Showdown in Amerika: Wenn Demokratie auf der Straße verteidigt wird

Showdown in Amerika: Wenn Demokratie auf der Straße verteidigt wird
Guten Tag aus Berlin,
während wir in Europa gespannt auf die Bundestagswahl im Februar schauen, brodelt es auf der anderen Seite des Atlantiks gewaltig. Sieben Millionen Amerikaner – stellen Sie sich das vor – gingen gestern unter dem Motto "No Kings" auf die Straße. Von New York bis Los Angeles, von Pittsburgh bis El Paso. Die größten Proteste seit Trumps Amtsantritt, und das will etwas heißen.
Was treibt Menschen massenhaft auf die Straße, wenn die Börsen doch eigentlich brummen? Die Antwort liegt in einer tiefsitzenden Angst um die amerikanische Demokratie – und in wirtschaftspolitischen Verwerfungen, die auch uns in Europa unmittelbar betreffen. Denn was in Washington entschieden wird, hallt durch die Handelsräume in Frankfurt und die Konzernzentralen in München nach.
Die Ökonomie der Angst
"Wir sind am Kipppunkt zum Faschismus", sagte eine junge Demonstrantin in Manhattan. Drastische Worte, aber sie spiegeln eine Stimmung wider, die sich auch in harten Wirtschaftsdaten zeigt. Der teilweise Regierungsstillstand hat Zehntausende Bundesangestellte in den Zwangsurlaub geschickt. Die Kosten importierter Güter sind seit Trumps Amtsantritt um 4% gestiegen – seine Zollpolitik zeigt Wirkung, nur nicht die erhoffte.
Besonders pikant: Während Trump sich als Wirtschaftsretter inszeniert, vertrauen laut Reuters/Ipsos-Umfragen nur noch 27% der Amerikaner seiner Wirtschaftspolitik. Die Lebenshaltungskosten explodieren förmlich – Strompreise plus 6,2%, Gaspreise plus 13,8% binnen eines Jahres. Das sind keine abstrakten Prozentzahlen, das spürt jeder Haushalt im Geldbeutel.
Für deutsche Exporteure ist diese Entwicklung ein Alarmsignal. Die Zollspirale dreht sich weiter, und wenn Trump seine Drohungen wahrmacht, könnten bald wieder 100%-Zölle auf chinesische Waren folgen. Das würde die ohnehin angespannten Lieferketten endgültig aus dem Gleichgewicht bringen.
Die Gouverneurswahlen als Stimmungstest
Während die Massen demonstrierten, zeichnet sich in drei Bundesstaaten ein bemerkenswerter politischer Wandel ab. In New Jersey, Virginia und – besonders spannend – New York stehen im November Gouverneurswahlen an. Die Demokraten haben sich auf ein gemeinsames Rezept verständigt: Bezahlbarkeit als zentrales Wahlkampfthema.
Mikie Sherrill in New Jersey verspricht einen "Affordability Agenda", Energie-Notstand inklusive. Abigail Spanberger in Virginia will Tech-Giganten zur Kasse bitten, um die Stromkosten zu senken. Und in New York? Da fordert der demokratische Sozialist Zohran Mamdani nichts weniger als Mietenstopp und staatliche Supermärkte.
Was wie lokale Politik klingt, hat globale Bedeutung. Diese Bundesstaaten sind wirtschaftliche Schwergewichte – allein New York hat ein BIP größer als Spanien. Wenn dort die Politik radikal umschwenkt, spüren das auch deutsche Investoren in ihren US-Portfolios.
CDU und die Brandmauer: Deutschlands eigene Zerreißprobe
Apropos politische Verwerfungen: Die CDU-Spitze trifft sich heute zur Klausur, und das Hauptthema könnte brisanter nicht sein. Wie hält man es mit der AfD, die mittlerweile in Umfragen gleichauf mit der Union liegt? Friedrich Merz hatte 2018 vollmundig verkündet, die AfD halbieren zu wollen. Stattdessen hat sie sich verdoppelt.
Die Parallelen zu Amerika sind frappierend. Auch dort warnen Demokraten vor dem Zusammenbruch demokratischer Normen, während Republikaner von "Systemchange" sprechen. Die CDU steht vor einem Dilemma: Weiter auf strikte Abgrenzung setzen oder der Realität in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern ins Auge sehen, wo die AfD auf 40% zusteuert?
