Porr-CEO Karl-Heinz Strauss: Schlanke Hierarchien und gestreamlinte Prozesse als Schlüssel zum Erfolg
07.12.2021 | 11:56
Karl-Heinz Strauss, CEO und Großaktionär von Porr, über die künftigen Treiber des Geschäfts, klimaneutrales Bauen und die Lehren aus der Corona-Krise.
BÖRSE EXPRESS: Die Porr hatte ihre Erstnotiz an der Wiener Börse am 8. April 1869, womit der Konzern die älteste börsennotierte Gesellschaft Österreichs ist. Sie haben davon zwar ‚nur‘ knapp 11 Jahre mitgestaltet, haben sich aber sicher mit der Geschichte des Konzerns auseinandergesetzt. Was war aus Ihrer Sicht das Geheimnis des langfristigen Überlebens?
KARL-HEINZ STRAUSS: Ich würde sagen, dass sich vor allem ein Merkmal der PORR sehr stark durch unsere Unternehmensgeschichte zieht: unserer Vorreiterrolle in Technologie und Technik. Bereits 1873 waren wir maßgeblich an der Errichtung der Prachtbauten an der Wiener Ringstraße beteiligt. 1927 kam der Betonbaupionier Arthur Porr mit seinem umfangreichen Expertenwissen dazu. Und auch im hochalpinen Gelände – beim Bau der Glockner-Hochalpenstraße – haben wir unsere Technologieführerschaft unter Beweis gestellt.
Seitdem treiben wir die Innovationskraft unserer Branche mit unseren technischen Entwicklungen immer wieder voran. Zum Beispiel entstammt die spektakuläre Baugrubentechnik bei mehreren Donaukraftwerken oder die Neue Österreichische Tunnelbaumethode aus dem Hause PORR. Heute ist dieser Pioniergeist fest in unseren Prinzipien verankert. Aktuell arbeiten wir etwa mit unserem patentierten Slab Track System an den wichtigsten Bahnverbindungen in aller Welt. Wir bauen die digitale Projektabwicklung im Straßenbau aus und erforschen nachhaltige Baustoffe. Die PORR ist damals wie heute führend in Technologie und Innovation. Und hat damit langfristig eine sichere Basis für nachhaltigen Erfolg geschaffen.
BÖRSE EXPRESS: Die internationale Baubranche ist auch in der Coronakrise gewachsen und erreichte zuletzt einen Umsatz von 1,3 Billionen Euro, wie aus einer Erhebung des Beratungsunternehmens Deloitte hervorgeht. Woher rührt derzeit grosso modo das Branchenwachstum? Ist es das Auflösen des seit eigentlich vielen Jahren propagierten öffentlichen Investitionsstaus in die Infrastruktur, die Corona-Hilfspakete...?
KARL-HEINZ STRAUSS: Das ist richtig, insbesondere im Tiefbau spüren wir stark die Konjunkturprogramme sowohl der nationalen Regierungen als auch auf EU-Ebene. Hier werden jahrelang aufgebaute Investitionsstaus aufgelöst und das kommt uns natürlich zugute. Sowohl die Instandhaltung und Modernisierung von Bahnstrecken und Straßen als auch der generelle Neubau von Infrastruktur sind treibende Kräfte – der Megatrend Mobilität setzt sich durch. Hinzu kommt, dass nachhaltige Schienenwege bzw. deren Ausbau vom EU Green Deal unterstützt werden. Der Hochbau profitiert nach wie vor vom niedrigen Zinsumfeld und die wachsende Urbanisierung treibt die Entwicklung von qualitativem Wohnraum weiter voran.
BÖRSE EXPRESS: Wo sehen Sie die künftigen Wachstumstreiber?
KARL-HEINZ STRAUSS: Die Megatrends sehen wir vor allem in den Bereichen Mobilität, Nachhaltigkeit und Urbanisierung. Und über alle Branchen hinweg kommt hier noch die Digitalisierung als entscheidende Treiberin hinzu. Ich bin davon überzeugt, dass das in den nächsten Jahren, vielleicht sogar Jahrzehnten, die bestimmenden Themen sein werden. Die PORR schafft die besten Voraussetzungen, um die sich daraus ergebenden Chancen optimal für sich zu nutzen. Wir bauen hochmoderne Hochgeschwindigkeitsstrecken, die den steigenden Mobilitätsanforderungen der Menschen auf ressourcenschonende Art und Weise gerecht werden. Wir schaffen hochqualitativen Wohnraum, der auch im dicht besiedelten, urbanen Gebiet keine Abstriche bei Komfort und Nachhaltigkeit erfordert. Und wir setzen uns für ein möglichst klimaneutrales Bauen ein; sorgen für einen umweltbewussten Umgang mit Baustoffen und Materialien. Die zunehmende Digitalisierung befeuert diese Prozesse zusätzlich. Auch hier haben wir entsprechende Potenziale längst erkannt, etablieren BIM und LEAN als Standard in der Branche und haben zurecht eine Vorreiterrolle eingenommen.
