Wie entsteht Laborfleisch?

In-vitro-Fleisch, Cultured Meat, Clean Meat - die Fleischalternative aus dem Reagenzglas hat viele Bezeichnungen. Für die Herstellung von Laborfleisch wird einem Tier zunächst Muskelgewebe mittels Spritze entnommen. Die gewonnenen Muskelzellen werden auf ein Nährmedium, beispielsweise Kollagen, gesetzt, um zu wachsen und sich zu vermehren. Auf diese Art entstehen dünne Fleischschichten, die Hackfleisch ähneln. Die Optik der späteren Fleischprodukte muss allerdings durch weitere Prozesse imitiert werden. So forschen bereits einige Start-ups an 3D-Drucktechniken, die aus tierischen Stammzellen echt aussehende Fleischstücke drucken sollen.

 

Viel Umsatzpotential aber auch hohe Kosten

Nicht nur Start-ups sehen in Laborfleisch eine weite Spielwiese mit hohen Umsatzaussichten. Auch große Konzerne stehen in den Startlöchern und investieren teilweise kräftig in die Forschung und Entwicklung von in-vitro-Fleisch. Der sehr erfolgreiche Start der Beyond Meat Aktie an der Börse im Mai 2019 hat der Branche gezeigt, wie viel Potenzial in alternativen Fleischprodukten steckt. Immer mehr Menschen entwickeln ein Bewusstsein für Klima, Umwelt und ethische Tierhaltung. Das regt auch den Markt an, hier Alternativen zu entwickeln.

 

Zwar gibt es noch keine reine Aktie für Laborfleisch an der Börse, allerdings sind einige DAX-Konzerne in der Forschung und Entwicklung für in-vitro-Fleisch beteiligt. Dazu gehört zum Beispiel das Forschungsunternehmen Merck, das in die Firma Mosa Meat investierte und so bereits 2013 den ersten in-vitro Burger entwickelte. Merck positioniert sich außerdem als Technologieanbieter für Start-ups im Bereich der Laborfleisch-Entwicklung. Auch die Lebensmittelkonzerne Nestlé, Tyson Foods und die Strauss Group loten das Potenzial von Laborfleisch aus oder investieren bereits in dessen Forschung.

 

Noch sind die Kosten für die Herstellung von Laborfleisch allerdings sehr hoch. Rund 300 Millionen Euro wurden im vergangenen Jahr in die Forschung von in-vitro-Fleisch investiert. Laut einer gemeinsamen Studie der Boston Consulting Group und des Organic-Food-Herstellers Blue Horizon stehen die Umsatzaussichten dennoch gut. So werden bis 2035 11 bis 22 % aller Milch-, Fleisch- und Eiprodukte im Labor entstehen und die Kosten für diese alternativen Proteinquellen stetig fallen. Die Unternehmen schätzen in ihrer Studie das gesamte Umsatzvolumen der Branche für 2035 auf 290 Milliarden US-Dollar.

 

EU-Kommission fördert Laborfleisch mit 2 Millionen Euro

Auch die Europäische Union sieht in Laborfleisch eine Chance, um ökologische Probleme wie Massentierhaltung, hohe Treibhausgasemissionen und Bodenverschmutzung zu reduzieren. Die EU-Kommission stellt daher im Rahmen des Projekts “Feed for Meat” 2 Millionen Euro zur Verfügung, um die Entwicklung von Laborfleisch zu fördern und dessen Entwicklungskosten zu senken. Das Geld stammt aus dem Wiederaufbaufonds „Next Generation EU”, der zum Finanzrahmen der Kommission für die Bewältigung der Covid-19-Pandemie gehört.

 

In diesem Projekt arbeitet das Unternehmen Mosa Meat zusammen mit der Tiernahrungsfirma Nutreco unter anderem daran, die Nachhaltigkeit der Wertschöpfungskette von zellulärer Landwirtschaft zu fördern. Die Förderung der EU-Kommission ist ein wichtiger Beitrag, denn alternative Fleischprodukte wie Laborfleisch benötigen für den Markteintritt in der Europäischen Union eine Zulassung und eine Genehmigung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA). Mosa Meat plant, in der ersten Hälfte des Jahres 2022 Hamburger aus Laborfleisch in Europa auf den Markt zu bringen.

 

Wird Laborfleisch konventionelles Fleisch komplett ablösen?

In-vitro-Fleisch birgt viele Vorteile in Sachen Umweltschutz und Tierwohl, denn für die Produktion müssen keine Tiere massenhaft geschlachtet werden. Auch die Abholzung von Wäldern für die landwirtschaftliche Nutzung und für den Anbau von Tierfutter kann durch den Verkauf von Laborfleisch reduziert werden, ebenso die Treibhausgasemissionen und der Wasserverbrauch.

 

Bis Laborfleisch allerdings reif für den Markt ist, dürften noch mindestens fünf bis zehn Jahre vergehen. Zu groß sind momentan die Hürden, wie das Züchten von Laborfleisch in großen Mengen oder das Nachahmen von fleischartigen Texturen wie Rindersteaks. Die Produktion ist außerdem sehr energieintensiv. Die Forschung ist hier immer noch ganz am Anfang.

 

Auch die Akzeptanz von in-vitro-Fleisch bei den Menschen muss sich erst noch weiter entwickeln. Die Bedenken von Verbrauchern sind zum Beispiel, dass Laborfleisch weniger Nährwerte enthält oder dass es für unnatürlich angesehen wird. Insgesamt ist den Verbrauchern Laborfleisch immer noch zu unbekannt und stößt daher auf Skepsis. Viele Menschen, die sich strikt vegan ernähren, würden Laborfleisch außerdem ablehnen, da es faktisch immer noch vom Tier stammt.

 

Der Fleischmarkt der Zukunft könnte also eher dreigeteilt sein: Ein Drittel könnte konventionelles Fleisch sein, ein Drittel wären Produkte aus pflanzlich hergestellten Fleischersatzprodukten und ein Drittel aus Laborfleisch.