Wirtschaftlich ist diese Frage hochrelevant. Politische Unsicherheit ist Gift für Investitionen. Schon jetzt meiden internationale Konzerne ostdeutsche Standorte, wo die politische Lage unklar ist. Eine weitere Polarisierung könnte diese Tendenz verstärken.
Nahost-Poker mit globalen Folgen
Und als ob das noch nicht genug wäre, eskaliert auch der Konflikt zwischen Israel und der Hamas wieder. Die USA warnen vor einem "unmittelbar bevorstehenden" Angriff der Hamas auf palästinensische Zivilisten. Netanyahu hält den Grenzübergang Rafah geschlossen. Die fragile Waffenruhe wackelt.
Was hat das mit unserer Wirtschaft zu tun? Mehr als Sie denken. Jede Eskalation im Nahen Osten treibt die Ölpreise. Jede Unsicherheit verteuert Transportwege. Und die Drohung Trumps, notfalls militärisch einzugreifen – "es gibt Leute ganz in der Nähe, die das machen würden" – könnte eine neue Spirale der Gewalt auslösen.
Hoffnungsschimmer aus der Pharmabranche
Inmitten all dieser Krisen gibt es auch Lichtblicke. Die Biotech-Firma Faeth Therapeutics meldet vielversprechende Ergebnisse ihrer DICE-Studie gegen Eierstockkrebs. 45% längere progressionsfreie Überlebenszeit – das sind Zahlen, die Hoffnung machen.
Für den Pharmastandort Europa ist das ein wichtiges Signal. Die Studie lief in Großbritannien und Deutschland, nicht in den USA. Es zeigt: Trotz aller politischen Turbulenzen bleibt Europa ein Zentrum medizinischer Innovation. Deutsche Biotech-Aktien dürften morgen mit Interesse beobachtet werden.
Anzeige: Apropos Innovation – die geopolitischen Verschiebungen betreffen nicht nur Pharmakonzerne. Auch die Chip-Industrie steht vor einer tektonischen Wende. Während die USA und China um technologische Vorherrschaft ringen, entstehen in Europa neue Chancen – gerade für Anleger, die frühzeitig Trends erkennen. Ich habe mir dazu eine aktuelle Analyse des sogenannten „Megatrend-Tsunami 2025“ angesehen, die spannend beleuchtet, welches europäische Halbleiterunternehmen jetzt vom globalen Chip-Wettrüsten profitieren könnte. Hier können Sie den Bericht lesen.
Ausblick: Eine Woche voller Weichenstellungen
Die kommende Woche wird spannend. Am Dienstag will sich Trump möglicherweise mit Putin in Budapest treffen – ohne den ukrainischen Präsidenten. Die Märkte werden jeden Hinweis auf eine mögliche Deeskalation oder weitere Eskalation genau beobachten.
Am Mittwoch dann die US-Einzelhandelsumsätze für September – ein wichtiger Gradmesser für die Konsumstimmung. Und gegen Ende der Woche melden Microsoft, Meta und Amazon ihre Quartalszahlen. Nach dem KI-Hype der letzten Monate wird sich zeigen, ob die Billionen-Investitionen Früchte tragen.
In Deutschland richtet sich der Blick auf die Ifo-Geschäftsklimaindex am Donnerstag. Nach Monaten der Tristesse hoffen viele auf erste Anzeichen einer Besserung. Die Märkte sind nervös, aber nicht panisch. Noch nicht.
Was wir gerade erleben, ist mehr als nur politisches Theater. Es ist ein Kampf um die Spielregeln der Weltwirtschaft. Ob in Washington, Berlin oder Tel Aviv – überall werden gerade die Weichen für die kommenden Jahre gestellt. Die Demonstranten in Amerika haben es auf ihre Plakate geschrieben: "No Kings". Keine Könige, keine Autokraten. Aber was kommt stattdessen?
Diese Frage werden wir alle gemeinsam beantworten müssen.
Einen nachdenklichen Sonntag wünscht Ihnen
Eduard Altmann
P.S.: Die 93-jährige Stephanie, die gestern in New York demonstrierte und schon gegen den Vietnamkrieg auf der Straße war, sagte etwas Bemerkenswertes: "Dieser Präsident ist so schlimm, dass wir etwas tun müssen." Wenn eine Frau, die so viel erlebt hat, so alarmiert ist – sollten wir dann nicht alle etwas genauer hinschauen?