BÖRSE EXPRESS: Mit dem Prime Status von ISS und einem C+ ist Porr in ihren Heimmärkten nach ESG-Kriterien das bestbewertete Unternehmen in seiner Branche. Ist Ihnen das Thema ein persönliches Anliegen? Was bringt es unterm Strich, Auftraggeber entscheiden doch sicher weiter vor allem auf Basis des Angebotspreises und nicht auf Basis eines Nachhaltigkeitsratings über die Vergabe...?
KARL-HEINZ STRAUSS: Nachhaltigkeit und Klimawandel sind ganz eindeutig die neue Realität der Bauwirtschaft. Das Thema liegt mir natürlich persönlich am Herzen, ist aber längst mehr als eine individuelle Aufgabe. Vielmehr geht es um einen gesellschaftlichen Auftrag, der unser Zusammenleben, unser Wirtschaften, unsere Märkte und Marken nachhaltig verändern wird. Von diesem Wandel wird keine Branche unberührt bleiben und dementsprechend achten auch immer mehr Auftraggeber bei der Vergabe von Projekten auf Kriterien in Bezug auf eine möglichst nachhaltige Umsetzung. Unser Ziel ist es, den Anteil nachhaltiger Projekte weiter voranzutreiben und klimaneutrale Wege zu gehen. Diese klare Sicht auf den Klimawandel und unser Engagement zu Nachhaltigkeit haben wir 2021 strategisch weiterentwickelt. Unser Fokus liegt auf unserer Strategie „Green and Lean“.
BÖRSE EXPRESS: Porr ist in allen Sparten der Bauwirtschaft tätig: vom Tiefbau einschließlich Verkehrswege-, Tunnelbau und Spezialtiefbau über den Hochbau bis hin zu Umwelttechnik und Facilitymanagement. Worin liegt für Sie der Vorteil dieser breiten Aufstellung? Gibt es dafür in Kauf genommene Nachteile?
KARL-HEINZ STRAUSS: Die PORR ist eines der wenigen Unternehmen, die sämtliche Leistungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette Bau aus einer Hand anbieten können. Als Totalunternehmerin decken wir von der Planung über den eigentlichen Bau bis hin zum Betrieb und schließlich dem Rückbau oder der Revitalisierung den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes ab. Das ist gefragter denn je, macht uns einzigartig und ist ganz eindeutig unser USP.
BÖRSE EXPRESS: Ziel ist eine nachhaltige EBT-Marge von 2 bis 3 Prozent. Das liegt an sich unter jenen Werten, die börsennotierte Branchenunternehmen im europäischen Schnitt propagieren bzw. bereits erreichen. Liegt das mit in der breiten Aufstellung des Konzerns, oder worin ist dieser Renditerückstand begründet?
KARL-HEINZ STRAUSS: Unser Ziel für 2025 ist eine EBT-Marge von rund 3 Prozent. Das liegt im europäischen Durchschnitt für ein „pure-play“, also ein reines Bauunternehmen. Man darf nicht vergessen, dass viele europäische Mitbewerber zum Teil in der Immobilienentwicklung tätig sind und daher ein direkter Vergleich hinkt.
BÖRSE EXPRESS: Sie sind seit beinahe 11 Jahren CEO und Großaktionär des Unternehmens. Worauf sind Sie in dieser Zeit besonders stolz, worauf vielleicht etwas weniger und wie sieht die Porr 2025 aus wenn Sie Ihr aktuelles Transformationsprogramm umgesetzt haben?
KARL-HEINZ STRAUSS: Die PORR hat sich in den letzten zehn Jahren sehr stark entwickelt. Wir sind mit der Abspaltung der UBM zu einem reinen Bauunternehmen geworden. Dennoch haben wir unsere Leistung beinahe verdoppelt. Diesen Erfolg haben wir allen PORRianerinnen und PORRianern zu verdanken, die Tag für Tag ihr Bestes geben – darauf bin ich besonders stolz.
