vor einem Monat hochgestuft hat, haben sich die Spotpreise für DDR5 verdreifacht. Kunden berichten von einem Marktumfeld, das sich "am ehesten an 2018 erinnert" – nur dass die Gewinne bereits auf Rekordniveau liegen.

Das dürfte spannend werden. Analyst Joseph Moore spricht von "seriellen Aufwärtsrevisionen", die bereits in der kommenden Woche beginnen könnten. Die Bank prognostiziert für das Kalenderjahr 2026 einen Gewinn von 25 Dollar je Aktie – ein neues Allzeithoch. Der Treiber dahinter: KI-bedingte Nachfrage, die nicht nur HBM-Speicher (High Bandwidth Memory) betrifft, sondern auch konventionelle DRAM-Chips. Selbst wenn die Margen bei der Entwicklung von HBM4 unter Druck geraten sollten, würden die steigenden DDR5-Preise das mehr als ausgleichen. Für Anleger bedeutet das: Micron könnte einer der unterschätzten Profiteure des KI-Booms sein.

Puma am Boden: Technischer Rebound oder Strohfeuer?

Nicht alle deutschen Unternehmen profitieren vom Tech-Boom. Puma steckt in einer tiefen Krise. Die Aktie notiert auf dem Niveau von 2015, nachdem das dritte Quartal mit einem Umsatzrückgang auf 1,96 Milliarden Euro und einem operativen Ergebnis von nur 39,5 Millionen Euro enttäuschte. Unterm Strich stand ein Nettoverlust von 62,3 Millionen Euro. Der Cashflow rutschte mit minus 686 Millionen Euro tief in den roten Bereich, die Lagerbestände türmen sich auf über 2,1 Milliarden Euro.

CEO Arthur Hoeld bezeichnet 2025 offen als "Reset-Jahr". Das Unternehmen streicht 1.400 Stellen, wechselt in Nordamerika vom eigenen Vertrieb zum Lizenzmodell und fokussiert sich auf Fußball, Running, Training und Sportstyle. Erst 2027 soll wieder Wachstum möglich sein. Doch auf dem Chart zeigen sich drei bullische Divergenzen im RSI-Indikator – ein technisches Signal, das häufig eine Trendwende ankündigt. Spekulativ orientierte Anleger könnten hier eine Chance auf einen Rebound in Richtung 30 bis 32 Euro sehen. Allerdings bleibt das Risiko enorm: Fällt die Marke von 15,60 Euro, droht ein weiterer Absturz. Nur wer nervenstark ist und einen engen Stop-Loss setzt, sollte sich hier engagieren.

Barrick Gold profitiert vom Edelmetall-Boom

Während Tech-Werte schwanken, glänzt Barrick Gold mit Rekordergebnissen. Der Goldproduzent erhöhte die Basisdividende um 25 Prozent und kündigte ein Aktienrückkaufprogramm über 1,5 Milliarden Dollar an. Die Produktion stieg im dritten Quartal um vier Prozent auf 829.000 Unzen, während die All-In Sustaining Costs um neun Prozent auf 1.538 Dollar je Unze sanken – bemerkenswert in einem inflationären Umfeld. Mit fünf Milliarden Dollar an liquiden Mitteln und einer Verschuldungsquote von 0,14 steht Barrick solide da.

Das zeigt: In unsicheren Zeiten bleibt Gold ein Stabilitätsanker. Für deutsche Anleger, die ihr Portfolio diversifizieren wollen, könnte Barrick eine interessante Ergänzung sein – gerade wenn Tech-Werte volatil werden. Der Goldpreis profitiert von geopolitischen Spannungen und geldpolitischen Lockerungen, und Barrick ist gut positioniert, um davon zu profitieren. Die nächsten Monate werden zeigen, ob diese Strategie aufgeht.

Die Woche voraus: Nvidia, Palo Alto und Zoom im Fokus

Die kommenden Tage bringen wichtige Quartalszahlen. Am 19. November öffnen Nvidia und Palo Alto Networks ihre Bücher – zwei Schwergewichte im Cybersecurity- und KI-Bereich. Am 24. November folgt Zoom, und am 2. Dezember berichtet CrowdStrike. Diese Zahlen werden zeigen, ob die hohen Erwartungen an KI-getriebenes Wachstum gerechtfertigt sind oder ob Michael Burry mit seiner Skepsis recht behält.

Für deutsche Anleger bedeutet das: Aufmerksam bleiben, aber nicht blind folgen. Die Tech-Rallye hat beeindruckende Gewinne gebracht, doch die Bewertungen sind ambitioniert. Wer jetzt einsteigt, sollte wissen, dass er nicht nur auf Wachstum, sondern auch auf die Erfüllung hoher Erwartungen setzt. Diversifikation bleibt der Schlüssel – und manchmal lohnt sich auch ein Blick auf defensive Werte wie Gold.

Bis morgen – und bleiben Sie wachsam.

Beste Grüße
Andreas Sommer