Inflation war in den vergangenen Jahren zwar ein Thema in der Eurozone. Allerdings ging es in den Diskussionen eher darum, ob die sehr niedrige Inflation, deutlich unter einem Prozent, schädlich für die Wirtschaft sei. Ein leichtes Unwohlsein ging um bei dem Gedanken, in eine Deflation zu rutschen. Letztlich hatte man sich aber arrangiert. Denn solange die Zinsen niedrig bleiben, ist eine niedrige Inflation nicht wirklich gefährlich. Die Situation ändert sich erst dann, wenn die Inflation deutlich anzieht, die Zinsen aber weiterhin um die Nulllinie herumtanzen. Denn das bedeutet für Zins-Sparer, dass die Kaufkraft ihres Vermögens schwindet.

Im Moment sieht es so aus, als ob tatsächlich Bewegung in den Geldmarkt kommen würde. In der Eurozone ist die Inflation innerhalb kurzer Zeit auf über ein Prozent gesprungen. Aktuell liegt die Preissteigerungsrate bei 1,4 Prozent. Das ist im historischen Rückblick zwar immer noch wenig. Doch man sollte die Gesamtlage und die Dynamik im Auge behalten.

Die Gesamtlage in Deutschland sieht so aus, dass zuletzt vor allem ein Faktor die Inflation getrieben hat: die Rücknahme der zwischenzeitlichen Mehrwertsteuersenkung von 19 auf 16 Prozent. Die Preise in der gesamten Eurozone wurden vor allem von zwei Faktoren beeinflusst: gestiegene Rohstoffpreise und eine offensive Fiskal- und Geldpolitik von Regierungen und Notenbanken, die massiv ihre Geldhähne aufgedreht haben, um die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Lockdowns aufzufangen.

Wie dynamisch sich alle genannten Faktoren in Form stark steigender Inflation bemerkbar machen, wird sich noch zeigen. Festhalten lässt sich aber, dass es einen großen Unterschied zur Finanzkrise 2008/2009 gibt. Damals gelangte das Geld, das den Banken zur Verfügung gestellt wurde, kaum in den Wirtschaftskreislauf. Die Banken schränkten ihre Kreditvergabe sogar ein. Diesmal ist dies anders. Die Banken vergeben gerne Kredite. Das wird vermutlich erstmal so bleiben und die Wirtschaft weiter ankurbeln. Gleichzeitig werden die Zinsen von den Banken nicht angehoben. Man kann also von einer deutlich stärkeren Dynamik wirtschaftlicher Erholung in den kommenden Monaten – und damit von höherer Inflation – ausgehen.

Der Markt hat diese Entwicklung bereits antizipiert. Sieht man sich zum Beispiel den US-Markt an, so zeichnet sich hier eine Abwärtsspirale bei US-Staatsanleihen ab. Die Rendite zehnjähriger US-Bonds ist zuletzt von 1,1 auf 1,4 Prozent gestiegen. In Europa sehen wir bei 10jährigen Bundesanleihen zwar immer noch negative Renditen. Doch die Kurve hat zuletzt deutlich nach oben gedreht.

Für Anleger, die am Rentenmarkt aktiv sind, ist ein Szenario niedriger Zinsen und steigender Inflation umso herausfordernder, je stärker die Inflation anzieht. Denn dann muss das Portfolio geschickt angepasst werden. Konkret bedeutet das, dass man sich als Anleger von niedrig verzinsten Papieren mit langer Restlaufzeit verabschieden sollte. Besser geeignet sind Anleihen aus dem Hochzinsbereich. Anleihen von Unternehmen aus der zweiten Reihe wie beispielsweise Yum Brands oder Heathrow Airport bringen 4,5 Prozent per annum. In einem Nullzinsumfeld ist das beachtlich. Eine weitere Möglichkeit zur Beimischung sind Wandelanleihen. Diese erlauben es dem Anleger, die betreffende Anleihe zu einem vorher festgelegten Preis in Aktien zu wandeln. Ein gutes Beispiel sind hier Wandelanleihen vom Online-Apothekenhändler Zur Rose.

Geht es um Aktien, sieht die Sache etwas komplexer aus. Hier sollte man im ersten Schritt auf die Branche sehen. Zyklische Unternehmen aus den Bereichen Chemie, Industrie, Banken und Rohstoff profitieren von steigenden Zinsen. Für Wachstumswerte mit einem hohen Maß an Fremdfinanzierung sind steigende Zinsen Gift. Deshalb sind einige Tech-Aktien zuletzt stärker unter Druck geraten.

Im zweiten Schritt muss man auch die Situation der einzelnen Unternehmen unter die Lupe nehmen. Die Deutsche Bank etwa wird an der Börse derzeit mit einem Buchwert von 0,35 bewertet. Das ist ein Schnäppchenpreis. Im Rohstoff-Bereich ist Glencore derzeit ähnlich günstig bewertet. Unternehmen mit Preissetzungsmacht, wie etwa der Autokonzern Mazda, sind gut gerüstet gegen einen Anstieg von Zinsen und Inflation. Denn markenstarke Unternehmen rechnen mit festen Margen und sind in der Lage, steigende Kosten an ihre Kunden durchzureichen. Das gilt unter anderem für Unternehmen wie Siemens, BMW oder Daimler, die aktuell vergleichsweise preiswert an der Börse zu haben sind.

Unter dem Strich lässt sich festhalten: Insgesamt ist derzeit ein Schwenk hin zu sogenannten Value-Titeln zu sehen. Das sind, vereinfacht gesprochen, günstig bewertete Unternehmen mit viel Substanz, solidem, zukunftsweisendem Geschäftsmodell und wenigen Schulden. Klingt vernünftig? Das war es eigentlich schon immer.

Diesen und weitere Vermögensverwalter mit Meinungen und Anlagestrategien finden Sie auf www.v-check.de.

Aus dem Börse Express-PDF vom 10. März - hier zum kostenlosen Download

Sie möchten ein kostenloses, unverbindliches Probeabo? Einfach hier mailen.

 

Screen 10032021