SAP, Rheinmetall & Novo Nordisk: Wenn Analysten die Karten neu mischen

SAP, Rheinmetall & Novo Nordisk: Wenn Analysten die Karten neu mischen
Liebe Leserinnen und Leser,
manchmal braucht es nur einen einzigen Anruf, um die Stimmung an der Börse komplett zu drehen. SAP-Finanzvorstand Dominik Asam hat gestern Abend genau das geschafft – und heute explodiert die Aktie förmlich nach oben. Doch während sich Walldorf über ein kräftiges Kursplus freut, spielen sich in anderen Ecken des Marktes wahre Dramen ab: Meyer Burger erklärt sich für tot, ProSiebenSat.1 stürzt ins Bodenlose und bei Novo Nordisk wittern Analysten plötzlich wieder Morgenluft.
Die Wende nach der Wende
SAP ist heute der Star im DAX – mit fast 4 Prozent Plus katapultiert sich der Software-Riese an die Spitze des deutschen Leitindex. Was war passiert? Jefferies-Analyst Charles Brennan hatte gestern Nacht nach einem Gespräch mit dem Finanzchef eine bemerkenswerte Kehrtwende vollzogen: Statt der zuletzt dominierenden Skepsis sieht er plötzlich wieder 30 Prozent Aufwärtspotenzial bis zu seinem Kursziel von 290 Euro.
Die Ironie dabei: Noch vor wenigen Tagen schien SAP wie ein Klotz am Bein des DAX zu hängen. Während Oracle und Alphabet in den USA neue KI-getriebene Rekorde feierten, dümpelte die deutsche Software-Ikone vor sich hin. Die Übernahme des KI-Personaldienstleisters SmartRecruiters? Verpuffte ohne größere Marktreaktion.
Doch Brennan erinnert nun an das, was viele Anleger in der jüngsten Schwächephase vergessen hatten: SAP verfügt über vielfältige Hebel für dauerhaftes Wachstum. Das Cloud-Geschäft mag sich verlangsamt haben, aber der Konzern blickt optimistisch auf 2027 – und genau diese Langfristperspektive scheint den Markt heute zu elektrisieren.
Rheinmetall: Die Rendite-Maschine läuft weiter
Während SAP seine Erholung feiert, setzt Rheinmetall seinen beispiellosen Siegeszug fort. Mit einem Jahresplus von mittlerweile 184 Prozent (nicht 213%, wie zunächst kolportiert) thront der Rüstungskonzern unangefochten an der DAX-Spitze. Die Geschichte dahinter liest sich wie ein Lehrbuch für antizyklisches Investieren: Fondsmanager Christopher Hart von Boston Partners erzielte mit seiner frühen Rheinmetall-Wette über 2.000 Prozent Rendite – und stieg trotzdem aus.
Warum verkauft jemand nach solch einem Erfolg? Hart folgt seiner "Drei-Kreise-Regel" und sieht das maximale Momentum bereits erreicht. Doch der Markt sieht das anders: Die Übernahme der NVL-Marinesparte von Lürssen zeigt, dass Rheinmetalls Expansionshunger ungebrochen ist. Mit HENSOLDT und RENK im Schlepptau hat sich ein ganzer Sektor verselbstständigt – die geopolitische Lage macht's möglich.
Das Pharma-Karussell dreht sich
Bei den Pharmariesen vollzieht Berenberg heute eine spektakuläre Rochade: Novo Nordisk wird von "Hold" auf "Buy" hochgestuft, während Eli Lilly den umgekehrten Weg geht. Die Begründung ist faszinierend: Nach einem Kurssturz von 65 Prozent seit Mitte 2024 seien bei den Dänen die Erwartungen endlich auf ein realistisches Niveau zurückgekommen.
Das Kursziel wurde zwar von 610 auf 425 Dänische Kronen gesenkt, doch die Analysten sehen gerade darin die Chance. Der neue CEO könne nun positiv überraschen, während bei Eli Lilly die Luft dünn wird. Die Amerikaner handeln mit einem 2026er KGV von 24,8 – Novo Nordisk nur mit 14,5.
