Tesla, Bitcoin & Nvidia: Warum die Tech-Rallye ins Stocken gerät

Liebe Leserinnen und Leser,

während die Wall Street neue Rekorde jagt, bröckelt das Fundament bei den einstigen Lieblingen der Anleger. Tesla kämpft mit einer handfesten Identitätskrise, Bitcoin verliert seine wichtigste Käufergruppe und Nvidia sieht sich plötzlich mit unbequemen Fragen zu seinen Margen konfrontiert. Die Vorzeichen für den Oktober könnten kaum widersprüchlicher sein – und genau das macht die aktuelle Lage so brisant.

Die Tesla-Frage: Autobauer oder KI-Fantasie?

Die Quartalsauslieferungen stehen unmittelbar bevor, und bei Tesla deutet sich eine unangenehme Wahrheit an: Das Kerngeschäft schwächelt weiter. Während Elon Musk von Robotaxis und humanoiden Robotern schwärmt, zeigen die Verkaufszahlen in China und Europa eine andere Realität. Der E-Auto-Pionier hat sich in eine gefährliche Zwickmühle manövriert.

Die Bewertung spiegelt längst keine Automobilfirma mehr wider – mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis jenseits der 100 preist der Markt pure Zukunftsfantasie ein. Doch diese Fantasie bekommt Risse. Die versprochene Robotaxi-Revolution lässt auf sich warten, während BYD und andere chinesische Hersteller Tesla im wichtigsten Zukunftsmarkt das Leben schwer machen.

Besonders pikant: Analysten munkeln bereits über mögliche Produktionsdrosselungen in Grünheide. Die deutsche Gigafactory, einst als Speerspitze der europäischen Expansion gefeiert, könnte zum Symbol für Teslas Wachstumsprobleme werden.

Bitcoin: Wenn Unternehmen die ETFs überholen

Ein bemerkenswertes Phänomen zeichnet sich am Kryptomarkt ab: Firmen wie Strategy (ehemals MicroStrategy) haben die Bitcoin-ETFs als größte Käufergruppe abgelöst. Mit 1,31 Millionen Bitcoin in Unternehmensbilanzen wurde eine historische Marke überschritten. Das klingt nach Adoption im großen Stil – ist aber ein zweischneidiges Schwert.

Denn diese Unternehmen kaufen nicht aus operativen Gründen, sondern verwandeln sich in gehebelte Bitcoin-Wetten. Strategy etwa finanziert seine Käufe zunehmend über Schulden – ein gefährliches Spiel, das bei der nächsten Korrektur zum Brandbeschleuniger werden könnte. Die monatlichen Käufe von über 55.000 Bitcoin entsprechen dem 7,3-fachen der geschürften Menge. Diese extreme Nachfragekonzentration macht den Markt anfällig.

Die Ironie dabei: Während alle Welt auf institutionelle Adoption hofft, schaffen diese Treasury-Strategien neue Klumpenrisiken. Deutsche Anleger, die über ETPs oder Zertifikate in Bitcoin investiert sind, sollten diese Entwicklung genau beobachten. Ein Umdenken bei nur wenigen großen Treasury-Haltern könnte eine Kettenreaktion auslösen.

Nvidia und das Margenproblem

240 Dollar Kursziel – Barclays zeigt sich diese Woche bullish wie selten. Doch hinter den Kulissen rumort es. Die jüngsten Quartalszahlen offenbarten ein Detail, das vielen Anlegern entging: Die Margen im Rechenzentrumsgeschäft entwickeln sich nicht wie erhofft.

Das neue OpenAI-Deal mag auf den ersten Blick beeindruckend wirken – 100 Milliarden Dollar über mehrere Jahre. Doch Analysten rechnen vor: Nvidia agiert hier eher als Finanzier denn als Technologielieferant. Die Gewinnspannen solcher Deals liegen deutlich unter dem, was der Konzern mit direkten Chip-Verkäufen erzielt. Es ist, als würde Mercedes plötzlich ins Leasing-Geschäft einsteigen statt Autos zu verkaufen.

AMD und sogar Intel wittern ihre Chance. Während Nvidia mit Lieferengpässen kämpft, bauen die Konkurrenten ihre KI-Chip-Portfolios aus. Der Vorsprung schmilzt – langsam, aber stetig.

