Tesla, Bitcoin & Nvidia: Wenn Rekorde zu Belastungen werden
Liebe Leserinnen und Leser,
manchmal ist Erfolg das größte Problem. Diese Erkenntnis müssen gerade gleich mehrere Schwergewichte der Märkte durchleben: Bitcoin kämpft darum, die psychologisch wichtige 100.000-Dollar-Marke zu halten, Nvidia steht vor Quartalszahlen unter enormem Erwartungsdruck, und Tesla krempelt seine gesamte Lieferkette um. Was diese drei Geschichten verbindet? Die Last hoher Erwartungen – und die Frage, ob die bisherigen Erfolgsgeschichten weitergehen oder an ihre Grenzen stoßen. Werfen wir einen Blick auf die Gemengelage an den Märkten.
Bitcoin ringt mit der Schwerkraft
Der Krypto-Markt zeigt Ermüdungserscheinungen. Bitcoin rutschte in den vergangenen 24 Stunden unter die Marke von 93.000 Dollar und notiert aktuell bei rund 95.767 Dollar – ein Minus von 9,8 Prozent binnen Wochenfrist. Damit ist die gesamte Jahresperformance von 2,5 Prozent auf ein Minimum zusammengeschmolzen. Das Allzeithoch von 126.198 Dollar, erreicht am 7. Oktober, liegt mittlerweile 24 Prozent entfernt.
Die Gründe für den Rücksetzer sind vielschichtig. Institutionelle Investoren ziehen sich zurück: Allein am Freitag flossen 492 Millionen Dollar aus Bitcoin-Spot-ETFs ab, angeführt von Blackrocks iShares Bitcoin Trust mit rekordverdächtigen 463 Millionen Dollar. Über die gesamte Woche summieren sich die Abflüsse auf 1,1 Milliarden Dollar. Auch Ethereum bleibt nicht verschont – hier verließen 178 Millionen Dollar die ETF-Produkte.
Makroökonomische Unsicherheit tut ihr Übriges. Die Wahrscheinlichkeit einer Zinssenkung durch die US-Notenbank im Dezember ist auf magere 43,6 Prozent gesunken – vor einer Woche lag sie noch bei über 62 Prozent. Solange die Datenveröffentlichungen nach dem Ende des US-Regierungsstillstands noch ausstehen, bleiben Anleger vorsichtig. Der CMC Fear and Greed Index verharrt bei 17 Punkten im Bereich "Extreme Fear" – ein deutliches Zeichen für die angespannte Stimmung.
Interessant: Während Bitcoin schwächelt, zeigen sich vereinzelte Altcoins widerstandsfähig. Uniswap legte 1,8 Prozent zu, Ethena gewann 1,2 Prozent. Verlierer finden sich hingegen vor allem im AI- und Big-Data-Segment, wo Bittensor 4,4 Prozent und NEAR Protocol sogar 9,4 Prozent einbüßten.
Nvidia: Der Moment der Wahrheit rückt näher
Am Mittwochabend nach US-Börsenschluss ist es soweit: Nvidia legt seine Quartalszahlen vor. Für den Chipgiganten mit seiner 5-Billionen-Dollar-Bewertung könnte kaum mehr auf dem Spiel stehen. Analysten erwarten einen Nettogewinn von rund 29,4 Milliarden Dollar bei Erlösen von 54,8 Milliarden Dollar. Für das laufende Quartal rechnen Experten mit Umsätzen von 61,8 Milliarden Dollar.
Doch die Messlatte liegt hoch – vielleicht zu hoch. Die Nvidia-Aktie ist seit dem ChatGPT-Launch Ende 2022 um etwa 1.000 Prozent gestiegen und trägt rund 8 Prozent Gewicht im S&P 500 sowie 10 Prozent im Nasdaq Composite. Jede Enttäuschung könnte den gesamten Tech-Sektor mit nach unten reißen. Analysten von Vital Knowledge warnen bereits: Die steigenden Zweifel an der KI-Euphorie seien "größtenteils legitim" und würden auch bei starken Nvidia-Zahlen als Belastung wirken.
Das Paradoxon: Nvidias Erfolg wird zunehmend zum Problem für das gesamte KI-Ökosystem. Viele Deals in der Branche drehen sich im Kreis – Unternehmen kaufen Nvidia-Chips, um KI-Services anzubieten, die wiederum andere Firmen nutzen, um mehr Chips zu kaufen. Kritiker sprechen bereits von einer sich selbst verstärkenden Blase. BofA-Analysten sehen Nvidia kurzfristig in der schwierigen Lage, hohe Erwartungen bei gleichzeitig wachsender Skepsis rund um KI-Investitionen erfüllen zu müssen.
Vorbörslich zeigt sich die Aktie mit einem Plus von 0,4 Prozent noch stabil. Doch die wahre Bewährungsprobe steht erst bevor.
Anzeige: In meiner jüngsten Marktanalyse habe ich mich intensiv mit dem Halbleiter-Sektor und dem Chip-Krieg zwischen den USA und China auseinandergesetzt – ein Thema, das für Nvidias Zukunft entscheidend ist. In meinem Webinar zeige ich Ihnen, wie Sie von diesem Megatrend profitieren können und welche weiteren Chip-Profiteure neben Nvidia interessant sein könnten. Sie lernen konkret, wie die geopolitischen Verschiebungen die Tech-Landschaft verändern und welche Chancen sich daraus für Ihr Portfolio ergeben. Kostenlose Analyse: Chip-Sektor und die nächsten Gewinner
Tesla zieht sich aus China zurück – mit weitreichenden Folgen
Eine strategische Kehrtwende bei Tesla sorgt für Aufsehen: Der E-Auto-Pionier will künftig keine in China gefertigten Bauteile mehr für seine US-Modelle verwenden. Laut Wall Street Journal hat Tesla entsprechende Anweisungen an seine Zulieferer erteilt. Seit Jahresbeginn wurden bereits erste Komponenten ersetzt – ein Prozess, der sich über Monate hinziehen dürfte.
