Reagan-Geist im Oval Office: Wenn tote Präsidenten zurückschlagen
Reagan-Geist im Oval Office: Wenn tote Präsidenten zurückschlagen
Liebe Leserinnen und Leser,
wer hätte gedacht, dass Ronald Reagan – seit über 20 Jahren tot – noch einmal derart spektakulär in die Weltpolitik eingreifen würde? Diese Woche lieferte uns der ehemalige US-Präsident posthum eine der bizarrsten Episoden im ohnehin schon surrealen Handelskonflikt zwischen den USA und Kanada. Doch der Reihe nach.
Der Geist, der Trump nicht schlafen lässt
Seit Februar prangt ein überlebensgroßes Reagan-Porträt im Oval Office – aufgehängt von Donald Trump höchstpersönlich als Tribut an seinen republikanischen Vorgänger. Doch diese Woche wurde aus der stillen Hommage ein handfester Albtraum für den amtierenden Präsidenten.
Der Auslöser: Eine geniale Werbekampagne der kanadischen Provinz Ontario. Premier Doug Ford – ironischerweise oft als "Kanadas Trump" bezeichnet – ließ einen Anti-Zoll-Werbespot produzieren, der Reagan selbst zu Wort kommen lässt. In zusammengeschnittenen Originalaufnahmen von 1987 warnt der konservative Held eindringlich: Zölle verursachen Handelskriege und wirtschaftliche Katastrophen.
Die Reaktion aus Washington? Apokalyptisch. Trump tobte auf Truth Social, nannte die Werbung "betrügerisch" und verkündete in Großbuchstaben: "ALLE HANDELSVERHANDLUNGEN MIT KANADA SIND HIERMIT BEENDET."
Der Clou an der Geschichte: Ford ließ die Spots ausgerechnet während der ersten beiden Spiele der World Series ausstrahlen – Toronto Blue Jays gegen Los Angeles Dodgers, ein sportliches Duell zwischen Kanada und den USA vor Millionenpublikum. "Wir haben unser Ziel erreicht und das US-Publikum auf höchster Ebene erreicht", kommentierte Ford süffisant.
Die Reagan-Trump-Paradoxie
Was macht einen simplen Werbespot so explosiv? Die Antwort liegt in der komplizierten Beziehung zwischen Trump und Reagans Erbe. Während Trump die Republikanische Partei in den letzten zehn Jahren radikal umgebaut hat – weg von Freihandel und globalen Allianzen, hin zu Protektionismus und America First – bleibt Reagan für viele konservative Amerikaner der "Goldstandard", wie es der republikanische Stratege Charlie Black ausdrückt.
Reagan glaubte an freien Handel, suchte die Nähe zur NATO und scheute Kompromisse mit Demokraten nicht. Trump vertritt in all diesen Punkten das exakte Gegenteil. Der Historiker Timothy Naftali von der Columbia University bringt es auf den Punkt: "Diese schlecht getimte Anzeige unterstreicht, wie un-reaganesk Trump ist."
Das wahre Problem für Trump: Reagan ist tot, aber sein Mythos lebt. Und während Trumps Kontrolle über die Partei absolut erscheint, nagt der Zweifel: Hat er in Reagan einen Konkurrenten, der ihm aus dem Jenseits die Show stiehlt?
Der Preis des Theaters: Wirtschaftliche Kollateralschäden
Während sich die Politik in Symbolkämpfen verliert, zahlt die Wirtschaft die Zeche. Der kanadische Dollar sackte nach Trumps Wutausbruch ab. Ontario – ausgerechnet die Provinz des streitbaren Premiers Ford – ist von Auto- und Stahlzöllen am stärksten betroffen.
Die Ironie der Geschichte: Premierminister Mark Carney hatte seit seinem Amtsantritt im März versucht, die Temperaturen zu senken. Er hoffte auf einen Deal zur Abschaffung der US-Zölle auf kanadischen Stahl und Aluminium. Ford spielte dabei den "bad cop", drohte zwischenzeitlich sogar mit Energieexport-Zuschlägen für mehrere US-Bundesstaaten.
Jetzt muss Carney die Scherben zusammenkehren. "Ford kann den Bösewicht spielen und Carney muss der besonnene Typ sein, der versucht, die Gespräche auf Kurs zu halten", analysiert Laura Stephenson von der Western University in Ontario.
Die versteckten Gewinner: Europas stille Chance
Während Nordamerika sich in Grabenkämpfen verliert, könnte Europa profitieren. Die Eskalation zwischen den USA und Kanada – immerhin engste Handelspartner und NATO-Verbündete – sendet ein verheerendes Signal an internationale Investoren.
Für europäische Unternehmen eröffnen sich Chancen: Kanadische Firmen suchen nach alternativen Märkten, US-Unternehmen nach verlässlicheren Lieferketten. Die EU, die gerade ihre eigenen Handelsabkommen mit Kanada (CETA) vertieft, könnte sich als stabiler Partner positionieren.
Besonders pikant: Die Reagan-Kontroverse zeigt, wie tief die ideologische Spaltung in den USA sitzt. Für europäische Politiker, die oft mit dem Vorwurf der Uneinigkeit kämpfen, ist das eine willkommene Relativierung.
Anzeige: Apropos europäische Chancen – während Amerika mit Zöllen kämpft, schwingt sich Europas Tech-Branche still zum globalen Gewinner auf. Der aktuelle Chip-Boom bietet laut mehreren Analysten die vielleicht spannendste Wachstumsstory der kommenden Jahre. Welche Aktie als „neue Nvidia“ gilt und wie Anleger vom europäischen Halbleiter-Trend profitieren können, lesen Sie hier im aktuellen Report.
Ein Blick nach vorne
Die kurzfristige Schadensbegrenzung hat bereits begonnen. Ford kündigte an, die Werbekampagne ab Montag zu pausieren, damit Handelsgespräche wieder aufgenommen werden können. Aber der Schaden ist angerichtet – sowohl wirtschaftlich als auch symbolisch.
Die größere Frage bleibt: Kann eine Handelsbeziehung funktionieren, wenn ein toter Präsident mehr Einfluss hat als lebende Diplomaten? Und was sagt es über den Zustand der amerikanischen Politik aus, wenn eine simple Zitatmontage eine außenpolitische Krise auslöst?
Nächste Woche treffen sich die Finanzminister beider Länder erneut. Ob sie es schaffen, den Reagan-Geist wieder in die Flasche zu bekommen? Die Chancen stehen fifty-fifty. Eines ist jedoch sicher: Die nächste Eskalationsstufe im nordamerikanischen Handelsstreit wartet bereits. Und Reagan? Der schaut weiter lächelnd von der Wand des Oval Office.
Behalten Sie die Nerven in diesen turbulenten Zeiten – und vielleicht ein Bild von Reagan im Portemonnaie. Man weiß ja nie, wann man es braucht.
Herzlichst aus dem herbstlichen Deutschland,
Eduard Altmann
P.S.: Die kommende Woche wird spannend – die US-Notenbank trifft sich trotz Regierungs-Shutdown zur Zinsentscheidung (ohne vollständige Wirtschaftsdaten!), und in Kuala Lumpur versuchen US- und chinesische Unterhändler, ihren eigenen Handelskrieg zu entschärfen. Mehr dazu nächste Woche.








