Der österreichische Bauriese STRABAG testet ab heute einen wasserstoffbetriebenen Radlader. Das zweijährige Pilotprojekt markiert den Startschuss für eine klimaneutrale Baustelle bis 2040.

"Um bis 2040 klimaneutral zu werden, brauchen wir effektive Lösungen", erklärt STRABAG-CEO Stefan Kratochwill. Die Umstellung der Baumaschinenflotte auf erneuerbare Antriebe sei ein "essenzieller Hebel" für die Klimaziele.

Das Projekt ist Teil der Selbstverpflichtung des Konzerns gegenüber der Science Based Targets Initiative (SBTi). Bis 2030 sollen die direkten Emissionen um 42 Prozent sinken. Die Initiative kommt nicht von ungefähr: Die gesamte Branche steht unter enormem Druck.

EU-Gebäuderichtlinie zwingt zum Umdenken

Die im Mai 2024 in Kraft getretene EU-Gebäuderichtlinie (EPBD) gibt den Takt vor. Ihr Ziel: ein emissionsfreier Gebäudebestand bis 2050. Die Fristen sind knallhart:

  • Ab 2028: Alle neuen öffentlichen Gebäude müssen als Nullemissionsgebäude errichtet werden
  • Ab 2030: Diese Regel gilt für alle Neubauten
  • Bis 2030: 16 % der energetisch schlechtesten Nichtwohngebäude müssen saniert werden
  • Bis 2033: 26 % dieser Gebäude

Für Wohngebäude ist eine Reduktion des Primärenergieverbrauchs um 16 Prozent bis 2030 vorgesehen. Der Sektor ist schließlich für rund 35 Prozent der energiebedingten Treibhausgasemissionen in der EU verantwortlich.

Zertifikate werden zur Überlebensfrage

In diesem veränderten Marktumfeld entwickeln sich Nachhaltigkeitszertifikate zur entscheidenden Währung. Systeme wie DGNB und LEED schärfen kontinuierlich ihre Kriterien.

Die DGNB hat mit ihrer Systemversion 2023 bereits die Klimaschutz-Anforderungen verschärft. Für Anfang 2026 wird eine überarbeitete Version für Bestandsgebäude erwartet - mit stärkerem Fokus auf tatsächliche Performance und Biodiversität.

Parallel dazu setzt LEED v5 höhere Standards für Energieeffizienz und Klimaresilienz. Diese Zertifikate sind längst kein "Nice-to-have" mehr, sondern essenzieller Nachweis für ESG-Konformität.

Innovation über Wasserstoff hinaus

STRABAG ist nicht allein mit seinen Innovationsbemühungen. Andere Unternehmen treiben die Elektrifizierung ihrer Baumaschinenflotten voran. Axians testet bereits elektrifizierte Maschinen beim Glasfaserausbau.

Ein weiterer Hebel: die Kreislaufwirtschaft im Bauwesen. Die österreichische PORR Group recycelt Baustoffe wie Betonbruch und Asphalt in eigenen Anlagen. Ziel ist es, die Abhängigkeit von Primärrohstoffen zu verringern und CO2-Emissionen zu senken.

Gleichzeitig gewinnen alternative, CO2-arme Baustoffe an Bedeutung. Sie reduzieren die sogenannte "graue Energie" - also Emissionen aus Herstellung und Transport von Materialien.

Stranded Assets oder Premium-Anlagen?

Die Dekarbonisierung ist weit mehr als ökologische Notwendigkeit - sie ist ökonomischer Imperativ. Der Bausektor verantwortet über 37 Prozent der globalen energiebedingten CO2-Emissionen.

Die neuen EPBD-Vorgaben, kombiniert mit Investor-Anforderungen im Rahmen der EU-Taxonomie, definieren Immobilienwerte neu. Gebäude mit schlechter Energiebilanz drohen zu "Stranded Assets" zu werden - schwer finanzier- und verkaufbar.

Umgekehrt entwickeln sich zertifizierte, energieeffiziente Gebäude zu Premium-Anlagen. Wer jetzt nicht in Nachhaltigkeit investiert, riskiert den Anschluss an einen sich radikal verändernden Markt zu verlieren.

Der entscheidende nächste Schritt folgt bis Mai 2026: die Umsetzung der EPBD in nationales Recht durch die EU-Mitgliedstaaten. Dies wird nationale Bauordnungen und Energiegesetze verschärfen - und den Druck auf die Branche weiter erhöhen.