Eine Serie schwerer Knieverletzungen bei Top-Springerinnen erschüttert den Skisport. Drei Olympia-Kandidatinnen erlitten binnen Tagen Kreuzbandrisse auf der neuen Olympiaschanze in Predazzo. Der Weltverband reagiert mit einer Krisensitzung in Zürich, während Experten radikale Änderungen fordern.

Die Vorfreude auf Olympia 2026 ist einer ernsten Sicherheitsdebatte gewichen. Nach den dramatischen Verletzungen zogen Österreich und Kanada ihre Athletinnen aus dem Wettkampf zurück. Jetzt steht der gesamte Sport am Scheideweg: Wie viel Risiko ist für sportliche Fortschritte vertretbar?

Drei Olympia-Träume zerplatzt

Das Sommer-Grand-Prix-Springen im Val di Fiemme wurde zum Alptraum für die Frauen-Konkurrenz. Eva Pinkelnig (Österreich), Alexandria Loutitt (Kanada) und Haruka Kasai (Japan) erlitten alle schwere Kreuzbandrisse.

Bei Pinkelnig, der Gesamtweltcupsiegerin von 2022/23, sind zusätzlich beide Menisken im linken Knie gerissen. Für sie und Loutitt bedeutet das: Saison-Aus und keine Olympia-Teilnahme.

Die Häufung identischer Verletzungen an einem Wochenende lässt Experten aufhorchen. "Von Pech kann bei drei so identen Verletzungen nicht mehr die Rede sein", urteilt die Fachwelt.

Schanze "nicht gelungen" - FIS räumt Fehler ein

Die neugebaute Normalschanze gerät massiv unter Beschuss. Deutschlands Sportdirektor Horst Hüttel nennt das Profil schlicht "nicht gelungen".

Selbst FIS-Renndirektor Sandro Pertile gesteht Planungsfehler ein: "Besonders auf der Normalschanze brauchen wir Korrekturen. Vielleicht ist uns bei der Kalkulation ein Fehler unterlaufen."

Material-Debatte: Zu viel Auftrieb wird zur Gefahr

Neben der Schanzenkonstruktion steht das Material der Frauen im Fokus. Die aktuellen Sprunganzüge erzeugen offenbar zu viel Auftrieb - mit dramatischen Folgen für die Landung.

Extrem hohe Flugkurven führen zu unkontrollierbaren Landungen mit enormen Kräften auf die Knie. Österreichs Chiara Kreuzer fordert ein Umdenken: "Man sollte einen Schritt zurück machen, dass wir ein bisschen gebremst werden und harmonischer zur Landung kommen."

Radikaler Vorschlag: Weg mit dem Telemark

Ex-Weltmeister Martin Schmitt bringt die umstrittenste Idee ins Spiel: die Abschaffung der traditionellen Telemark-Landung. Seine Begründung: Die Verletzungen entstehen oft schon beim ersten Bodenkontakt, nicht durch den Sturz.

"Das Typische ist, dass nicht die Verletzungen wegen des Sturzes passieren, sondern der Sturz wegen der Verletzung", erklärt der TV-Experte. Moderne Materialien hätten die Belastung auf die Kreuzbänder dramatisch erhöht.

Frauen-Springen an der Belastungsgrenze

Die Verletzungsserie zeigt: Das Damen-Skispringen hat sich rasant entwickelt - möglicherweise zu schnell. Während die Athletinnen immer größere Weiten erreichen, stößt das System aus Mensch und Material an seine Grenzen.

Bezeichnend: Alle schweren Stürze ereigneten sich im Frauen-Wettbewerb. Die Männer blieben verschont. Das unterstreicht die Dringlichkeit materialspezifischer Anpassungen für die Frauen.

Was kommt nach der Krisensitzung?

Die FIS muss jetzt handeln. Erste Maßnahmen könnten schnell kommen:

  • Sofortmaßnahme: Neue Regeln für Frauen-Sprunganzüge zur Auftriebsreduzierung
  • Mittelfristig: Umbau des Schanzenprofils in Predazzo
  • Langfristig: Diskussion über die Telemark-Abschaffung

Die Ereignisse von Predazzo werden den Skisprungsport nachhaltig verändern. Die Frage ist nur noch: Wie radikal wird der Wandel?