In den letzten beiden Jahren hat uns unser rasches Wachstum eingeholt, weshalb wir jetzt mit unserem Zukunftsprogramm PORR 2025 wichtige und notwendige Schritte setzen. Damit fokussieren wir uns auf unsere Stärken und optimieren die Effizienz unserer Organisation. Um das Fundament für ein profitables Wachstum zu sichern und sich für die Zukunft optimal aufzustellen, investiert die PORR in weitreichende Maßnahmen zur Anpassung von Kostenstrukturen, der Organisation und des Portfolios. Darüber hinaus fokussieren wir uns auf Wachstumsthemen und den Ausbau digitaler Technologien. So erreichen wir Performanceverbesserungen auf allen Ebenen und sichern unsere zukünftige Ertragskraft und Wertschöpfung.
BÖRSE EXPRESS: Die Digitalisierung hat auch den Bau erreicht. Wenn Sie zehn Jahre nach vorne blicken – wird es noch den herkömmlichen Bauarbeiter benötigen?
KARL-HEINZ STRAUSS: Der digitale Wandel führt auch in der Baubranche zu einem Paradigmenwechsel, der für uns viele Chancen bietet: Wir gestalten Prozesse effizienter und transparenter, reduzieren Kosten, schonen Ressourcen und entlasten Menschen von Routinetätigkeiten. Unsere Fachkräfte aber sind und bleiben die wichtigste Ressource der PORR und bilden weiterhin das Fundament unseres Erfolgs. Denn Bauen ist und bleibt ein People Business. Zentral ist allerdings, dass wir unser Personal adäquat ausbilden und bestmöglich auf diesen Wandel vorbereiten. Unternehmen entlang der Wertschöpfungskette Bau müssen bestehende Strategien und Geschäftsmodelle grundlegend hinterfragen, um den immensen Bedeutungsschub der Digitalisierung für sich zu nutzen. Wir haben früh erkannt, dass digitale Methoden und Technologien völlig neue Perspektiven und Chancen entlang der gesamten Wertschöpfungskette eröffnen und setzen seit Jahren auf smarte, digitale Technologien. Im Zuge des Transformationsprogramms PORR 2025 passen wir unsere Prozesse substanziell und nachhaltig an diesen anhaltenden Strukturwandel an.
BÖRSE EXPRESS: Eines Ihrer aktuellen Digitalisierungsprojekte ist eine Baulogistik-Plattform, die Sie mit der Umdasch-Gruppe umsetzen. Zwar auf die eigenen Bedürfnisse zugeschnitten, aber so etwas hat jeder Lebensmitteleinzelhändler seit Jahren – ist das mit eine Frage der Branchenkonzentration, oder warum hinkt der Bau da doch nach? Und wird diese Plattform später auch Konkurrenten geöffnet bzw. angeboten, oder ist das Ziel eine konzerninterne Lösung?
KARL-HEINZ STRAUSS: Leider ist es so, dass sich bisher keine standardisierten, digitalen Logistiklösungen in der Bauwirtschaft etablieren konnten. Die Branchenanforderungen sind sehr komplex, jede Baustelle ist anders und bestehende Lösungen stoßen oftmals an ihre Grenzen. Wir wollen hier Pionierarbeit für die gesamte Branche leisten und eine einzigartige Lösung im Bereich der smarten Baulogistik schaffen. Gemeinsam wollen wir Barrieren eliminieren, bestehende Branchensysteme miteinander verbinden und unsere langjährige Expertise in diesem Bereich einbringen. Die neue Industrielösung wird für alle Marktteilnehmer zugänglich sein. Wir fördern auch die aktive Beteiligung anderer Unternehmen: Es ist ausdrücklich erwünscht, dass sich andere Marktteilnehmer aktiv einbringen und die gemeinsame Branchenlösung mit konstruktiver Zusammenarbeit vorangetrieben wird.
BÖRSE EXPRESS: Je digitalisierter die Prozesse sind, desto störender wäre ein Hackerangriff. Überwiegen eigentlich die digitalisierten Effizienzgewinne die sich daraus auch ergebenden Kosten?
