Palantir, Bitcoin & Mercedes: Zwischen KI-Euphorie und Realitäts-Check

Liebe Leserinnen und Leser,

während die Wall Street neue Rekorde feiert und Warren Buffett still und leise seinen Cash-Berg auf astronomische 382 Milliarden Dollar aufstockt, erleben wir gerade einen faszinierenden Zweikampf zwischen Zukunftsversprechen und harten Fakten. Die Märkte schwanken zwischen KI-getriebener Euphorie und wachsender Nervosität vor den morgigen US-Arbeitsmarktdaten – ein Spannungsfeld, das sich heute besonders deutlich in den Kursbewegungen von Tech-Aktien und Kryptowährungen zeigt.

Palantir vor den Zahlen: Die 200-Dollar-Frage

Die Spannung steigt: Wenn Palantir heute nach US-Börsenschluss seine Quartalszahlen präsentiert, schauen Anleger besonders genau hin. Bei rund 200 Dollar notierend, hat sich die Aktie des Datenanalyse-Spezialisten in den vergangenen zwölf Monaten mehr als verdoppelt – getrieben vom KI-Boom und lukrativen Regierungsaufträgen.

Die Erwartungen sind sportlich: Analysten rechnen mit einem Gewinn von 16,8 Cents je Aktie, was fast einer Verdreifachung gegenüber dem Vorjahr entspräche. Der Umsatz soll von 726 Millionen auf über eine Milliarde Dollar klettern. Besonders pikant: D.A. Davidson-Analyst Gil Luria spekuliert sogar über einen möglichen Aktiensplit nach dem Vorbild von ServiceNow und Netflix. "Ein Zeichen des Vertrauens", nennt er es – auch wenn Palantir selbst dazu schweigt.

Was das für deutsche Anleger bedeutet? Die hohe Bewertung macht die Aktie anfällig für Enttäuschungen. Sollten die Zahlen oder der Ausblick nicht überzeugen, könnte es schnell ungemütlich werden.

Bitcoin im Sog der Zinssorgen

Der Krypto-Markt zeigt sich heute von seiner schwachen Seite. Bitcoin rutscht um knapp 3 Prozent auf 107.550 Dollar ab, Ethereum trifft es mit minus 4,6 Prozent noch härter. Der Auslöser? US-Finanzminister Scott Bessent warnte am Wochenende eindringlich vor den Risiken dauerhaft hoher Zinsen – ein Szenario, das besonders für zinssensitive Assets wie Kryptowährungen Gift ist.

Die Nervosität hat System: Nach der jüngsten Fed-Sitzung schwankt die Wahrscheinlichkeit einer weiteren Zinssenkung im Dezember nur noch bei 69 Prozent, verglichen mit 92 Prozent vor einer Woche. Gleichzeitig sorgt Chinas neue Steuer auf Goldverkäufe für zusätzliche Verunsicherung im Rohstoffsektor. Gold selbst pendelt bei 4.000 Dollar je Unze – die Anleger warten ab.

Bemerkenswert: Trotz der aktuellen Schwäche meldet die Mining-Firma Cango stolze 602 Bitcoin-Schürfungen im Oktober. Mit über 6.400 Bitcoin im Bestand zeigt sich hier die andere Seite der Medaille – operative Stärke trifft auf Marktschwäche.

Mercedes dreht auf: DZ Bank sieht Kaufchance

Während Tesla-Anleger weiter auf den verzögerten Robotaxi-Start warten müssen, gibt Mercedes-Benz heute richtig Gas. Die DZ Bank hat den Stuttgarter Autobauer auf "Kaufen" hochgestuft und sieht mit einem Kursziel von 64 Euro satte 14 Prozent Potenzial. "Technologieoffenere Ausrichtung" und "positive Effekte der Kostensenkungen" lauten die Argumente.

Zusätzlichen Schub liefern Entspannungssignale aus China: Das Handelsministerium in Peking stellte Lösungen für die Chip-Lieferkrise in Aussicht – ein Hoffnungsschimmer für die gesamte deutsche Autobranche. VW legte daraufhin um 2,4 Prozent zu, BMW und Continental folgten dem Trend. Die Erleichterung ist spürbar, auch wenn viele Details noch offen sind.

Die Ironie dabei: Während Elon Musk von autonomen Fahrzeugen träumt, punktet Mercedes mit klassischen Tugenden – Kostendisziplin, Modellpflege und der Wiederaufnahme von Aktienrückkäufen.

Tech-Riesen im Windschatten der KI-Welle

Amazon und Alphabet profitieren massiv von ihrer Wette auf das KI-Startup Anthropic. Die sprunghafte Wertsteigerung ihrer Beteiligungen bescherte beiden Tech-Giganten im dritten Quartal Milliardengewinne – praktisch geschenkt, während Microsoft mit seiner OpenAI-Beteiligung überraschend strauchelt.

Der Kontrast könnte größer nicht sein: Auf der einen Seite reiner Bewertungsgewinn durch kluge Frühphasen-Investments, auf der anderen Seite operative Herausforderungen bei der Integration von KI in bestehende Geschäftsmodelle. Es zeigt sich: Nicht jede KI-Wette zahlt sich gleich aus.

Unterdessen meldet Oracle eine vielversprechende Kooperation mit dem Gesundheitskonzern M42: Genomdaten sollen direkt in elektronische Patientenakten integriert werden – personalisierte Medizin in Echtzeit. Ein Geschäftsfeld, das in Deutschland durch strenge Datenschutzregeln noch in den Kinderschuhen steckt.

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Apropos Technologie und die nächste Welle der Digitalisierung – wer die jüngste Euphorie rund um KI und Halbleiter gezielt für sich nutzen möchte, findet im aktuellen Report von Bernd Wünsche spannende Einblicke in den „Megatrend-Tsunami 2025“. Darin geht es um ein europäisches Chip-Unternehmen, das schon heute als „neue Nvidia“ gehandelt wird. Der Report kann hier kostenlos angefordert werden.

Deutsche Banken: Kleine Schritte, große Wirkung

Fast unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit lockert die EZB die Daumenschrauben: Die Deutsche Bank muss ab 2026 etwas weniger Eigenkapital vorhalten – die Säule-2-Anforderung sinkt minimal von 2,90 auf 2,85 Prozent. Was nach Peanuts klingt, kann bei den gewaltigen Bilanzsummen durchaus Spielräume für neue Kredite schaffen.

Am Donnerstag öffnet dann die Commerzbank ihre Bücher. Mit erwarteten 3 Milliarden Euro Erlösen im dritten Quartal steht die Bank solide da – trotz oder gerade wegen der anhaltenden Übernahmespekulationen durch die italienische UniCredit.

Die neue Woche bringt reichlich Zündstoff: Neben Palantirs Zahlen heute Abend stehen die US-Arbeitsmarktdaten am Freitag im Fokus – sie könnten die Zinsdebatte neu entfachen. Berkshire Hathaways Rekord-Cashberg von 382 Milliarden Dollar sendet derweil eine klare Botschaft: Der Altmeister traut dem Frieden nicht. Vielleicht sollten auch wir bei aller Euphorie eine Portion seiner legendären Geduld walten lassen.

Mit analytischem Optimismus grüßt Sie

Andreas Sommer