Sicherheitsnetz, Kommentar zur Eurogruppe von Andreas Heitker

Frankfurt (ots) - Die Eurogruppe hat nach jahrelangen Debatten endlich grünes

Licht für eine Weiterentwicklung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM)

gegeben. Dies ist ein wichtiges Zeichen der Handlungsfähigkeit, das die

Euro-Finanzminister hier gegeben haben und das sie in den vergangenen Jahren so

oft haben vermissen lassen.

Nein, der ESM wird nicht zu einem Europäischen Währungsfonds umgebaut, wie es

zwischenzeitlich diskutiert wurde. Aber er wird künftig deutlich früher in die

Krisenprävention einbezogen. Er kann leichter Kredite bei kleineren Krisen

vergeben, seine Rolle bei großen Hilfsprogrammen wird gestärkt. Und mit der

Letztsicherung für den europäischen Bankenabwicklungsfonds - immerhin ein

Geldtopf mit einem Volumen von voraussichtlich 70 Mrd. Euro - erhält der

Rettungsfonds weitere Kompetenzen hinzu.

Mit den Beschlüssen zur Stärkung des ESM, die zuletzt ein Jahr lang von Italien

blockiert waren, wird nun ein zusätzliches Sicherheitsnetz eingezogen, eine

weitere Lücke in der Architektur der Eurozone geschlossen. Dies sollte das

Vertrauen der Märkte in die europäische Währung und damit natürlich auch die

internationale Rolle des Euro stärken - wenn das Reformpaket auch tatsächlich

von allen 19 Euro-Staaten ratifiziert wird. Dieser Hinweis gehört dazu, denn in

dem einen oder anderen nationalen Parlament dürfte es hierzu noch hitzige

Diskussionen geben.

Dann wird wohl auch die Risikolage im europäischen Bankensektor noch einmal in

den Fokus rücken. Schon jetzt scheint klar, dass das Problem der notleidenden

Kredite ab dem nächsten Jahr noch einmal eine neue Dynamik bekommen wird, wenn

im Zuge der Krise die Zahl der Firmenpleiten anschwillt. Die Eurogruppe hat dies

bei ihrer Entscheidung, den Backstop für den Abwicklungsfonds schon in gut einem

Jahr unter dem Dach des ESM startklar zu haben, möglicherweise zu wenig beachtet

und ihre Risikoanalyse zu vergangenheitsbezogen geführt.

Auf der anderen Seite: Übersteht die Bankenunion die Coronakrise 2021 ohne

größere Schäden, zeigt sie sich also wirklich widerstandsfähig und bestätigt

damit die eher optimistischen Risikobewertungen, dann dürften rasch die nächsten

Reformschritte auf den Tisch kommen. Dazu gehört wohl auch noch einmal die

Einführung einer europäischen Einlagensicherung. Eurogruppen-Chef Paschal

Donohoe war nach dem ESM-Beschluss sichtlich bemüht, dieses Thema nicht direkt

zu erwähnen. Er kennt seine Sprengkraft sehr genau.

Pressekontakt:

Börsen-Zeitung

Redaktion

Telefon: 069--2732-0

www.boersen-zeitung.de

Weiteres Material: http://presseportal.de/pm/30377/4779469

OTS: Börsen-Zeitung

AXC0376 2020-12-01/20:27

Copyright dpa-AFX Wirtschaftsnachrichten GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Weiterverbreitung, Wiederveröffentlichung oder dauerhafte Speicherung ohne ausdrückliche vorherige Zustimmung von dpa-AFX ist nicht gestattet.