KARL-HEINZ STRAUSS: Die Digitalisierung bietet uns enorme Potenziale, die Gewinne überwiegen bei weitem. Ich möchte das am Beispiel eines unserer Projekte veranschaulichen, dem BMW-Komplex in München, Freimann. Bei diesem Großprojekt konnten wir unter Beweis stellen, dass die Anwendung von digitalen Technologien, wie Building Information Modeling (BIM), enorme Vorteile in puncto Effizienz, Bauzeit und Kosten bringt. Denn BMW musste das Bürogebäude nach Abschluss der Planungsarbeiten noch einmal komplett verändern, weil weltweit neue Standards für alle BMW-Büros in Kraft getreten waren. Dank BIM hatte die PORR schon nach knapp fünf Stunden ermittelt, wie sich die nötigen Änderungen auf Bauzeit und Kosten auswirken. In Folge konnten Ausführungsdauer und Gesamtkosten des Gebäudes stabil gehalten werden. Durch BIM und LEAN konnten wir bei diesem Projekt eine äußerst straffe Ressourcenplanung bezüglich Zeit und Kosten sicherstellen und einhalten.
BÖRSE EXPRESS: In der Corona-Krise bzw. als Folge stellte sich eine Störung in den Lieferketten ein. Gibt es für Sie eine Antwort darauf? Sollte es Ziel sein, so etwas wie Selbstversorger bei Kies, Beton und anderen wichtigen Vormaterialien zu werden?
KARL-HEINZ STRAUSS: Die Auslastung der Baubranche war nach den Lockdowns sehr hoch und die Rohstoffhersteller waren auf diese Situation kaum vorbereitet. Die Lager leerten sich rasch und die Lieferketten waren unterbrochen. Dazu kamen Corona-bedingte Produktionsengpässe, Grenzkontrollen, etc. Heute sind die Lieferketten aber glücklicherweise, bis auf wenige Ausnahmen, wieder intakt. Mit den langfristigen Folgen ist die Branche aber weiter konfrontiert: Preissteigerungen und längere Dispositionszeiten. Die Antwort auf diese Problematik liegt also in der Arbeitsvorbereitung. Unternehmen müssen verstärkt auf die Zusammenarbeit mit einer Vielzahl an Lieferanten setzen, Single-Source-Lieferketten vermeiden und die Beschaffung großräumig ausweiten. Es gilt, langfristig zu planen, rechtzeitig zu bestellen und bei Bedarf auf alternative Materialien auszuweichen. Die Strategie des Einkaufs muss angepasst und auf derartige Situationen vorbereitet werden.
BÖRSE EXPRESS: Da Sie ja auch Aktionär des Unternehmens sind: Was war beim Einstieg und ist jetzt für Sie die Anlagestory Porr?
KARL-HEINZ STRAUSS: Bereits 2010 war die PORR eines der traditionsreichsten Bauunternehmen Europas mit einem erstklassigem Ruf, einer hervorragenden Position am europäischen Markt und einer soliden Eigentümerstruktur. Aber es gab auch einige Potenziale: Das Unternehmen musste flexibler, effektiver und kundenorientierter werden. Das ist uns in den letzten Jahren sicherlich gelungen. Heute ist mein Motiv ebenso klar: Die PORR steht an der Spitze Europas, ist Marktführer in Österreich und baut auf ihre sieben stabilen und wachsenden Heimmärkte. Die bereits erwähnten Megatrends befeuern die Nachfrage in der Baubranche. Für uns bedeutet das einen Rekord-Auftragsbestand, dem wir mit unserer vollintegrierten Wertschöpfungskette und Leistungen aus einer Hand begegnen. Zudem ist die PORR Top bei Nachhaltigkeit. In unserer neuen Strategie Green and Lean hat jedes Wort eine gesonderte Bedeutung. „Green“ beschreibt das etablierte nachhaltige Engagement der PORR, das Streben danach, Marktführerin im kreislauffähigen Bauen zu sein. Unter „and“ verstehen wir Partnership-Modelle. Dazu zählt insbesondere Building Information Modelling (BIM) – womit wir alle Projektbeteiligten zu einem Team machen – egal, ob Bauherr, Subunternehmer, Generalplaner oder Totalunternehmer – alle können jederzeit auf das gesamte Modell zugreifen. „Lean“ agieren wir sowohl auf Management-Ebene als auch im operativen Bereich mit LEAN Design and Construction. Schlanke Hierarchien und gestreamlinte Prozesse sind dabei der Schlüssel. All das zahlt auf die zukünftige Profitabilität positiv ein. Nicht zuletzt haben wir den Ausblick für 2021 bestätigt und sind bestens für die Zukunft gerüstet. Ich bin weiterhin mehr als gespannt, ein Teil dieser Reise zu sein.
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