BÖRSE EXPRESS: Sie haben kürzlich die Roadmap 2025 für den Bankenplatz Liechtenstein veröffentlicht. Die Schlagworte sind „Wachstum durch Innovation und Nachhaltigkeit“. Gegenüber der Roadmap 2020 kam die Innovation dazu. Was kann ich mir darunter vorstellen und heißt das, dass das Thema Nachhaltigkeit nun nicht mehr oberste Priorität hat? Oder sind Sie bei der Umsetzung schon so weit, dass man sich den nächsten Dingen widmen kann?

SIMON TRIBELHORN: Ich bin davon überzeugt, dass sich die beiden Schlagworte nicht ausschließen, sondern vielmehr sogar gegenseitig bedingen: Nachhaltigkeit ist und muss ein Teil der Innovation sein. Andererseits muss Innovation nachhaltig sein. Grundsätzlich glaube ich, dass nachhaltiges Geldanlegen Mainstream wird. Und wenn ich mich als Bank beziehungsweise Bankenplatz wettbewerbsfähig aufstellen will, muss ich überlegen, was das für mein Geschäftsmodell für Konsequenzen hat. Das Gleiche gilt für die Digitalisierung, d.h. wie diese dazu genutzt werden kann, um meine Dienstleistungen noch attraktiver anbieten zu können. Die ganze Bankenbranche muss sich hier neu erfinden.

 

BÖRSE EXPRESS: Heißt Mainstream, dass man ohne Nachhaltigkeit nicht bestehen wird können?

SIMON TRIBELHORN: Ja, absolut. Wer nicht nachhaltig agiert, wird langfristig am Markt ein sehr großes Problem haben und nicht mehr wettbewerbsfähig sein. Glaubwürdiges nachhaltiges Agieren wird für die Existenzberechtigung entscheidend sein.

 

BÖRSE EXPRESS: Was könnte so ein Beispiel für die angesprochene attraktivere Dienstleistung sein?

SIMON TRIBELHORN: Eines von vielen: Mit den heutigen digitalen Möglichkeiten kann man den Impact eines Anlageportfolios transparent aufzeigen, für den Kunden greifbarer und damit auch erlebbarer machen, kurzum: die User Experience, also das Kundenerlebnis steigern.

 

BÖRSE EXPRESS: Eigentlich setzen alle Finanzplätze auf das Thema Nachhaltigkeit. Was macht den Ansatz Liechtensteins besonders oder anders?

SIMON TRIBELHORN: Letztendlich werden wir an der Ernsthaftigkeit gemessen, mit der wir das Thema leben. Die Kunden sind zurecht kritisch und werden immer genauer hinschauen, ob nicht einfach Greenwashing dahintersteckt. Aufgrund der erst kürzlich bekannt gewordenen Fälle, ist diese Tendenz bereits zu beobachten. Wir werden es uns also am Ende des Tages nicht leisten können, nicht nachhaltig zu sein: transparent und messbar nachhaltig zu sein. Wir müssen Nachhaltigkeit aber auch ganzheitlich sehen. Mir ist der Hype derzeit zu sehr auf die Ökologie ausgerichtet, auch wenn das sicher der wichtigste und vordringlichste Aspekt ist. Die Themen Soziales und Governance müssen aber genauso berücksichtigt werden. Beispiel: ist die Produktion von Solarpaneelen mittels Kinderarbeit nachhaltig? Ich glaube, wir alle würden das verneinen. Es braucht also einen ganzheitlichen Ansatz und genau das ist uns wichtig. Und hier verfügen unsere Banken auch bereits über umfangreiches Know-how.

 

BÖRSE EXPRESS: Kürzlich ging Ihr Bankenverband eine Partnerschaft mit dem kanadischen Blockchain Research Institute ein. Wie beurteilen Sie das Thema Kryptowährungen bzw. Blockchain aus Bankensicht?

SIMON TRIBELHORN: Zunächst halte ich es für ganz wichtig, rein begrifflich zwischen Krypto-Assets und Blockchain zu unterscheiden. Blockchain ist die zugrundeliegende Technologie und diese wird zweifelsohne längerfristig Bestand und große Auswirkungen auf unsere Branche haben, teilweise mit der Ausschaltung von Intermediären, da die gesamte althergebrachte Wertschöpfungskette aufgebrochen wird. Die Blockchain wird aber auch dazu führen, bestehende Prozesse bedeutend effizienter und automatisierter auszugestalten: Stichwort smart contracts usw. Und gerade im Banking ist der vorherrschende Margendruck ein großes Thema. Blockchain beinhaltet also ein riesiges Potenzial, weshalb wir nicht darum herumkommen, uns damit beschäftigen zu müssen.

 

BÖRSE EXPRESS: Wenn Sie die Ausschaltung von Intermediären ansprechen: eher bei Börsen, eher bei Banken, bei beiden?

SIMON TRIBELHORN: Man braucht weiter einen regulierten Markt, denn Vertrauen wird eine zentrale Rolle spielen. Man braucht auch einen Ansprechpartner, es wird in Zukunft aber nicht zwangsläufig mehr eine Bank für Bank- oder bankähnliche Finanzdienstleistungen gebraucht.

