Mit der Weihnachtszeit beginnt die Hochsaison für eine neue Generation von Liebesbetrügern. Was Ermittler „Romance Baiting" oder „Pig Butchering" nennen, kombiniert emotionale Manipulation mit Krypto-Investment-Betrug – und hinterlässt Opfer in finanziellen Trümmern.

Die britische National Crime Agency (NCA) startete gestern eine Aufklärungskampagne gegen diese Bedrohung. Der Grund: Die Zahlen explodieren. Allein bei Lloyds Bank stiegen gemeldete Liebesbetrügereien bei Kunden über 55 im vergangenen Jahr um erschreckende 52 Prozent. Eine 67-jährige Frau verlor über zweieinhalb Jahre 100.000 Pfund (rund 117.000 Euro) an einen Online-Betrüger. Kein Einzelfall mehr.

Was diese Maschen so gefährlich macht? Die Täter investieren Monate in ihre Opfer. Sie bauen Vertrauen auf, isolieren die Betroffenen systematisch von Freunden und Familie – und schlagen dann zu. Das perfide System funktioniert weltweit: In Kanada verlor kürzlich ein Opfer umgerechnet 187.000 Euro.

„Crypto Dream Scam Nightmare" – Kampagne gegen neue Taktiken

Die NCA reagiert mit ihrer „Crypto Dream Scam Nightmare"-Initiative gezielt auf die Evolution der Masche. Im Fokus: Männer unter 45, die bevorzugten Ziele für Krypto-Investment-Betrug. Der Ablauf folgt einem durchdachten Drehbuch.

Betrüger knüpfen über Dating-Portale oder Social Media Kontakt. Wochen vergehen mit romantischen Nachrichten. Dann der Schwenk: eine angeblich lukrative Investmentchance. Professionell wirkende Websites und Apps gaukeln hohe Renditen vor. Manche zahlen sogar kleine Beträge aus – um das Vertrauen zu festigen. Bis das Konto gesperrt wird und angebliche Steuern oder Gebühren fällig werden.

Die Polizei im kanadischen North Bay berichtet von „zunehmend ausgefeilten und emotional manipulativen" Methoden. Ein lokaler Fall endete mit 250.000 Dollar Verlust. Die Masche ist global, die Taktiken werden ständig verfeinert.

Die Mechanik der Täuschung

HSBC UK aktualisierte seine November-Warnungen mit klaren Mustern: Der Betrüger kann sich nie persönlich treffen. Gängige Ausreden? Arbeit auf einer Bohrinsel, Arzt-Einsatz im Ausland, militärische Verpflichtungen. Nach dem Vertrauensaufbau beginnen die Geldforderungen: Reisekosten für ein Treffen, medizinische Notfälle von Angehörigen, plötzliche Geschäftskrisen.

Dr. Elisabeth Carter von der Kingston University warnt: Niemand sollte sich schämen. Die Täter sind Experten für psychologische Manipulation. Jeder Mensch durchlebe „situative Verwundbarkeiten" – Trauer, Einsamkeit, Lebenskrisen. Genau dann schlagen die Betrüger zu.

Das Isolation-Prinzip: Der Betrüger besteht auf Geheimhaltung der Beziehung. Kein Freund, kein Familienmitglied darf eingeweiht werden. Dieser „Reality Check" von außen wird systematisch verhindert. Das Opfer ist allein – und damit wehrlos gegen die kommende finanzielle Ausbeutung.

Mehr als ein Herzschmerz-Scam

Die Zahlen sprechen eine brutale Sprache. Die US-Handelsbehörde FTC meldete im Februar für 2023: 1,14 Milliarden Dollar Gesamtverluste durch Romance-Scams. Der Median-Verlust pro Person lag bei 2.000 Dollar. Obwohl diese Betrugsform seltener gemeldet wird als andere Imposter-Scams, verursacht sie die höchsten individuellen Verluste.

Das „Pig Butchering" – Opfer werden mit Zuneigung „gemästet", bevor sie finanziell „geschlachtet" werden – stammt aus organisierten kriminellen Syndikaten. Die Täter arbeiten mit Skripten und psychologischen Taktiken. Die Einbindung von Investment-Plattformen verleiht der Masche eine Legitimität, die simple Bitten um Geldtransfers nie erreichen würden.

Warum Krypto? Die Volatilität und das begrenzte Verständnis vieler Nutzer machen digitale Währungen zum perfekten Werkzeug. Die Transaktionen sind schwer rückverfolgbar, die Summen können gigantisch sein – und das Opfer glaubt bis zuletzt an den großen Gewinn.

Weihnachtszeit – Hauptsaison für Betrüger

Black Friday, Cyber Monday, Weihnachten: Die Behörden erwarten einen Anstieg aller Online-Betrügereien. Menschen fühlen sich einsamer oder großzügiger – eine toxische Kombination für die Täter. Roshan Jelal von FNB Commercial formuliert es klar: „Bleiben Sie wachsam, vertrauen Sie Ihrem Instinkt und überprüfen Sie zweimal, bevor Sie klicken, zahlen oder Informationen teilen."

Die wichtigsten Schutzmaßnahmen:

  • Skepsis bewahren: Online-Beziehungen, die sich sehr schnell entwickeln und bei denen das Gegenüber Videoanrufe oder persönliche Treffen ablehnt, sind verdächtig.

  • Niemals Geld senden: Kein Bargeld, keine Geschenkkarten, keine Kryptowährung an Online-Kontakte – egal wie überzeugend die Geschichte klingt.

  • Unabhängig verifizieren: Namen und Fotos der Person in Suchmaschinen prüfen. Bei Investment-Angeboten den Firmennamen plus „Betrug" googeln.

  • Austausch suchen: Freunde oder Familie einweihen. Eine Außenperspektive erkennt oft Warnsignale, die man selbst übersieht.

Wer glaubt, Opfer geworden zu sein, sollte sofort den Kontakt abbrechen und die Plattform sowie lokale Behörden informieren. Die NCA und andere Ermittler betonen: Je schneller reagiert wird, desto höher die Chancen, zumindest weitere Verluste zu verhindern.