Die Quantencomputer-Blase platzt leise

D-Wave Quantum hat sich zur Warnung für alle Hype-Aktien entwickelt. Nach einer Rally von über 200 Prozent seit Jahresbeginn zeigen sich erste Ermüdungserscheinungen. Die Charttechnik sendet Alarmsignale: negative RSI-Divergenzen bei neuen Hochs – ein klassisches Zeichen für eine bevorstehende Korrektur.

Das eigentliche Problem liegt tiefer. Während Konkurrent IonQ mit spektakulären Durchbrüchen glänzt und die Rechenleistung um das 268-millionenfache steigerte, wirkt D-Waves Annealing-Technologie wie ein Relikt. Selbst ETF-Manager meiden die Aktie. Nur ein einziger Fonds traut sich noch an das Papier.

Der Fall D-Wave zeigt exemplarisch, was passiert, wenn Technologie-Versprechen auf Realität treffen. Deutsche Anleger, die auf den Quantencomputer-Zug aufgesprungen sind, sollten ihre Positionen überdenken. Ein Rücksetzer um 50 Prozent erscheint nicht nur möglich, sondern wahrscheinlich.

Xiaomi: Der heimliche Gewinner

Während alle auf Apple starren, vollzieht sich in Asien eine stille Revolution. Xiaomi übertrifft mit seinem neuen 17 Pro Max alle Erwartungen. Goldman Sachs sieht Kursziele von 66 Hongkong-Dollar – fast das Doppelte des aktuellen Niveaus.

Der Clou: Premium-Modelle machen erstmals über 80 Prozent der Verkäufe aus. Xiaomi wandelt sich vom Billiganbieter zum ernsthaften Apple-Konkurrenten. Für europäische Märkte bedeutet das verschärften Wettbewerb. Die Zeiten, in denen chinesische Hersteller nur über den Preis konkurrierten, sind vorbei.

Der Memory-Krieg beginnt

JPMorgan prognostiziert einen neuen Superzyklus im Speichermarkt. Bis 2027 soll der Markt auf 300 Milliarden Dollar wachsen, getrieben von KI-Rechenzentren und deren unstillbarem Hunger nach Hochleistungsspeicher.

SK Hynix, Samsung und Micron liefern sich ein Wettrennen um die nächste Generation von High-Bandwidth Memory. Die Gewinner dieses Rennens könnten die neuen Nvidias werden – unterschätzte Profiteure des KI-Booms. Deutsche Technologie-Fonds beginnen bereits, ihre Positionen anzupassen.

Die Memory-Aktien handeln noch mit deutlichem Abschlag zu ihren Wachstumsaussichten. Hier schlummert Potenzial, das viele Anleger übersehen, während sie gebannt auf die üblichen Verdächtigen starren.

Was die neue Woche bringt

Der Montag startet direkt mit Paukenschlag: Teslas Auslieferungszahlen könnten den Ton für die gesamte Tech-Branche setzen. Zeitgleich beginnt in Deutschland traditionell das vierte Quartal mit Umschichtungen in den großen Fonds. Die BASF-Warnung vom Freitag wirft zudem einen Schatten auf den gesamten DAX.

Die eigentliche Bewährungsprobe steht aber erst bevor: Die Earnings Season beginnt in zwei Wochen. Dann wird sich zeigen, ob die hohen Bewertungen gerechtfertigt sind oder ob wir gerade den Höhepunkt eines Zyklus erleben. Die Smart-Money-Investoren positionieren sich bereits defensiver. Die Rally mag weitergehen – aber die besten Tage liegen vermutlich hinter uns.

Bleiben Sie kritisch, bleiben Sie investiert, aber vor allem: Bleiben Sie diversifiziert. In Zeiten wie diesen trennt sich die Spreu vom Weizen.

Mit analytischen Grüßen aus einem nachdenklichen Sonntag,
Andreas Sommer


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Apropos Chip-Sektor: Gerade weil Nvidia und Tesla derzeit ins Straucheln geraten, lohnt sich der Blick auf weniger beachtete Player. In meinem aktuellen Lesetipp geht es um ein europäisches Halbleiter-Unternehmen, das in Analystenkreisen schon als "die neue Nvidia" bezeichnet wird – und dessen Technologie im Zentrum des globalen Chip-Wettlaufs steht. Wer verstehen möchte, wo das nächste große Wachstumsfeld entsteht, findet die Details hier: Die neue Nvidia – Hintergrundanalyse ansehen