Die Gründe liegen auf der Hand: Zölle und politische Unsicherheiten machen die Planung schwierig. Für Tesla bedeutet das eine komplette Neuausrichtung seiner Lieferkette, die bisher stark auf chinesische Fertigung setzte. Die Frage ist, wie schnell und reibungslos dieser Umbau gelingen kann, ohne Produktionsverzögerungen oder Kostenexplosionen auszulösen.
An der Börse reagierte die Aktie am Montag im vorbörslichen Handel mit einem leichten Plus von 0,59 Prozent – eine bemerkenswert gelassene Reaktion angesichts der Tragweite der Entscheidung. Möglicherweise haben Investoren die Nachricht als längst überfällige Anpassung an geopolitische Realitäten eingepreist.
Alphabet bekommt Rückenwind von Buffett
Eine positive Überraschung gab es für Alphabet: Warren Buffetts Berkshire Hathaway hat eine neue Position im Wert von 4,3 Milliarden Dollar in der Google-Mutter aufgebaut. Die Aktie schoss daraufhin vorbörslich um 5,6 Prozent nach oben. Gleichzeitig reduzierte Berkshire seinen Apple-Anteil weiter – ein deutliches Signal, dass Buffett sein Tech-Portfolio umschichtet.
Für Alphabet kommt die Nachricht zur rechten Zeit. Nach Jahren, in denen die Investorenlegende den Tech-Boom weitgehend verpasste, setzt Buffett nun offenbar auf selektive Wetten im Sektor. Die Botschaft: Nicht alle Tech-Giganten sind gleich – und Alphabet gehört zu den Gewinnern dieser Neuausrichtung.
Siemens Energy klettert auf Rekordhoch – Analysten jubeln
Die Erfolgsstory von Siemens Energy geht weiter. Nach starken Jahreszahlen und erneut angehobenen Mittelfristzielen kletterte die Aktie am Montag um bis zu 3,7 Prozent auf ein neues Allzeithoch von 114,60 Euro. Seit Jahresbeginn summiert sich das Plus auf beeindruckende 125 Prozent – nur Rheinmetall schneidet im DAX noch besser ab.
Santander stufte die Aktie von "Neutral" auf "Outperform" hoch und sieht ein Kursziel von 135 Euro – fast 20 Prozent Luft nach oben. Auch die Deutsche Bank erhöhte ihr Ziel auf 130 Euro. Der Grund: Siemens Energy profitiert massiv vom KI-Boom, da die Rechenzentren der Tech-Giganten enorme Mengen an Energie benötigen. Analysten sehen die Aktie daher als "KI-Play" – eine Wette auf den Infrastrukturbedarf hinter der künstlichen Intelligenz.
Vorsichtiger bleibt JPMorgan mit einem "Neutral"-Rating. Analyst Phil Buller will erst den Kapitalmarkttag in dieser Woche abwarten, bevor er seine Einschätzung anpasst.
Suss Microtec überrascht mit ehrgeizigen Zielen
Der Halbleiterzulieferer Suss Microtec legte am Montag einen Kurssprung von bis zu 15 Prozent hin. Auslöser waren ambitionierte Wachstumsziele für 2030, die das Unternehmen auf einem Kapitalmarkttag präsentierte. Bis dahin will Suss den Umsatz jährlich um 9 bis 13 Prozent steigern – auf 750 bis 900 Millionen Euro. Die operative Marge soll zwischen 20 und 22 Prozent liegen.
Zum Vergleich: Für 2025 erwartet das Management Erlöse von 470 bis 510 Millionen Euro bei einer EBIT-Marge von 11 bis 13 Prozent. Die neuen Ziele liegen damit deutlich über dem Analystenkonsens, der nur von 4 Prozent jährlichem Wachstum ausging.
UBS-Analystin Madeleine Jenkins lobte die "mutigen Ziele", mahnte aber an, dass nun auch Taten folgen müssten. Entscheidend werde sein, ob die neuen Maschinen bei der Chipindustrie tatsächlich gut ankommen. Die Aktie erholte sich damit von einem schwierigen Oktober, in dem enttäuschende Quartalszahlen für einen Kurseinbruch gesorgt hatten.
Was diese Woche noch wichtig wird
Die kommenden Tage bringen weitere Klarheit. Neben Nvidias Quartalszahlen am Mittwoch stehen die Ergebnisse von Walmart, Target und Home Depot an – wichtige Indikatoren für die Konsumstimmung in den USA. Am Donnerstag folgt der lange verzögerte US-Arbeitsmarktbericht für September, auch wenn dieser angesichts der Verzögerung kaum noch neue Erkenntnisse liefern dürfte.
Für die Fed stehen mindestens vier Redner auf der Agenda, darunter Gouverneur Christopher Waller und der Präsident der New Yorker Fed, John Williams. Am Mittwoch werden zudem die Protokolle der Oktober-Sitzung veröffentlicht – ein weiteres Puzzleteil für die Zinsdebatte.
Die Märkte bleiben in der Schwebe zwischen Hoffnung und Vorsicht. Nvidia muss liefern, Bitcoin muss sich stabilisieren, und die Makrodaten müssen Klarheit schaffen. Bis dahin heißt es: abwarten und die Volatilität aushalten.
Einen erfolgreichen Start in die Woche wünscht Ihnen
Andreas Sommer