Besonders pikant: Beide kämpfen um die Vorherrschaft im Milliardenmarkt der Abnehmmedikamente. Lillys orale Abnehmpille Orforglipron steht kurz vor der Zulassung, doch Novo kontert mit der erweiterten Zulassung von Wegovy für Fettleber und bald auch Herzinsuffizienz. Ein Kampf der Giganten, bei dem die Karten neu gemischt werden.
Wenn Hoffnung stirbt
Während sich die Großen neu sortieren, ist bei Meyer Burger endgültig Schluss. "Keine realistischen Chancen mehr für eine Rettung" – deutlicher kann eine Kapitulation kaum ausfallen. Der einst als Hoffnungsträger der europäischen Solarindustrie gefeierte Konzern macht China und die unsichere Förderpolitik in USA und Europa für sein Scheitern verantwortlich.
600 Mitarbeiter in Deutschland stehen vor dem Aus, die Werke in Bitterfeld-Wolfen und Hohenstein-Ernstthal sind bereits geschlossen. Es ist ein Déjà-vu der deutschen Solarpleiten – und ein Warnsignal für andere Cleantech-Unternehmen. Die Schweizer Muttergesellschaft sucht nun einen Nachlassvertrag, einzelne Unternehmensteile könnten noch verkauft werden. Aber die Geschichte der Meyer Burger Group, wie wir sie kannten, ist vorbei.
Die Fed und der Elefant im Raum
Der Elefantenbulle im Porzellanladen heißt heute Federal Reserve. Um 19 Uhr unserer Zeit verkündet Jerome Powell die Zinsentscheidung – und erstmals wird Stephen Miran dabei sein. Trumps Wirtschaftsberater im Fed-Gremium? Das gab es noch nie. Die Demokraten laufen Sturm, haben sogar einen Gesetzesvorschlag gegen diesen "offensichtlichen Verstoß gegen die Unabhängigkeit der Notenbank" eingebracht.
25 Basispunkte Senkung sind eingepreist, doch die eigentliche Spannung liegt in der Forward Guidance. Die jüngste Revision der US-Arbeitsmarktdaten – 800.000 Jobs weniger als gedacht – hat die Karten neu gemischt. Der Markt erwartet noch zwei weitere Senkungen bis Jahresende. Sollte Powell hier zurückrudern, dürfte es ungemütlich werden.
Krypto wartet ab
Bitcoin dümpelt bei 117.000 Dollar vor sich hin – die Krypto-Märkte sind in Wartestellung. Die großen Bewegungen der letzten Wochen haben sich erschöpft, alle Augen richten sich auf die Fed. Interessant ist die Entwicklung bei den Stablecoins: World Liberty Financial pusht seinen USD1 aggressiv, Flipster springt als Partner auf. Es ist ein Kampf um die Vorherrschaft im digitalen Dollar-Markt, der sich langsam aber sicher zuspitzt.
Morgen blicken wir auf die Fed-Nachwehen und die ersten Reaktionen der asiatischen Märkte. VW hat für seine Hannover-Produktion eine weitere Schließwoche angekündigt – der ID.Buzz will einfach nicht laufen. Und bei Microsoft zeichnet sich mit der 30-Milliarden-Investition in Großbritanniens KI-Infrastruktur ein neues Wettrüsten mit Google ab.
Die Märkte zeigen heute: Nichts ist so beständig wie der Wandel – außer vielleicht Rheinmetalls Kursgewinne.
Mit besten Grüßen aus der Redaktion
Andreas Sommer
Anzeige
Apropos Chip-Wettrüsten: Während Microsoft in Großbritannien Milliarden in KI-Infrastruktur investiert, spielt sich parallel im Halbleitersektor ein noch größeres Tauziehen ab – zwischen USA, China und Europa. Eine wenig beachtete europäische Tech-Aktie könnte dabei zu den größten Profiteuren zählen. Ich habe mir dazu einen Spezial-Report gesichert: Hier finden Sie die Analyse zur "neuen Nvidia"-Aktie. Für alle, die das Chip-Thema nicht nur beobachten, sondern gezielt davon profitieren wollen, sicher spannend.