 

BÖRSE EXPRESS: Liechtenstein ist eines der ersten Länder, das einen gesetzlichen Rahmen für Blockchain-Anwendungen geschaffen hat. Warum bei diesem Thema vorpreschen?

SIMON TRIBELHORN: Aus Gründen der Rechtssicherheit und Planbarkeit. Neue Marktteilnehmer brauchen das für ihr Geschäft und ist somit auch für die Standortwahl ein ganz entscheidender Faktor. Aber auch, um frühzeitig das Thema Geldwäscherei-Bekämpfung zu regeln. Wir möchten keine Finanzdienstleistungen in Liechtenstein anziehen, die nicht geldwäschereguliert sind.

 

BÖRSE EXPRESS: Muss sich der Bankenplatz Liechtenstein vor der Konkurrenz Robo-Advisor fürchten?

SIMON TRIBELHORN: Robo-Advisor werden in Zukunft eine zunehmende Rolle spielen, davon bin ich überzeugt. Für reine Robo-Advisor sehe ich v.a. bei kleineren Vermögen ein großes Potenzial. So kann Anlageberatung oder Vermögensverwaltung tailor-made und doch sehr kostengünstig angeboten werden. Bei höheren Vermögen will der Kunde weiterhin einen persönlichen Ansprechpartner, eine echte und nachhaltige Beziehung haben. Das ist und wird zu einem hohen Grad ein People-to-People-business bleiben.

 

BÖRSE EXPRESS: Ist ein Robo-Advisor bei einer liechtensteinischen Bank überhaupt denkbar, oder passt das so überhaupt nicht zum klassischen gehoben Privatkunden und darüber?

SIMON TRIBELHORN: Die Geldanlage per Sparbuch ist heute für alle Kunden ein Verlustgeschäft. Weshalb sollen wir dann nicht mit dem vorhandenen Know-how Anlageberatung unter Einsatz eines Robo-Advisors auch ab tieferen Beträgen einsetzen und so zusätzlich Mehrwert für Kunden schaffen?

 

BÖRSE EXPRESS: Die wahrscheinlich wichtigste Frage zum Schluss: Wieso soll jemand einer liechtensteinischen Bank überhaupt sein Geld anvertrauen? Im Hinterkopf schwirrt manchen sicher noch die Causa Klaus Zumwinkel und der Verkauf von Kundendaten an ausländische Finanzbehörden herum.

SIMON TRIBELHORN: Liechtenstein und seine Banken halten die Europäischen und internationalen Standards ein; das haben wir in den vergangenen Jahre eindrücklich unter Beweis gestellt – Stichwort: Early Adopter beim Automatischen Informationsaustausch, etc. Das sind aber die Basics und bilden das Fundament eines jeglichen korrekten Geschäftsgebahrens. Damit machen wir noch kein Geschäft; das wird von uns erwartet – ist also eine Selbstverständlichkeit Weil ich davon überzeugt bin, dass liechtensteinische Banken gerade in ihrem Kerngeschäft internationales Private Banking eine langjährige und erfolgreiche Erfahrung und Expertise aufweisen. Es ist also die Mischung aus Erfahrung im Kerngeschäft, einem stabilen Währungsraum, dem Zugang zu zwei Wirtschaftsräumen, einer stabilen Politik, gelebter Diversität … und alle Banken sind ebenfalls sehr stabil aufgestellt. Mit einem Wort: Die Qualität und Stabilität des Finanzplatzes und seiner Banken ist gegeben. Ich kann folglich jedem Kunden mit gutem Gewissen eine liechtensteinische Bank empfehlen. 

 

Über Liechtensteinischer Bankenverband

Der Liechtensteinische Bankenverband wurde 1969 gegründet und ist die Stimme der in Liechtenstein tätigen Banken im In- und Ausland. Als Mitglied des Europäischen Bankenverbandes (EBF), des European Payments Council (EPC), des European Parliamentary Financial Services Forums (EPFSF) sowie des Public Affairs Councils (PAC) ist der Verband ein wichtiges Mitglied von Schlüsselgremien auf europäischer Ebene und spielt eine aktive Rolle im europäischen Gesetzgebungsprozess. Seit 2017 ist der Liechtensteinische Bankenverband zudem Mitglied des Public Affairs Council (PAC) mit Büros in Washington und Brüssel und seit März 2018 Mitglied des internationalen Netzwerks ‚Financial Centres for Sustainability‘.

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Über Simon Tribelhorn

Simon Tribelhorn ist Geschäftsführer des Liechtensteinischen Bankenverbands (LBV) und Mitglied des Vorstandes von Liechtenstein Finance. Nach seinem Studium an der Hochschule St. Gallen war der Jurist sechs Jahre in der Bankbranche tätig, zuletzt vier Jahre als Rechtskonsulent im Bereich Legal/Compliance bei einer größeren Schweizer Bank. Seit Februar 2006 ist er für den Liechtensteinischen Bankenverband tätig, zunächst als Jurist, später als stellvertretender Geschäftsführer. Im Januar 2010 wurde er zum Geschäftsführer ernannt.

 

 

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